Aufstand gegen Spahn und Gematik

Ärzte und Apotheker: Pilotprojekt gescheitert, E-Rezept abblasen!

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Berlin -

Die Gesellschafter der Gematik gehen auf die Barrikaden – und diesmal geht es nicht um die Veröffentlichung irgendeines Whitepapers, sondern um nichts Geringeres als das E-Rezept selbst. In einer gemeinsamen Erklärung widersprechen die Spitzenorganisationen der Leistungserbringer der Erzählung der Gematik von der bisher angeblich „erfolgreichen“ Erprobung. Apotheker, Ärzte, Zahnärzte und Kliniken warnen eindringlich vor der Einführung im Januar und machen pikante Details aus der jüngsten Gesellschafterversammlung öffentlich. Der Gesetzgeber müsse handeln und die Einführung absagen.

So viel Einigkeit herrscht im Gesundheitswesen selten: Der Deutsche Apothekerverband (DAV), die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), die Bundesärztekammer (BÄK), die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) haben sich am Mittwoch mit einer gemeinsamen Erklärung an die Öffentlichkeit gewandt, in der sie das Vorgehen der Gematik – und insbesondere ihres Mehrheitseigners, des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) – bei der Einführung des E-Rezepts scharf kritisieren. Sie werfen der Gematik vor, die Öffentlichkeit über die tatsächlichen Probleme bei der Entwicklung des E-Rezepts im Unklaren zu lassen.

„Mit großer Skepsis sehen die meisten Gesellschafter der Gematik deren öffentliche Aussage, dass die bisherige Testphase zur Einführung des Elektronischen Rezepts ‚erfolgreich‘ verlaufen sei“, heißt es in der Erklärung. „Das Gegenteil ist der Fall: Tatsächlich sind die Tests in der Fokusregion Berlin-Brandenburg nicht aussagekräftig.“ Kurz darauf lüften sie ein Geheimnis, dem bisher alle Verantwortlichen in der Öffentlichkeit ausgewichen sind: Wie viele echte E-Rezepte gab es bisher? Die Antwort: In den vergangenen fünf Monaten wurden in der Fokusregion Berlin-Brandenburg ganze 42 Verordnungen ausgestellt. Damit hat die Gematik den Leistungserbringerorganisationen zufolge ihr selbst gestecktes Ziel meilenweit verfehlt.

Denn demnach hätten in der ursprünglichen Testphase bis Ende September sogenannte „Mengengerüste“ erreicht werden sollen, die als Qualitätskriterien dienen. Ziel sei gewesen, vor dem bundesweiten Roll-out mindestens 1000 echte Rezepte durchlaufen zu lassen. „Aber selbst nach einer Verlängerung bis Ende November wurden diese noch immer nicht erreicht.“ Außerdem habe weder die Anzahl der teilnehmenden Systeme in den Arzt- und Zahnarztpraxen beziehungsweise in den Apotheken noch die Anzahl der teilnehmenden Krankenkassen im Test erreicht werden können. Noch schlechter sieht es bei den Krankenhäusern aus, in denen das E-Rezept ebenfalls getestet werden müsste. Kein einziges war bisher beteiligt.

Auf dieser Grundlage könne die E-Rezept-Einführung im Januar keinesfalls vertreten werden: „Ob alle Anwendungen uneingeschränkt funktionieren, ist aufgrund des niedriger ausgefallenen Testvolumens zweifelhaft und daher noch nicht abschließend zu beurteilen“, so die Erklärung. Denn täglich würden in Arzt- und Zahnarztpraxen etwa zwei Millionen Rezepte ausgestellt. „Fehlerhaft übermittelte E-Rezepte sind nicht nur eine Belastung für Ärzte, Zahnärzte und Apotheken, sie stellen insbesondere eine Gefährdung der Patientensicherheit dar.“

Vor diesem Hintergrund halten die Spitzenverbände selbst den zusammengekürzten Roll-out in einzelnen ausgewählten Praxen und Apotheken ab dem 1. Dezember für „nicht sinnvoll“, wie sie schreiben. Doch das BMG hat den Beschluss demnach gegen den Willen der Apotheker, Ärzte, Zahnärzte und Kliniken kraft seiner 51-prozentigen Mehrheit in der Gesellschafterversammlung durchgedrückt.

Besonders pikant: Die Leistungserbringer werfen dem BMG zwischen den Zeilen vor, die Einführung nicht an die technische Umsetzbarkeit zu knüpfen: „Der Gegenvorschlag der Vertreter der Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und Krankenhäuser sowie Kostenträger, die Beendigung der erfolgreichen Testung an transparente Qualitätskriterien anzubinden, die jeder Anbieter zu erfüllen hat, wurde somit abgelehnt.“

An der, wenn auch abgespeckten, gesetzlichen Einführung des E-Rezepts zum 1. Januar könnte allerdings selbst eine Mehrheit im Gesellschafterrat der Gematik nichts ändern: Sie steht im Patientendatenschutzgesetz (PDSG) festgeschrieben. „Die Ärzte, Zahnärzte, Apotheker und Krankenhäuser appellieren aber dringend an den Gesetzgeber, die Anwendung des E-Rezeptes erst nach einer ausreichenden Testphase und erwiesener Praxistauglichkeit für den Regelbetrieb in den Praxen vorzusehen.“

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