Kommentar

Lasst die Coronatests in den Apotheken!

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Berlin -

Laut dem Corona-Expert:innenrat der Bundesregierung soll die Coronateststrategie geändert werden. Statt an bestehenden Strukturen festzuhalten oder diese praxisnah abzuändern, heißt es umdenken: Ab Herbst sollen Bürger:innen nur noch in Impfzentren getestet werden können – lange Anfahrtszeiten inklusive.

Bis Ende Juni können sich Bürger:innen noch kostenfrei auf Sars-CoV-2 testen lassen. Zwar sinken die Fallzahlen aktuell, doch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat bereits eine Strategie für den Herbst angekündigt. Dann nämlich, so befürchtet die Bundesregierung, kann es zu erneut hohen Fallzahlen kommen. Und wie in den letzten zwei vergangenen Wintern hat man gleichzeitig Angst vor einer parallelen schweren Grippewelle oder unerwartet hohen RS-Virus-Infektionen.

Da wäre es natürlich gut, wenn man eine ordentliche Teststrategie entwickelt. Eine, die allen Bürger:innen ein niederschwelliges Testangebot bietet. Man könnte nun davon ausgehen, dass man solch eine Teststrategie durch die Einbeziehung der Apotheken bereits hatte. Ob nun im zwischenzeitlich ungenutzten Konferenzraum, stillgelegter Kosmetikkabine oder einem Zelt vor der Apotheke – Apotheker:innen und PTA haben sich etwas einfallen lassen, um allen gerecht zu werden. Inhaber:innen haben ihre Angestellten geschult, neues Personal eingestellt und Prozessoptimierung betrieben, um so viele Tests wie möglich parallel zum eh schon fordernden Tagesgeschäft zu ermöglichen.

Und nun soll Ende Juni alles vorbei sein. Corona wird aber nicht vorbeigehen – da sind sich mittlerweile so ziemlich alle Wissenschaftler:innen, Ärzt:innen und Politiker:innen einig. Und obwohl eine Impfkampagne mit angepassten Impfstoffen noch nicht läuft, will der sogenannte Corona-Expertenrat eine neue Teststrategie etablieren, statt auf bestehende Strukturen, die sich als gut funktionierend bewiesen haben, zurückzugreifen. Der Plan: Ab Herbst werden Corona-Schnelltests nur noch im Impfzentrum möglich sein. Das Testangebot könne dadurch auch dann aufrechterhalten werden, wenn sich der Betrieb einer Teststelle bei geringer Nachfrage eigentlich nicht lohnt.

Kleiner Test, lange Anfahrt

Es ist erschreckend, welche lebensfernen Ideen die Expert:innen hier in den Raum werfen. Denn sind wir mal ehrlich: Wie weit darf der Weg bis zur nächsten Teststelle sein? Die meisten Bürger:innen hatten „ihre“ gewohnte Teststelle. Sobald diese schließt, bedeutet das für den Einzelnen weitere Wege – und damit eventuell so einen hohen Mehraufwand, dass man sich gar nicht testen lässt.

Selbst in Berlin, wo es zwischenzeitlich sechs Impfzentren gab, ist die Zahl nun auf zwei geschrumpft. Und trotz zahlreicher Flüchtlinge, die aufgrund des Ukraine-Krieges aktuell in der Hauptstadt ankommen, wurden zum 1. Juni auch die Impfzentren Tegel und Messe ICC geschlossen. Während der Hochphase der Impfkampagne haben Berliner:innen, die nicht ausreichend mobil waren, einen Taxigutschein für die Fahrt ins Impfzentrum erhalten. Wie soll das ab Herbst laufen? Wird es die Ausstellung von Gutscheinen für Fahrten ins Impf-/Testzentrum geben?

Die Situation in anderen Bundesländern ist nicht besser. In zahlreichen kleineren Städten sind die Impfzentren schon lange Geschichte. Und Länder wie Baden-Württemberg wollen sie auch gar nicht zurück. Die Immunisierungen werden von den Arztpraxen und auch von den Apotheken übernommen. Wer also zukünftig eine halbe Stunde Fahrt für einen Test auf sich nehmen muss, der wird sicherlich zweimal überlegen, ob er ihn wirklich braucht, und im Zweifelsfall eher auf einen Laientest zurückgreifen. Am Ende bleiben Infektionen unentdeckt – das Durchbrechen von Infektionsketten bleibt dann reine Theorie.

Probleme mit Räumlichkeiten

Spannend ist auch, dass demnach zukünftig Impfungen und Tests in ein und derselben Räumlichkeit durchgeführt werden können. Apotheken haben teilweise einen Spießrutenlauf hinter sich, wann und wo sie Impfungen oder Schnelltests durchführen dürfen.

Apotheken werden aus der Teststrategie nach derzeitigen Planungen wegrationalisiert, dabei zeigt die Anzahl von durchgeführten Tests je Apotheke in den vergangenen Monaten, dass die Offizin als dezentrale Anlaufstelle unverzichtbar ist. Das gilt auch für die Impfkampagne: Sicherlich – die Zahlen der Terminvereinbarungen für Grundimmunisierungen und Booster-Impfungen sind weitaus geringer, das liegt aber wohl eher an der späten Einbindung der Pharmazeut:innen in die Praxis der Impfkampagne und nicht am schlechten Zugang zum Angebot. Wenn die angepassten Impfstoffe im Herbst von der Ständigen Impfkommission (Stiko) für bestimmte Personengruppen empfohlen werden, dann könnte das Impfen in der Apotheke erneut an Fahrt gewinnen – auch wenn es damit nach derzeitigem Stand Ende des Jahres schon wieder vorbei sein soll.

Aber eine Option bleibt sicherlich. Wie auch schon bei den PCR-Test können Apotheken sicherlich weiterhin Tests für Selbstzahler anbieten. Dann können die Inhaber:innen die Testkassetten der Schnelltests direkt neben den teilweise angeschafften PoC-PCR-Testgeräten lagern und einmotten – das hat die Praxis bereits gezeigt.

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