Bald neue Apothekenproteste?

„Nein zur PTA-Vertretung und Fixum auf 9,50 Euro“

, Uhr
Berlin -

Eine Apothekenreform ohne Honorarerhöhung, dafür aber mit PTA-Vertretung – das ist auch für die ansonsten als aufgeschlossen auftretende jüngere Generation in der Standespolitik keine Option. „Nicht verhandelbar“, lautet die offenbar schon verfestigte Position der verfassten Apothekerschaft zu den beiden Streitthemen. Neue Protestaktionen werfen ihre Schatten voraus.

Das Thema der PTA-Vertretung sei wie eine „Rauchbombe“, um vom Kern des Problems abzulenken: der im Koalitionsvertrag versprochenen Anhebung der Apothekenvergütung, sagte Jan Harbecke vom Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) beim Treuhand Dialog in Berlin. Er habe die Vermutung, dass die Politik versuchen werde, das Thema bis zur Verhandlungslösung auszusitzen und die 9,50 Euro überhaupt nicht kämen. Daher werde man kämpfen.

Dr. Jan-Niklas Francke vom Apothekerverband Rheinland-Pfalz pflichtete bei: Vage Versprechungen im Konjunktiv reichten nicht mehr; die Apotheken erbrächten staatlich zugewiesene Aufgaben und müssten dafür angemessen vergütet werden. „Das ist nicht verhandelbar.“ Zwar sieht er die Verhandlungen mit den Kassen als Chance, die man mit Rückgrat ergreifen müsse. Aber die Apotheken bräuchten eben jetzt schon Geld: „Es ist nicht unsere Aufgabe, das Problem der GKV-Finanzen zu lösen.“

Dr. Ina Lucas auf der Bühne
Dr. Ina Lucas will im Gespräch mit der Politik bleiben.Foto: APOTHEKE ADHOC

Dr. Ina Lucas von der Apothekerkammer Berlin verwies auf den Koalitionsvertrag: „Es kann nicht angehen, dass da explizit eine Zahl drinsteht und man sich nicht darauf verlassen kann.“ Dabei gehe es auch nicht nur um die Belange der Apotheken: „Das betrifft unsere ganze Gesellschaft. Wenn nur noch Ideen gehandelt werden, die nie umgesetzt werden, dann ist mir das zu wenig. Ich sehe das als Gefahr für die Demokratie.“ Die Politik sei gefordert, sich über die GKV-Finanzen Gedanken zu machen. „Wir müssen doch sehen, wo wir die Packungen herbekommen.“

Franziska Scharpf von der Apothekerkammer in Bayern erinnerte daran, dass der Koalitionsvertrag erst ein paar Monate alt sei. „Es macht mir Angst, wenn die Politik angeblich nicht absehen kann, was nach der Wahl kommt.“

Wohin also mit dem Frust und der Wut? Ist die Zeit schon gekommen, die Apotheken zum geschlossenen Protest aufzurufen?

„Die Politik hat riesige Angst davor, dass wir die Wählerinnen und Wähler mobilisieren“, sagte Lucas. Dafür ist es aber noch zu früh – auch wenn sie den Ärger als Kollegin verstehen könne – als Standesvertreterin müsse sie diplomatisch bleiben: „Es würde viel Unverständnis erzeugen, wenn wir schon bei ‚ungelegten Eiern‘ die Basis anstacheln würden.“

„Aktion, die sich gewaschen hat“

Sie nehme der Ministerin und ihren beiden Staatssekretären ab, dass sie sich wirklich um die Apotheken kümmern wollten. Dass der Entwurf noch nicht da sei, sei ein Zeichen, dass es offenbar noch Gesprächsbedarf gebe. Man wolle so lange wie möglich versuchen, noch Einfluss zu nehmen. „Aber wenn wir am Ende nicht mehr im Dialog sein sollten, dann braucht es eine Aktion, die sich gewaschen hat. Dann müssen wir gemeinsam um unsere Berufsehre kämpfen.“

Jan Harbecke auf der Bühne
Jan Harbecke setzt auf Geschlossenheit.Foto: APOTHEKE ADHOC

Harbecke erinnerte daran, wie groß die Geschlossenheit beim Protest vor zwei Jahren gewesen sei und welche Dynamik die Aktionen entfaltet hätten. Bei der IKK classic sei es ähnlich – die überwiegende Mehrheit trete dem Vertrag eben nicht bei: „Wenn 90 Prozent uns folgen, dann bekommen wir eine Macht, die wir brauchen werden.“ Wichtig sei, dass es dann aber keine Alleingänge mehr gebe: „Wir entscheiden in einem demokratischen Prozess, sodass wir uns auch daran zu halten haben.“ Das gelte auch für singuläre Proteste, die als Spotlight-Aktionen immer abgestimmt sein müssten.

Laut Francke haben die Apotheken damals überhaupt erst angefangen, ihre Patientinnen und Patienten persönlich anzusprechen und ins Boot zu holen. „Wenn die Menschen verstehen, warum wir mehr Geld brauchen, können wir in der Breite mobilisieren.“ Wichtig sei aber, dass man das Thema nicht alleine der Standesvertretung überlasse: „Wir müssen alle motiviert bleiben und unsere Argumente transportieren, damit sich etwas bewegt.“ Von Aktionismus hält auch er nichts: „Wenn wir Applaus bekommen, aber kein Ergebnis, dann hätten wir es versaut.“

Auch Scharpf ist überzeugt, dass neuerliche Aktionen der Apothekerschaft Wucht haben werden. „Ein Satz geht immer“, sei ihr Motto, wenn es darum gehe, die Kundinnen und Kunden auf die Belange der Apotheken aufmerksam zu machen. „Wichtig ist aber, dass wir dann alle ins gleiche Horn blasen: Nein zur PTA-Vertretung und Fixum auf 9,50 Euro.“ Relativierungen seien dann fehl am Platz: „Wollen wir ein Berufsstand sein oder nicht?“

PTA-Vertretung als Risiko

Wie kommt es zu der fundamentalen Ablehnung der PTA-Vertretung? Lucas versicherte, sie sehr sehr froh über die PTA, die genauso zur Arzneimittelversorgung gehörten wie die Approbierten. „Aber man dürfe nicht zulassen, dass die Leitungsverantwortung verschoben werde – selbst wenn es nur für begrenzte Zeit sei: „In fünf Minuten kann in der Apotheke alles vorkommen. Heute ist es so, dass man gemeinsam eine Lösung für ein Problem sucht. Aber die Verantwortung für die Entscheidung hat immer der Apotheker.“ Wenn man das jetzt ändere, bekomme man langfristig das Problem, dass dieser Grundsatz in Frage gestellt werde. „Ich bin ein großer Fan von mehr Verantwortung für PTA. Aber nicht in der Leitung.“

Scharpf hat ursprünglich selbst PTA gelernt. „Ich habe nicht umsonst Pharmazie studiert. Ich hätte mir gar nicht zugetraut, vorher eine Leitung zu übernehmen. Das erfordert ein ganz anderes wissenschaftliches Denken.“

Dr. Jan-Niklas Francke auf der Bühne
Dr. Jan-Niklas Francke will den Apotheken neue Aufgaben übertragen.Foto: APOTHEKE ADHOC

Francke warf den Blick weiter: „Warum haben wir denn zu wenig Approbierte in den Apotheken? Weil die ganz viele Managementaufgaben übernehmen, von der Heimversorgung bis zur Verblisterung. Ich kann mir sehr gut vorstellen, hier gezielt neue Tätigkeitsfelder für PTA mit zusätzlicher Qualifikation zu schaffen – vom Vertragswesen bis hin zur Abrechnung. So gewinnen wir PTA zurück und können den Beruf auch wirtschaftlich aufwerten.“

Als weiteres Beispiel nannte Lucas die Beteiligung von PTA bei den pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL). „Die Tür wurde aufgemacht und es gibt drumherum viel zu tun auch für PTA.“ Fakt sei aber auch: „Unser Berufsstand ist unter Druck. Das müssen wir lösen, denn daran hängt am Ende auch die PTA.“ Harbecke stimmte zu: Viele PTA arbeiteten gerne in der Apotheke, sie verdienten aber ein höheres Honorar – was eine Stärkung der Apotheken erfordere.

Als Idee aufgeworfen wurde auch, den Zugang zum Studium für PTA zu erleichtern. Denn heute dauere es bis zum Abschluss zehn Jahre, wenn man Berufsausbildung und Studium zusammenzähle – ein Grund, warum laut Scharpf nur 1 Prozent der PTA noch ein Studium anhängen. Sie und Lucas könnten sich vorstellen, dass man bei PTA im Studium Fächer anerkenne oder das Praktikum reduziere. Allerdings müsse man auch europäische Vorgaben beachten.

Fixum und mehr

Beim Honorar brauchen die Apotheken laut Francke ein klares Bekenntnis zum Kerngeschäft – sprich Anhebung des Fixums. Gleichzeitig müssten neue Leistungen separat und von Anfang an kostendeckend finanziert werden. Er verwies auf die Möglichkeit der Ärzt:innen, ihren Quartalsaufwand abzurechnen. „Wir brauchen ein Case Management 2.0, einen neuen Topf, der nicht an der Stückzahl hängt.“

Laut Harbecke denken Politik und Kassen immer noch, dass das Fixum alle Leistungen abgedeckt. „All inclusive funktioniert aber nicht mehr. Wir müssen auch investieren, wir brauchen Spielraum, das funktioniert nur mit einem auskömmlichen Fixum plus einer angemessenen Vergütung aller neuen Leistungen.“ Er verwies auf das Impfhonorar, bei dem man eine Anpassung an die Personalkosten erreicht habe.

Die zuletzt häufiger geforderte totale Fixierung auf das Fixum hielt man in der Runde nicht für zielführend. „Ich würde gerne den gesamten Blumenstrauß mitnehmen.“ Das sei man schon den nachkommenden Generationen an Apothekerinnen und Apothekern schuldig, die ganz anders ausgebildet seien und ganzheitlich arbeiten wollten: „Wenn der Nachwuchs sich seinen Beruf so vorstellt, dann sind wir verpflichtet, ein Angebot zu machen und abzutun nach dem Motto: ‚Das haben wir immer so gemacht.‘“

Franziska Scharpf auf der Bühne
Laut Franziska Scharpf müssen die Apotheken der Politik Angebote machen.Foto: APOTHEKE ADHOC

Anderenfalls drohe den Apotheken auch der Vorwurf, sie wollten immer nur mehr Geld. Scharpf sah es genauso: „Wir dürfen nicht nur reagieren, sondern müssen Angebote machen – natürlich immer unter der Prämisse, dass sie wirtschaftlich sind. Aber wenn wir keine Lösungen bringen, wird sich die Politik umorientieren. Dann macht es jemand anderes.“

Hier sollten die Apotheken auch selbstbewusst sein: „Wir sprechen nicht über delegierte Leistungen, sondern über ganz eigene Angebote. Wenn es beispielsweise den Praxen nicht gelingt, die Impflücken zu schließen, dann ist das Thema für alle da.“ Dass das Thema gut für die Apotheken ist, findet auch Harbecke: „Wir wären ja bei der Impfnacht nicht alle überrannt worden, wenn die Nachfrage nicht da wäre. Aber vieles, was die Ärztevertreter von sich geben, ist nur Schall und Rauch. An der Basis sieht die Sache anders aus.“

Scharpf findet ebenfalls, dass die Apotheken Lösungen für die Versorgungsrealität anbieten können: „Der Arzt sieht nicht jeden Patienten.“ Und Francke beteuerte, dass man den Ärzt:innen ja das Verordnungsrecht nicht wegnehmen wolle. „Wir brauchen mehr Freiheiten, um uns gegenseitig die Bälle zuzuspielen.“

Mehr Nähe der Standesvertretung

Und was soll sich in der Standespolitik selbst ändern? „Wir brauchen eine viel engmaschigere Kommunikation nach innen, da müssen wir selbstkritisch sein. Aber wir brauchen auch mehr Rückmeldung und Engagement von der Basis, so Harbecke. Das sei eine Hol- und Bringschuld.“ Auch Lucas findet, dass die Berufsvertretung mehr Sichtbarkeit braucht. Für Francke ist klar: „Wir brauchen Optimismus und Kreativität statt Resignation, das geht uns auch nicht anders.“ Laut Scharpf braucht es ein Umdenken in der Standespolitik: weg von „Ich kann alles kann“ hin zu „Es geht nur gemeinsam.“

Guter Journalismus ist unbezahlbar.
Jetzt bei APOTHEKE ADHOC plus anmelden, für 0 Euro.
Melden Sie sich kostenfrei an und
lesen Sie weiter.
Bitte geben Sie eine gültige E-Mail-Adresse ein.
Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Lesen Sie auch
Mehr zum Thema
Stellungnahme zur Apothekenreform
Abda: PTA-Studium statt PTA-Vertretung
„Bereitschaft zu konstruktivem Dialog“
Abda: Reform beschleunigt Apothekensterben
Mehr aus Ressort
„Vorteil für verhandlungsstarke Apotheken“
Skonto: Phagro warnt vor Skonto-Folgen