Angst vor Extrakosten

Statt KIM: „Praxen faxen lieber“

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Berlin -

Seit April 2024 ist die Kommunikation im Medizinwesen (KIM) für Apotheken verpflichtend. Arztpraxen können den Token für das E-Rezept auf diese Weise an die Apotheke übermitteln. Doch dieser Kommunikationsweg wird noch nicht flächendeckend genutzt. Immer wieder weigern sich Arztpraxen: „Es wird lieber gefaxt, um Extrakosten aus dem Weg zu gehen“, ärgert sich eine Inhaberin.

KIM steht für „Kommunikation im Medizinwesen“ und ist der Kommunikationsstandard in der Telematikinfrastruktur (TI). So wird es möglich, dass verschiedene Institutionen, die an die TI angebunden sind, verlässlich Informationen und Dokumente austauschen können. Soweit jedenfalls die Theorie. In der Praxis sieht es noch anders aus, wie mehrere Inhaber:innen berichten.

Dass es bei der Nutzung der KIM noch hapere, liege gehäuft an der jeweiligen Praxissoftware. „Die Praxen wissen oft gar nicht, dass sie KIM haben“, berichtet eine Inhaberin. „Es gestaltet sich auch anders als bei uns in den Apotheken, denn wir sind verpflichtet, die KIM zu nutzen und sogar einen entsprechenden Nachweis dafür zu bringen.“

„Unsere Praxen nutzen die KIM aktuell nur für die Kommunikation, nicht für die Übermittlung der E-Rezepte“, erklärt die Inhaberin. „Es hieß, dass es nur in manchen Systemen integriert sei und andere wiederum extra zahlen müssen. Es wird demnach nicht einheitlich gearbeitet“, bestätigt sie.

KIM ist Flickenteppich

Mark Langguth, TI-Experte und jahrelang bei der Gematik tätig, bestätigt den Eindruck des KIM-Flickenteppichs: „Es gibt keinerlei Vorgaben der Gematik für diese Art von Prozessen.“ Es werde nur gesagt, dass man dazu KIM verwenden könne – aber nicht wie. Das führe dazu, dass es weder eine verbindliche Umsetzungspflicht für die Hersteller gebe und natürlich auch keinen interoperablen Prozess, der herstellerübergreifend funktioniert.

„Soweit ich weiß, versenden Ärzte ein E-Rezept-PDF als Arztbrief an die Apotheken, damit bestehende Module genutzt werden können“, so Langguth. Aber: „Nicht alle Apotheken wären überhaupt im Stand (oder willens) KIM-Nachrichten zu empfangen. Das gilt natürlich auch für die umgekehrte Richtung, wenn die Apotheke einen eRx-Korrekturbedarf an einen Arzt schicken will. Der Versand per KIM ist für diese Prozesse nicht genormt und trägt das Risiko, dass der Arzt das nicht mitbekommt“, erklärt er. So sei die Kommunikation in beide Richtungen mitunter erschwert.

Ob in den Praxis- sowie Apothekenverwaltungssystemen Lösungen dazu teilweise oder vollständig fehlen, könne er nicht verlässlich sagen. „Ich gehe aber davon aus, dass es da Lücken gibt“, so Langguth weiter. Ebenso gehe er davon aus, dass es bei den jeweiligen Anbietern unterschiedlich sei, ob zusätzlich Geld für die Möglichkeit zur Übermittlung beziehungsweise den Empfang von E-Rezepten anfalle.

KIM nicht in der Praxis angekommen

„In unserer Region ist KIM noch gar nicht etabliert“, berichtet Dr. Nojan Nejatian, Inhaber der Heegbach Apotheke in Erzhausen. „Die E-Rezepte werden überwiegend abgeholt, kommen per Fax oder werden mit der Post geschickt.“ Richtig eingesetzt werde das Verfahren noch nicht: „Es läuft nicht so, wie man es sich vorstellen könnte. Ich bin deshalb umso gespannter, wie es demnächst mit der elektronischen Patientenakte funktionieren soll“, so Nejatian.

Ein anderer Inhaber bestätigt: „Es ist immer noch wie in alten Zeiten, bei uns wird tagtäglich gefaxt, statt die KIM zu nutzen.“ Oftmals sei der Grund auch schlicht die fehlende Sicherheit: „E-Rezepte für die Heimbelieferung werden grundsätzlich nicht per KIM übermittelt sagte uns kürzlich eine Arztpraxis, das sei viel zu unsicher.“

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