Pharmaziestudium

Ausbeutung statt Ausbildung

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Berlin -

Zu wenig Praxisbezug, zu wenig Freiraum für wissenschaftliches Arbeiten und eine durchwachsene Ausbildung in den Apotheken: Das Pharmaziestudium braucht Reformen. So lautete das Fazit nach der Podiumsdiskussion auf der 118. Tagung des Bundesverbands der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD). Zu den Problemen und Verbesserungsvorschlägen aus Studentensicht hat APOTHEKE ADHOC mit der BPhD-Präsidentin Franziska Möllers gesprochen. Sie steht seit dem Wintersemester 2014 an der Spitze des Verbands. Möllers hat an der Universität Bonn Pharmazie studiert und gerade ihr zweites Staatsexamen bestanden.

ADHOC: Was sind die größten Baustellen des Pharmaziestudiums?
MÖLLERS: Struktur und Inhalte des Studiums müssen dringend überarbeitet werden, so der allgemeine Konsens. Der BPhD empfiehlt außerdem die Verlängerung der Studienzeit um ein Semester, um mehr Freiraum für ein nachhaltigeres Lernen zu schaffen. Es kam die Frage auf, ob eventuell auf das Bachelor- und Mastersystem umgestiegen werden sollte. Dies wurde allerdings von allen Teilnehmern der Podiumsdiskussion abgelehnt.

ADHOC: Was stimmt nicht in der Methodik des Studiums?
MÖLLERS: Dem Pharmaziestudium fehlt es unter anderem an ausreichend wissenschaftlicher Lehrmethodik. Frontalunterricht überwiegt; selbst Seminare sind eher Vorlesungen mit Anwesenheitspflicht und wissenschaftliche Diskussionen kommen viel zu kurz. Ich selbst habe im vierten Semester zum ersten Mal ein Referat gehalten und mir dafür die Inhalte selbstständig erarbeitet. Die meiste Zeit werden die Inhalte eher vorgebetet, um für die Klausur am Semesterende auswendig gelernt zu werden. Zu Beginn des neuen Semesters ist vieles dann schon wieder vergessen. Für das erste Staatsexamen zum Beispiel bleiben fünf Wochen, um noch einmal den Stoff aller vier Semester des Grundstudiums auswendig zu lernen, um ihn für vier Tage Prüfungen parat zu haben. Diese Art zu lernen ist nicht nachhaltig. In den Laborpraktika werden außerdem oft nur Methoden wie eine Art Gebrauchsanweisung vorgegeben. Einzelne Schritte werden abgearbeitet; selbstständiges Erarbeiten von Problemlösungen hat dort kaum einen Platz.

ADHOC: Können Pharmaziestudenten auch eigenen Fachinteressen nachgehen?
MÖLLERS: Natürlich ist es wichtig, dass allen Studenten ein bestimmtes Grundwissen vermittelt wird. Aber es sollte viel mehr Wahlmöglichkeiten im Hauptstudium geben. Die Approbationsordnung sieht dort zur Zeit nur ein Wahlpflichtfach vor. Platz für Wahlfächer könnte geschaffen werden, indem Inhalte gestrichen werden, die sich wiederholen. Außerdem könnte auch das Hauptstudium um ein Semester verlängert werden, wodurch Auslandsaufenthalte besser mit dem Studium vereinbart werden könnten. Interdisziplinarität im Studium ist ein genauso wichtiger Aspekt und sollte ebenfalls gestärkt werden. Professor Dr. Eugen Verspohl von der Universität Münster erwähnte in der Podiumsdiskussion, dass er viel interdisziplinäre Lehre angeboten habe; etwa gemeinsame Kurse für Pharmazie-und Medizinstudenten.

ADHOC: Wie gut fühlen Sie sich denn auf das Berufsleben vorbereitet?
MÖLLERS: Um die Praxis kennenzulernen, gibt es natürlich die Famulatur und das Praktische Jahr. Aber die Inhalte des Studiums müssen viel praxisorientierter werden, um die Studierenden optimal vorzubereiten. Fakt ist nun einmal, dass nahezu 80 Prozent aller Absolventen später in der öffentlichen Apotheke arbeiten. Hier muss mehr Anwendungsbezug im Studium geschaffen werden.

ADHOC: Was könnte sich an der Ausbildung in den Apotheken noch verbessern?
MÖLLERS: In vielen Fällen sortieren Pharmaziepraktikanten in der Famulatur leider nur Medikamente und wischen Regale, wodurch sie die Arbeit in einer Apotheke nicht richtig kennenlernen können. Im Praktischen Jahr werden sie dann wiederum oft ins kalte Wasser geschmissen und sollen bereits am ersten Praktikumstag Patienten beraten. Die Pharmazeuten im Praktikum werden als günstige Arbeitskraft eingesetzt. Eine vollwertige Ausbildung sieht anders aus.

ADHOC: Welche Unterstützung gibt es von den Standesvertretern?
MÖLLERS: Herr Dr. Hubmann (Dr. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbands) hat eingeräumt, dass hier vonseiten der Apothekerschaft viel Nachholbedarf besteht. Der BPhD hat mit der Bundesapothekerkammer an einem Leitfaden für das Praktische Jahr gearbeitet, um einen Mindeststandard bei der Ausbildung in der Apotheke einzuführen, auf den sich Pharmazeuten im Praktikum berufen können. Jede Apotheke entscheidet selbst, ob sie die Kapazitäten hat, einen Pharmazeuten im Praktikum aufzunehmen. Bestimmte Aspekte der Ausbildung sollten aber von jeder Ausbildungsstätte erfüllt werden. In Baden-Württemberg und Hamburg gibt es außerdem zusätzlich den Titel „Akademische Ausbildungsapotheke“, für den bestimmte Kriterien erfüllt werden müssen.

ADHOC: Wie geht es nun also weiter, welche Leitbilder zum Pharmaziestudium gibt es?
MÖLLERS: Die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft hat bereits das Positionspapier „Pharmazie 2020“ veröffentlicht, ebenso die ABDA das Perspektivpapier „Apotheke 2030“. Patrick Schäfer von der Apothekerkammer Baden-Württemberg, der ebenfalls an der Podiumsdiskussion teilnahm, hat am Leitfaden der BAK für das Praktische Jahr mitgearbeitet und engagiert sich dafür, dass die Ausbildung in dem Bereich verbessert wird. Bisher wurde allgemein viel geredet. Jetzt ist es an der Zeit, die geforderten Inhalte auch umzusetzen.

ADHOC: Was ist Ihr Ansatz?
MÖLLERS: Der BPhD hat die „AG Zukunft“ ins Leben gerufen: Wir wollen die Approbationsordnung Schritt für Schritt durchgehen, konkrete Probleme aufzeigen, Änderungsmöglichkeiten vorschlagen und die Ergebnisse in einem Paper veröffentlichen. Ebenso werden wir uns den Perspektivpapieren von der DPhG und ABDA zuwenden. Gemeinsam kann hoffentlich Einfluss auf die Politik genommen werden, um Änderungen an der Approbationsordnung voranzutreiben. Die ABDA fordert mehr konkrete Berufsvorbereitung auf die öffentliche Apotheke, die DPhG will mehr wissenschaftliche Inhalte – wir Studenten wollen beides optimal vereinbart wissen.

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