Apothekerin kontert Schnäppchenjäger

Notdienst: Antibiotikum ja, Probiotikum bei Shop Apotheke

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Berlin -

In ihrem vergangenen Notdienst hat Inhaberin Annette Sieckmann-Linck eine klare Botschaft an einen Kunden erteilt. Denn während das verschriebene Arzneimittel mitgenommen wurde, wollte ein Kunde ein Zusatzpräparat lieber online bestellen. „Ich habe kurz geschwiegen. Und ihn beim Rückgeld gefragt: ‚Was hätten Sie getan, wenn Sie das Antibiotikum heute Abend nicht bekommen hätten?‘“, sagt die Apothekerin.

Sieckmann-Linck ist seit 2007 selbstständig, seit 2020 führt sie zwei Apotheken in Hamburg. Die 49-Jährige beobachtet, wie viele Kolleginnen und Kollegen nicht nur den Rückgang der Apothekenzahl mit Sorge. Auch die „aussterbenden“ Innenstädte seien eine Folge der steigenden Online-Käufe.

Preis-Outing im Notdienst

Bei ihrem vergangenen Notdienst erlebte sie „eine Welle echter Notfälle“. Um zwei Uhr nachts etwa kam ein Mann, der dringend ein Antibiotikum benötigte. Um seinen Darm nach der Einnahme des Arzneimittels zu unterstützen, empfahl sie ihm ein Probiotikum dazu. Das wollte er lieber online bestellen: „Seine Antwort war: ‚Das hole ich mir günstiger bei der Shop Apotheke‘.“

Die Aussage berührte die Inhaberin. „Im ersten Moment war ich sauer und fühlte mich machtlos. Aber ich habe gelernt, nie einen Kunden anzugehen. Grundsätzlich kann ich jeden verstehen, der Geld sparen will. Ich möchte niemanden zwingen, bei mir zu kaufen. Ich gehe auch zu Aldi. Aber ich gehe nicht vorher in einen Krämerladen und lasse mich beraten, um dann zu Aldi zu gehen.“

Zunächst ließ Sieckmann-Linck die Aussage unkommentiert und fragte dann, wie er sich fühlen würde, hätte er heute sein Antibiotikum nicht erhalten. Die Antwort sei ganz „intuitiv“ gekommen: „Der Kunde war sehr nett, ich hatte Glück, dass es nicht jemand war, der pampig wurde.“ Der Mann sei „sichtlich zusammengezuckt“. Er habe geantwortet, dass es schlecht gewesen wäre, hätte er das Arzneimittel nicht bekommen.

Anregung statt Schimpfen

„Genau das, sagte ich, kann passieren, wenn alle denken, man müsse Apotheken vor Ort nicht mehr unterstützen. Denn wenn das Apothekensterben so weitergeht, werden genau diese lebenswichtigen Nachtversorgungen zur Mangelware.“ Schon jetzt könne es vorkommen, dass Kundinnen und Kunden eine Dreiviertelstunde bis zur nächsten Notdienstapotheke fahren müssten.

Die Apothekerin bat ihn, in der Nacht einfach mal drüber nachzudenken. „Vielleicht denkt er nach.“ Onlinehandel und Preiskampf verdrängten die Lebensqualität in den Innenstädten. „Und bald auch die medizinische Versorgung.“ Dass der Notdienst der Apotheken wichtig sei, habe sie in der gleichen Nacht erlebt. „Ich war ehrlich gesagt sprachlos, wie viele ernsthafte Fälle dabei waren: Verordnungen vom ärztlichen Notdienst, akute Infekte, Antibiotika, echte medizinische Dringlichkeit.“

Apotheken seien mehr als Verkaufsstellen. „Sie sind Gesundheitsversorger, Anlaufstellen und Notfallanker und sie brauchen uns alle.“

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