Ausnutzen einer Notlage

Maskenpreis: Bei Wucher droht der Staatsanwalt

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Berlin -

Die Maskenpflicht gilt bundesweit und stellt Apotheken vor neue Herausforderungen. Denn Ärger droht gleich von mehreren Seiten: von widerspenstigen Kunden, strengen Aufsichtsbehörden und im schlimmsten Fall sogar vom Staatsanwalt.

Neben den Hinweisschildern zu den Corona-bedingten Verhaltensregeln informieren viele Apotheken schon vor der Tür über ihren Bestand an Masken – verfügbar oder aktuell ausverkauft. Und das nicht ohne Grund: Denn einer aposcope-Umfrage zufolge kommen die Kunden vielfach nur in die Apotheke, um nach einer Maske zu fragen. Zwar reicht rechtlich auch ein improvisierter Mund-Nasen-Schutz, trotzdem ist die Nachfrage nach professionellen Schutzmasken hoch.

Und entsprechend steigen die Preise. Selbst wenn die Apotheken mit geringen Aufschlägen kalkulieren, müssen sie von den Kunden derzeit immer höhere Beträge verlangen. Und manch einer fühlt sich von seinem Apotheker übervorteilt: Bei der Wettbewerbszentrale beschweren sich immer wieder Verbraucher über Apotheken, die die Masken angeblich zu Wucherpreisen anbieten.

Doch solche Vorwürfe kann Rechtsanwältin Christiane Köber nicht verfolgen. „Wir kennen die Einkaufspreise nicht und können diese im Verfahren auch nicht aufklären.“ Die Wettbewerbszentrale hat ohne Kenntnis aber keine Chance, ein „auffälliges Missverhältnis zur Leistung“ nachweisen – und darauf kommt es beim Vorwurf des Wuchers an. „Das wäre letztlich Sache der Staatsanwaltschaft“, so Köber gegenüber APOTHEKE ADHOC.

Drohen Apotheken tatsächlich strafrechtliche Ermittlungen, wenn sie mit den Masken ein zu gutes Geschäft machen? Oberstaatsanwalt Alexander Badle von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/Main sind zwar bislang keine konkreten Fälle bekannt, allerdings würden solche Fälle auch nicht bei der Zentralstelle landen. Und in den internen Statistiken wird nur nach Straftatbeständen (hier Wucher) unterschieden, nicht aber nach konkreten Tatgegenständen. Nach Schutzausrüstung oder Apotheken kann man hier also nicht suchen.

Doch allgemein gesprochen hat die momentane Situation laut Badle durchaus das Potenzial für Strafanzeigen, zumal die Bürger in diesen Tagen generell mehr Anzeigen stellten. Auch beim überteuerten Verkauf von Masken sieht der Oberstaatsanwalt daher ein strafrechtliches Risiko. „Da ist viel näher an der Strafbarkeit, als sich mancher vorstellen kann, der denkt, er sei ein guter Kaufmann“, so Badle.

Der Oberstaatsanwalt verweist auf die Tatbestandsmerkmale des Wuchers gemäß § 291 Strafgesetzbuch (StGB). Demnach macht sich strafbar, wer die Notlage eines anderen ausnutzt, in dem ein auffälliges Missverhältnis zwischen der Leistung und Gegenleistung besteht. Und die Corona-Krise sei gewissermaßen eine „gesamtgesellschaftliche Notlage“, so Badle. Die Tatbestandsvoraussetzung könnten dazu passen, markanter Bezugspunkt ist laut Badle der prozentuale Aufschlag.

In den Kommentaren zum StGB ist eine „Zwangslage“ eine ernste Bedrängnis, in der der Geschädigte auf die Leistung angewiesen ist. Ein auffälliges Missverhältnis liegt demnach vor, wenn der Wert der Leistung rund doppelt so hoch ist wie derjenige der Gegenleistung.

In der Praxis sind die meisten Inhaber nach eigenen Angaben gemäß Umfrage aber zurückhaltender bei ihren Aufschlägen. Dennoch sorgen die insgesamt gestiegenen Preise im Markt für viel Aufmerksamkeit und Misstrauen. Verschiedentlich wurde schon die Lokalpresse auf vermeintliche Wucher-Apotheker angesetzt, beim nächsten Mal könnte es der Staatsanwalt sein.

Rechtsanwältin Köber von der Wettbewerbszentrale hat noch eine vielsagende Anekdote zu berichten: Eine Dame habe wegen der vermeintlich überteuerten Masken angerufen und gesagt, dass die Apotheken doch der Preisbindung unterliegen würden. Die gewinnt offenbar an Ansehen, wenn das Prinzip von Angebot und Nachfrage zu hart au den Einzelpreis durchschlägt.

Unabhängig von der Preisgestaltung droht weiterer Ärger in der Offizin. Tatsächlich berichtet jeder dritte Teilnehmer einer weiteren aposcope-Befragung, dass es mit Kunden ohne Maske schon zu unangenehmen Situationen in der Apotheke kam. In 44 Prozent der Apotheken dürfen Kunden ohne Maske nicht eintreten. Teilweise werden sie über die Notdienstklappe bedient oder müssen zunächst eine Maske kaufen. 5 Prozent der Apotheken geben gratis Masken an ihre Kundschaft aus.

Haben die Apotheken eine Plexiglasscheibe installiert – und das haben die meisten – ist das Team selbst von der Maskenpflicht befreit. Zumindest solange die Mitarbeiter hinter dem HV-Tisch bleiben. Allerdings empfehlen die Kammern den Apothekenteams trotzdem, eine Maske zu tragen, schon aus Vorbildfunktion gegenüber den Kunden. In Bayern ist das sogar Pflicht – unabhängig von sonstigen Schutzmaßnahmen. In etwa sieben von zehn Apotheken tragen die Mitarbeiter in der Offizin selbst eine Maske.

 

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