OTC-Markt

Homöopathie: Es läuft trotz Krise

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Berlin -

Es sei höchste Zeit, eine „konstruktive Diskussion über den homöopathischen Unsinn in den Apotheken anzustoßen“, forderte der emeritierte Medizinprofessor Edzard Ernst kürzlich in einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung. Tatsächlich hat Homöopathie einen schweren Stand, seit die Kritiker zum Sturm geblasen haben. Im vergangenen Jahr drückte die Debatte die Ab- und Umsatzzahlen, doch die haben sich zuletzt erholt.

Aktuellen Zahlen des Marktforschungsunternehmens Iqvia zufolge haben sich die Absatzzahlen von homöopathischen Arzneimitteln im ersten Halbjahr 2018 stabilisiert. 2017 war ein schweres Jahr für die Hersteller: Mit etwas über 53 Millionen Packungen gingen rund 3,6 Prozent weniger über den HV-Tisch als im Vorjahr. Nach langen öffentlichen Diskussionen über Sinn und Unsinn der Homöopathie zeigte sich vor allem bei den Verordnungen ein Rückgang: Während es in der Selbstmedikation ein Minus von 2,8 Prozent gab, brach die Zahl der Packungen, die auf Privat- und Kassenrezept abgegeben wurden, um 6,8 beziehungsweise 14 Prozent ein.

Dieser Abwärtstrend scheint vorerst gestoppt. Bei den Absatzzahlen zeigte sich in den ersten beiden Quartalen dieses Jahres ein leichtes Plus von 1 beziehungsweise 4,2 Prozent. 28 Millionen Packungen gingen zwischen Januar und Juni über den HV-Tisch, fast 800.000 mehr als im Vorjahr, aber immer noch 300.000 weniger als im gleichen Zeitraum 2016.

Damit setzten die Hersteller nach Apothekenverkaufspreisen (AVP) 393 Millionen Euro im ersten Halbjahr 2018 um. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 23 Millionen Euro weniger. Hier ist die Zweijahrestendenz eindeutiger: Im gleichen Zeitraum 2016 waren es noch 366 Millionen Euro. Trotz schwankender Absätze sprudelt also kontinuierlich mehr Umsatz.

In seinem Beitrag hatte Ernst kritisiert, dass Deutschland bei der Verbannung von Homöopathie aus dem Gesundheitssystem hinterher hängt. Als positive Beispiele nannte er die USA, wo ein offizieller Bericht vorschlug, den Verkauf in Apotheken zu verbieten, Großbritannien, wo der nationale Gesundheitsservice fast keine Homöopathika mehr bezahlt, oder Australien, wo der Verband der Allgemeinmediziner seine Mitglieder dazu auffordert, keine Homöopathika mehr zu verschreiben.

In Deutschland sei das jedoch alles ganz anders – woran auch die Apotheker eine Mitschuld trügen. Denn sie gäben den Präparaten den Anschein, es würde sich um wissenschaftlich fundierte Arzneimittel handeln. „Homöopathie ist reine Plazebo-Therapie und hat in Apotheken eigentlich schon lange nichts mehr zu suchen“, wendet Ernst jedoch ein. Er sieht ein klares ethisches Problem bei Apothekern, die homöopathische Mittel verkaufen.

„Wie alle Heilberufler unterliegen auch Apotheker ethischen Grundsätzen. Als grundlegende Werte gelten hier das Wohlergehen des Menschen, das Verbot zu schaden, und das Prinzip der Menschenwürde.“, erklärt er. „Gemäß diesen Grundsätzen müssen Homöopathika früher oder später aus den Apotheken verschwinden.“

Natürlich hätten Kunden immer auch das Recht, sich das zu kaufen, was sie wollten. „Dieses Recht befreit den Apotheker jedoch keineswegs von seinen ethischen Pflichten“, so der Mediziner, der einst selbst Anhänger der Homöopathie war. In Deutschland fehle es noch an verantwortlichen Worten von den zuständigen Stellen.

Noch weiter mit der Kritik ging Kristina Schröder. Die CDU-Politikerin und ehemalige Bundesfamilienministerin hatte am selben Tag unter dem unmissverständlichen Titel „Homöopathie, ein Mumpitz“ in der Tageszeitung „Die Welt“ ebenfalls einen Beitrag veröffentlicht. Darin kritisiert sie nicht nur, dass Homöopathie bei der Arzneimittelzulassung in Deutschland als „besondere Therapierichtung“ einen Sonderstatus genießt.

Vielmehr stelle die Anerkennung von Globuli & Co. als Medizin die gesamten naturwissenschaftlichen Standards unserer Zeit zur Disposition. Denn die Grundannahmen der Homöopathie seien nicht nur „noch nicht genau erforscht“, wie oft behauptet werde, sondern sie seien „mit Axiomen unserer Physik und Chemie nicht vereinbar“.

„Wer an die Homöopathie glaubt, der wirft auch unsere Art, Erkenntnis zu erlangen, und damit unser komplettes aufgeklärtes rationales Wissenschafts- verständnis über den Haufen“, schreibt Schröder. „Die Gegenaufklärung hat derzeit einen gewissen Zulauf. Homöopathie ist ein Einstieg. Wem unsere Art, zu leben und Wissen zu erlangen, am Herzen liegt, der kann hier nicht tolerant sein.“

Seit vergangenem Jahr hat die Debatte um Sinn und Unsinn homöopathischer Behandlungsformen Konjunktur. Dazu hat auch das Informationsnetzwerk Homöopathie (INH) wesentlich beigetragen. Seit Anfang 2016 versammeln sich unter dessen Banner Homöopathiekritiker unterschieldicher Couleur – viele davon Ärzte und Apotheker – um Aufklärungsarbeit zu leisten und die öffentliche Debatte zu beeinflussen.

So betreibt das INH beispielsweise die Facebook-Seite „Susannchen braucht keine Globuli“, auf der mit oftmals ironisch-humorvollen Beiträgen mehrere tausend Nutzer erreicht werden. Erst kürzlich wurde über die Seite beispielsweise der Gastbeitrag eines anonymen PTA verbreitet, der seinen Frust über die Stellung der Homöopathie im „Mikrokosmos Apotheke“ Luft machte. In dem gerieten Fehl- und Desinformation oftmals in eine Bestätigungsschleife. „Im ungünstigen Fall“ sei dieser Mikrokosmos, „einmal kritiklos eingeschworen auf Beliebigkeit und Gefühle statt wissenschaftlicher Evidenz, undurchdringlich“.

Erst im Frühjahr hatte die Universität Erfurt in einer Feldstudie versucht herausfinden, wie evidenzbasiert Apotheker über Homöopathie aufklären. Den Ergebnissen zufolge sollen im Rahmen der Beratungsgespräche nur 5 Prozent darauf hingeweisen haben, dass es für die Wirkung von Homöopathie keine wissenschaftlichen Belege gebe. Die Empfehlungen der Apotheker enthielten zwar in der Regel evidenzbasierte Therapien, allerdings würde sich ihr Wissen über die Wirkung von Homöopathie mehrheitlich nicht von Laien-Meinungen unterschieden. „Zumindest was letzteren Bereich betrifft, scheint ein (Weiter)-Bildungsbedarf bei vielen Apothekern zu bestehen“ , kritisierte ein Autor der Studie.

Wie steht ihr zu Globuli & Co.? Habt ihr ethische Bedenken, Homöopathika abzugeben? Erlebt ihr Debatten im HV? Jetzt mitdiskutieren im LABOR von APOTHEKE ADHOC!

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