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Gegen Insulinengpässe: Spotify-Account auf Kassenrezept

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Berlin -

Nicht nur Kinderarzneimittel sind knapp, sondern auch Insuline. Um die Therapie von Diabetiker:innen nicht zu gefährden, setzt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf neue Studienergebnisse: Weil Rockmusik die Insulinausschüttung beeinflussen kann, sollen die Kassen für Versicherte ein Spotify-Abo zahlen.

Eine Dringlichkeitsliste kam für Lauterbach für die Insulinengpässe nicht in Frage. Immerhin hat auch der Minister verstanden, dass der Großhandel sich nicht bevorraten kann, wenn es keine Ware gibt. Alternativen müssen her. Weil schon in Zeiten von Corona mit Hilfe von Äquivalenzdosen der Austausch erleichtert war und aktuell Insulinpumpen durch Umfüllen von Penpatronen befüllt werden, kam Lauterbach zuerst die Idee mit dem Mischungskreuz: Arzt mal Arzt durch Apotheke. Aber die Apotheker als unbekannte Variable, das könnte Ärger machen.

Wie also die Patient:innen an der Apotheke vorbei versorgen? Die Idee kam dem Minister auf dem Weg ins Studio zu Markus Lanz. Die Wartezeit in der Maske nutzte der Minister zum Lesen von Studien. Im Fachmagazin „The Lancet Diabetes & Endocrinology“ hieß es, dass der Song „We will rock you“ von Queen – bei 85 Dezibel über eine Dauer von 15 Minuten – die Insulinausschüttung ankurbeln kann. Warum also nicht die Versicherten mit dem Song versorgen?

Platten, Kassetten oder CDs sind auch für Lauterbach in Zeiten der Digitalisierung kein Thema mehr. Daher die Idee: Diabetiker:innen erhalten einen Spotify-Account, der von den Kassen bezahlt wird, und zwar so lange, bis der Engpass beendet ist. Dazu wird ein Versorgungsmangel ausgerufen, der im Bundesanzeiger veröffentlicht wird.

Um Anspruch auf das Spotify-Abo zulasten der Kasse zu haben, muss ein Antrag auf Kostenübernahme gestellt werden. Zuständig sind hier die Handelsketten für Unterhaltungselektronik. Die Praxen stellen den entsprechenden Gutschein per E-Rezept aus. Die Patient:innen gehen dann in die nächstgelegene Filiale und können dort per eGK das Rezept einlösen. Wer den Gutschein noch am gleichen Tag einlöst, bekommt einen Kopfhörer gratis. Und wenn mehrere Angehörige erkrankt sind, ist ein Upgrade auf einen Family-Account möglich.

Höhere Honorare, höhere Beiträge

Zugegeben, abgesehen vom „Bundesinstitut zur gesundheitlichen Vorbeugung“ und einem „Townhall Meeting“ zur Cannabis-Legalisierung hat Lauterbach aktuell keine weiteren Ideen für zusätzliche Parallelstrukturen oder neue Hauruck-Manöver auf den Markt geworfen. Hatte ja auch genug damit zu tun, die Leistungserbringer zu dissen. Verdienen doch eh schon viel zu viel, die Ärzte: 230.000 Euro – zweihundertdreißigtausend! Sollen etwa die Beitragssätze steigen?

Und was die Apotheker angeht, holte sich Lauterbach Flankenschutz bei seiner Parteifreundin Dagmar Schmidt. In der Bild-Zeitung klagte die Fraktionsvize über die Ungleichheit in der Apothekehonorierung und „teure, irreführende Kampagnen der Apothekerschaft“. „Apotheker wollen noch mehr Geld“, titelte das Blatt. Und meinte damit vor allem die berühmen „Top-Verdiener-Apotheken“.

Lange blieb das Boulevardblatt aber nicht auf Linie des Ministers. In der Ausgabe für Frankfurt wurde über den Apotheker-Protest am Brückentag berichtet. In weißen Kitteln haben die Teams vor dem „Apothekensterben“ gewarnt, hieß es.

Erfolgreicher Protesttag

Und tatsächlich war der Protesttag des Hessischen Apothekerverbands (HAV) ein voller Erfolg. Nicht nur weil die Medien wieder einmal berichteten, sondern auch weil die Teams ihre Anliegen gegenüber den Kundinnen und Kunden erklären konnten und damit auf Verständnis stießen. Zahlreiche Apotheken im Land hatten geschlossen, rund 1000 Kolleginnen und Kollegen nahmen an der Kundgebung teil. Beeindruckend war nicht nur die Geschlossenheit, sondern auch die Entschlossenheit – einige Stimmen haben wir hier für Sie eingefangen, unbedingt anhören!

Verbandschef Holger Seyfarth kündigte eine härtere Gangart an, die Landespolitiker glänzten mit Sympathiebekundungen. Und Kordula Schulz-Asche von den Grünen, die die Linie der Ampel vertrat, wurde ausgebuht. Spontan schaute übrigens der Chef des Hausärzteverbands vorbei – nicht dass die Gesundheitsberufe doch noch gemeinsam gegen Lauterbach auf die Barrikaden gehen.

Von der Kammer war übrigens niemand dabei, wie auch von der Abda nicht. War ja auch Brückentag. Aber wie auch immer, im November wird weiter protestiert. Hessen ist dann auch wieder dabei, denn es geht um die Sache und nicht um Eitelkeiten. Schönes Wochenende.

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