Bundesverfassungsgericht

Apotheker Bär: Sieg und Schaden

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Berlin -

Acht Jahre dauert schon der Streit um das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) von Apotheker Hermann Bär im schwäbischen Tettnang. Vor dem Bundesverfassungsgericht hat er jetzt sogar einen Sieg errungen, sein MVZ aber trotzdem verloren. Ihm droht hoher finanzieller Schaden. Die Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Baden-Württemberg fordert bereits gezahlte Arzthonorare zurück.

Die Leidensgeschichte von Apotheker Bär begann im Jahr 2008. Es sei eine gute Idee, dachte sich der Apotheker, mit der Gründung eines MVZ die Ärzte nicht nur in Tettnang am Bodensee, sondern auch in der Nähe seiner Apotheke zu halten. Da damals noch kein Gebäude existierte, in den die Ärzte unter einem Dach zusammenarbeiten konnten, arbeiteten die Ärzte in ihren alten Praxisräumen weiter, während der Neubau errichtet wurde. Das MVZ bestand zunächst nur aus einem „Verwaltungsdach“.

Und das ist der Kern des Streits. Denn die KV des Landes verlangte einen zentralen Sitz für das MVZ. Den gab es nach Angaben der Schwäbischen Zeitung aber erst im Jahr 2010 und das auch nur provisorisch. Die Fertigstellung des Neubaus hatte sich verzögert. Das ließ die KV nicht gelten: Weil nämlich der zentrale Sitz fehlte, hat das MVZ aus Sicht der KV gar nicht existiert – über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren. Nach Ansicht der KV sind die Ärzte weder in räumlich noch in sachlich abgegrenzter Einheit tätig geworden. Das MVZ habe seinen Betrieb über Monate nicht aufgenommen, argumentiert die KV.

Gleichwohl wurden die Arztrechnungen über das MVZ abgerechnet und bezahlt. Bär sei aber nicht berechtigt gewesen, Leistungen gegenüber der KV abzurechnen. Apotheker Bär räumt Fehler bei der MVZ-Gründung ein. Ihm sei nicht klar gewesen, dass ein MVZ bei der Inbetriebnahme zentral untergebracht sein müsse. Also wurden die Gerichte eingeschaltet: Das Sozialgericht Freiburg erließ zunächst eine einstweilige Verfügung – das MVZ konnte weiterarbeiten.

Es folgte der Weg durch alle Instanzen. Zusätzlich stellte die KV vor fünf Jahren einen Strafantrag wegen betrügerischer Abrechnung. Dieses Verfahren ist noch nicht entschieden. 2013 urteilte dann das Landessozialgericht in Stuttgart, dass dezentrale Arbeiten der Ärzte in ihren Praxen sei als Ordnungswidrigkeit zu werten. Den Entzug der Zulassung rechtfertige das nicht. Die KV zog weiter vor das Bundessozialgericht.

Die obersten Sozialrichter sahen die Lage anders und entzogen Bär die Zulassung für sein MVZ. In den Verfahren hatte sich die KV Baden-Württemberg auf die Ärztezulassungsverordnung berufen. Dort heißt es in § 19, dass die ärztliche Zulassung entzogen werden kann, wenn drei Monate lang die ärztliche Tätigkeit nicht ausgeübt wird.

Jetzt urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass dieser Teil der Ärztezulassungsverordnung gegen die im Grundgesetz verankerte Freiheit der Berufsausübung verstößt. Ein später Sieg für Apotheker Bär, aber ohne Relevanz für seinen Fall. Denn die Karlsruher Richter sehen in § 19 des Ärzterecht einen grundsätzlichen Verstoß gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit für einen Eingriff in die Berufsfreiheit. Den konkreten Fall des MVZ in Tettnang bewerteten die Karlsruher Richter nicht. Das Urteil des Bundessozialgerichts hat damit Bestand. Relevant ist das Urteil daher für künftige Streitereien beim Einzug von KV-Zulassungen für Ärzte.

Auf dem angerichteten Schaden bleibt Apotheker Bär jetzt sitzen. Wie hoch die Rückzahlungsforderungen der KV sind, wollen beide Seiten nicht verraten. Hinzukommen Gehälter für ehemalige Mitarbeiter und Geräte. Übrigens: Das für das MVZ errichtete Ärztehaus steht inzwischen. Auch gibt es dort Arztpraxen. Ein MVZ aber nicht. Die Ärzte arbeiten alle auf eigene Rechnung.

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