Rezeptprüffirmen

Ein Retaxriese entsteht

, Uhr
Berlin -

Kurz vor Weihnachten kaufte der C&A-Clan die Rezeptprüffirma Inter-Forum. Der nächste Streich folgt sogleich: Im zweiten Anlauf schnappt sich der Investor auch den Konkurrenten Syntela. Damit entsteht ein neuer Retaxriese.

Am Dienstag vergangener Woche wurde der Kaufvertrag zwischen den bisherigen Eigentümern von Syntela und Bregal Unternehmerkapital unterzeichnet. Die Beteiligungsgesellschaft mit Sitz in München hat nach eigenen Angaben weltweit knapp 10 Milliarden Euro in mittelständische Unternehmen investiert und gehört zu Cofra Holding mit Sitz in der Schweiz. Hinter der Dachgesellschaft steht die Brenninkmeijer-Familie, die vor allem mit der Textilkette C&A zu Milliardenreichtum gekommen ist.

Schon im vergangenen Jahr hatte sich Bregal für Syntela interessiert, kam aber wegen offener wettbewerbsrechtlicher Fragen nicht zum Zug. Stattdessen kam der Deal mit Inter-Forum zustande. Doch offenbar besserten die Münchener in der Folge ihr Angebot noch einmal nach. „Die Transaktion macht für den Markt Sinn, genauso wie für die Investoren und für die Mitarbeiter“, sagt Syntela-Geschäftsführer Jens Hafner.

Am Mittwoch kam grünes Licht vom Kartellamt; Ende März soll der Deal nach Angaben von Hafner vollzogen werden. Danach treten zwei der führenden Abrechnungsprüfer in Deutschland als Schwesterfirmen auf. Wie es mit den beiden Unternehmen weitergeht, steht laut Hafner noch nicht fest. Man werde miteinander sprechen und analysieren, wo es Synergiepotenziale gebe. „Wir haben vier Standorte in Leipzig, wir werden sehen, wo wir konsolidieren können“, so Hafner.

Syntela ist seit Anfang 2005 im Geschäft. Die Firma wurde von Rando Trapp und Jörg Sander gegründet, die vorher bei Inter-Forum gearbeitet hatten. Dritter Partner war Thomas Metzger, der von der Kassenseite kam. Im Fokus stand zunächst die Prüfung der Abrechnung von Hebammen, Heilmittelerbringern & Co. Ab Herbst 2007 unterstützte die Firma ihre Kunden bei der Annahme und Kontrolle von Arztabrechnungsdaten. Die Prüfsoftware für Apotheken ging Anfang 2008 an den Start.

Im November 2014 stieg Caldec bei Syntela ein. Hinter dem Finanzinvestor aus Hamburg stehen der ehemalige QSC-Finanzvorstand Markus Metyas sowie die beiden langjährigen Finanzexperten Hermann und Florian Wendelstadt. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart; später übernahmen die Investoren die Firma komplett. Nur Hafner hielt zuletzt noch ein kleines Paket; er war Anfang 2012 von der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton zur Retaxfirma gekommen.

Trapp und Metzger hatten sich Anfang 2014 aus dem operativen Geschäft zurückgezogen; Sander war bereits drei Jahre zuvor ausgeschieden. Ihr Nachfolger in der Geschäftsführung, Rolf Boddenberg, brachte 30-jährige Erfahrung auf der Seite der Krankenkassen mit. Von April 2011 bis Ende 2012 war er Vorstand der BKK vor Ort. Davor war er mehr als fünf Jahre im Führungsgremium der Dräger & Hanse BKK.

Anfang des Jahres ist Boddenberg in den Beirat gewechselt, wo neben den Caldec-Chefs der ehemalige Arvato-Geschäftsführer und TNT-Vorstand Stefan Middendorf vertreten ist. In der Geschäftsführung ist seit Jahresbeginn Thorsten Weber für Marketing und Vertrieb verantwortlich – auch er ist Kassen- und IT-Experte: Seine berufliche Karriere begann er 1991 bei der Barmer als Geschäftsstellenleiter. Später war er unter anderem für IBM als Vertriebsleiter sowie für die Software AG tätig.

Syntela hat rund 140 Mitarbeiter und bietet neben der Rechnungsprüfung und Datenanalyse mittlerweile ein breites Spektrum an Dienstleistungen an. Mit Syn!Bonus können Kassen ihre Bonusprogramme verwalten, bei Syn!Care werden Daten der unterschiedlichen Leistungserbringer zusammengeführt. Ein komplettes Dienstleistungspaket gibt es für die hausarztzentrierte Versorgung und die integrierte Versorgung.

Auch Zahnarztrechnungen sowie häusliche und teilstationäre Pflegeleistungen können über Syntela abgerechnet werden. Mit 3M kooperiert das Unternehmen seit 2012 bei der Prüfung von Abrechnungen aus Institutsambulanzen. Insgesamt hat die Firma 65 Kassen als Kunden, davon 24 im Apothekenbereich.

Inter-Forum wurde 1990 von Claus Wippich und Armin Gerhardt als Ableger der Firma ABK Systeme in Leipzig gegründet. Der Fokus lag zunächst auf Kommunikationslösungen für Banken und Behörden; ab 1995 stieg Wippich mit seiner mittlerweile in Inter-Forum umbenannten Firma in das Geschäft mit Sozial- und Abrechnungsdaten ein.

2000 begann Inter-Forum mit der Abrechnungsprüfung der Apotheken. Angeblich soll Wippich von der Gmünder Ersatzkasse (GEK) überredet worden sein, nicht nur Lizenzen für die von seinem Systemhaus entwickelte Prüfsoftware Rezept300 anzubieten, sondern die Dienstleistung gleich mit. Drei Jahre später folgte mit Kompass302 das Pendant für den Bereich der sonstigen Leistungserbringer; parallel etablierte sich Inter-Forum als Datenstelle für Disease-Management-Programme (DMP) in unterschiedlichen KV-Regionen.

2013 erreichen die Erlöse erstmals die Grenze von 40 Millionen Euro; mit knapp 1000 Beschäftigten gehört Inter-Forum zu den 20 größten Arbeitgebern der Region. Kein anderer Rezeptprüfer kann in dieser Größenordnung mithalten. Das Geschäft ist äußerst lukrativ; zeitweise werden Gewinne zwischen fünf und acht Millionen Euro eingefahren – nach Steuern. Zur Finanzierung der Auslagen verfügt Inter-Forum nicht nur über großzügige Kreditlinien; zusätzliche liegen Millionenbeträge in kurzfristigen Wertpapieren bereit.

Auch wenn Inter-Forum bei den Apotheken gefürchtet ist, der größte Teil des Geschäfts entfällt auf andere Leistungserbringer. 70 Prozent des Umsatzes spülen geprüfte Belege von Taxifahrern, Hebammen, Pflegediensten, Hilfsmittelanbietern und Heilmittelerbringern in die Kasse. Weitere 20 Prozent entfallen auf den nicht nur wachstumsstarken, sondern auch besonders lukrativen DMP-Bereich; hier ist Inter-Forum nach eigenen Angaben unangefochtener Marktführer.

Das Apothekengeschäft ist mit weniger als 10 Prozent von untergeordneter Bedeutung. Zu den Kunden in diesem Bereich gehören die KKH und verschiedene LKKen; einige AOKen lassen ihre Belege von Inter-Forum bearbeiten. Bei den sonstigen Leistungserbringern gehören Schwergewichte wie TK, DAK und diverse IKKen zu den Kunden. Insgesamt arbeitet das Unternehmen nach eigenen Angaben unter anderem mit fünf der zehn größten Kassen zusammen. Die Software Rezept300 wird nicht nur von vielen Kassen eingesetzt, sondern teilweise auch von anderen externen Prüffirmen.

Als Faustregel gilt: Die großen Kassen kontrollieren die Rezeptabrechnung selbst, kleinere Kassen beauftragen externe Dienstleister. Branchenkennern zufolge liegt der Marktanteil der hauseigenen Prüfstellen bei mehr als 60 Prozent – wenn man die Versichertenzahlen als Grundlage nimmt. Die restlichen 40 Prozent teilen sich einige wenige Firmen wie Inter-Forum, Syntela, GfS, die Rezeptprüfstelle Duderstadt, Protaxplus, DDG und das Abrechnungszentrum Emmendingen.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Kasse kennt eigene Vertragspreise nicht
Weniger als EK: DAK feilscht mit Apotheker
Auch Trulicity-Rezept kam zurück
Engpass-Retax: Kasse will Ozempic nicht zahlen
Mehr aus Ressort
Pharma-Chef verlässt Konzern
Wechsel bei Bayer

APOTHEKE ADHOC Debatte