GKV-Spitzenverband

E-Rezept: BMG schon einmal gescheitert

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Berlin -

Um die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzutreiben hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) per Gesetz die Mehrheit an der Gematik an sich gerissen. Jetzt stichelt der GKV-Spitzenverband gegen die Entmachtung der bisherigen Gematik-Gesellschaften. In einem Beitrag der Oktober-Ausgabe des eMagazins „90 Prozent“ des GKV-Bundesverbandes zum E-Rezept unter dem Titel „Was wir aus gescheiterten Digitalisierungsversuchen lernen sollten“ verweist Autor Dr. Karl Sydow, Fachreferent im Referat Arzneimittel des Dachverbandes der Kassen, auf den ersten Anlauf zur Einführung des E-Rezept im Jahr 2004. Auch damals habe das BMG die Führung der Gematik übernommen. Trotzdem sei das E-Rezept vor 15 Jahren gescheitert.

„Das E-Rezept kommt. Spätestens bis zum 1. Januar 2006 sollten die Ärzteschaft und die Krankenkassen die hierfür notwendigen Voraussetzungen unter den technischen Vorgaben der Gematik vereinbart haben. So sah es das GKV-Modernisierungsgesetz mit Inkrafttreten im Januar 2004 vor. Dieser Digitalisierungsversuch scheiterte und das Bundesgesundheitsministerium will mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) die schrittweise Einführung des E-Rezepts mehr als ein Jahrzehnt nach dem ersten Versuch durchsetzen.“ So leitet Sydow seinen Text ein. Insbesondere die vorgesehenen, relativ kurzen Fristen machten die notwendigen Vorbereitungen zum E-Rezept zu einer „Herausforderung für alle Beteiligten“. Hinzu komme die mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) gesetzlich festgelegte 51-prozentige Beteiligung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) an der Gematik. Sydow: „Hierdurch sollen die Entscheidungsprozesse der Gematik effektiver gestaltet werden können. Bereits von 2005 bis 2010 hatte das BMG auf Basis einer Rechtsverordnung die alleinige Entscheidungsgewalt bei der Gematik. Dieses Vorgehen hat sich damals nicht bewährt und wurde doch später wieder geändert“, stichelt der Autor gegen das BMG.

Vor dieser Neuausrichtung der Gematik seien für das E-Rezept die Ärzteschaft, die Apothekerschaft und die Krankenkassen, vertreten durch den GKV-Spitzenverband, die Hauptprojektbeauftragten gewesen. Unter der Voraussetzung, dass es der Gematik gelinge, zum Transport eines E-Rezept-Datensatzes die bestehenden stabilen Schnittstellen der digitalen Verordnungs- und Abrechnungsprozesse zu berücksichtigen sowie deren Weiterentwicklung zu ermöglichen, könne die Einführung des E-Rezepts „auch mittelfristig gelingen“, hegt der GKV-Spitzenverband offenbar Zweifel an der von Spahn für 2021 anvisierten flächendeckenden Einführung.

Die aufeinander aufbauenden und ineinandergreifenden Prozesse rund um das Rezept müssen „äußerst effizient und zuverlässig sein“. Es gehe nicht zuletzt um einen Bruttoumsatz von 45,7 Milliarden Euro im Jahr 2018. Veränderungen am Arzneimittelabrechnungsgeschehen benötigen daher regelhaft eine Vorlaufzeit, um fehlerfrei implementiert werden zu können. Mit dem GSAV sollten die Hauptbeteiligten am E-Rezept, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband, bundeseinheitliche Rahmenvorgaben für dessen Umsetzung innerhalb von sieben Monaten schaffen. Die Gematik, in der die Beteiligten Gesellschafter sind, solle jetzt bis Mitte 2020 die hierfür notwendigen technischen Voraussetzungen für eine E-Rezept-Anwendung in der Telematikinfrastruktur (TI) festlegen. „Dieser Ansatz entspricht im Wesentlichen dem Gesetzesauftrag aus dem Jahr 2004, mit dem Unterschied, dass die Frist damals zwei Jahre betrug“, so der Autor.

Gescheitert sei das E-Rezept vor 15 Jahren vor allem an technischen Problemen und der geplanten Speicherung auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK). Dies habe für eine umständliche Handhabung gesorgt. „Hierzu zählt vor allem der Versandhandel oder die Heimversorgung, denn in diesen Fällen blieb unklar, wie das E-Rezept versendet wird“, so Sydow. Hinzu komme, dass die notwendige Hardware für Ärztinnen, Ärzte und Apotheken damals noch nicht von den Herstellern produziert wurde. Es fehlte darüber hinaus ein Konzept zur schrittweisen Einführung des E-Rezepts. Des Weiteren habe es in den Tests erhebliche Handlingsprobleme gegeben, weil sich die mehrfache PIN-Eingabe aufgrund schlechter Umsetzung in den Primärsystemen als nicht praktikabel erwiesen habe.

Beim zweiten Anlauf zum E-Rezept habe der Gesetzgeber jetzt „ein direktes Abhängigkeitsverhältnis zwischen den für das E-Rezept zugrundeliegenden Verträgen geschaffen. Der Vertrag zwischen der Ärzteschaft und dem GKV-Spitzenverband auf der einen Seite sowie zwischen der Apothekerschaft und dem GKV-Spitzenverband auf der anderen Seite müssten explizit miteinander vereinbar sein. Beide Verträge müssten wiederum jeweils die Nutzung der Telematikinfrastruktur für die Übermittlung des E-Rezepts vorsehen.

„Auf der Grundlage der neuen Gesellschafterstruktur und -anteile in der Gematik verschiebt sich der direkte Einfluss auf die Entscheidungsprozesse zugunsten des BMG“, so der Autor weiter. Es bedürfe weiterhin eines „konstruktiven und intensiven Austausches zwischen den jetzigen Projektbeteiligten und der Gematik“. Nur so könnten die Erfahrungswerte von weit über 20 Jahren Arzneimittelversorgung zugunsten eines funktionierenden E-Rezepts genutzt werden. Das E-Rezept für Arzneimittel sei lediglich der Wegbereiter für weitere elektronische Verordnungen zum Beispiel von Heil- und Hilfsmitteln. Grundlegende Voraussetzungen dieser elektronischen Verordnungen müssten bereits heute in der Gestaltung des E-Rezepts mit bedacht werden. „Die Komplexität der verschiedenen elektronischen Verordnungen auf einen Nenner zu bringen, kann nur unter der Beteiligung aller Leistungserbringer und Kostenträger der gemeinsamen Selbstverwaltung gelingen“, appelliert Sydow an das BMG. Es müsse zudem ein Konzept zur schrittweisen Einführung des E-Rezepts sowie einer zeitlich limitierten Geltung von Papierrezepten erarbeitet werden.

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