Zyto-Verträge

Kassen nehmen Chaos in Kauf

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Berlin -

Sparen, sparen, sparen – und sei es um jeden Preis. Obwohl Exklusivverträge in der Zytostatika-Versorgung mit dem Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) abgeschafft werden, haben die großen Ersatzkassen bei ihrer Ausschreibung noch schnell die Zuschläge erteilt. Denn der Gesetzgeber räumt den Kassen eine Übergangsfrist ein: Für Altverträge gibt es eine dreimonatige Übergangszeit. Apotheker befürchten, dass es damit ohne Not zu Chaos in den Praxen kommen wird.

Im ursprünglichen Gesetzentwurf war die fristlose Abschaffung der Verträge vorgesehen. Kurz vor Torschluss hatten sich Union und SPD noch auf einen Änderungsantrag verständigt: Bestehende Verträge „werden nach einer dreimonatigen Übergangsfrist unwirksam“, heißt es nun. Barmer, TK und KKH haben bei ihren Zytoverträgen entsprechend noch Anfang März – kurz vor Verabschiedung des AM-VSG – die Vorabinformationen verschickt.

Trotz der bereits beschlossenen Abschaffung planen die Ersatzkassen den Start ihrer Verträge im Mai. Der Effekt auf den Markt dürfte erheblich sein: Laut Barmer-Chef Dr. Christoph Straub repräsentieren die Kassen 21 Prozent der Nachfrage in diesem Markt – die Verträge sollen ein Volumen von rund 620 Millionen Euro haben. Das gesamte Bundesgebiet wurde in 246 Losgebiete aufgeteilt.

Wenn das Gesetz mit dem Verbot der Zyto-Ausschreibungen demnächst in Kraft tritt und die Verträge wie geplant im Mai starten, bleiben den Ersatzkassen für die Umsetzung nur zwei Monate. Selbst in dieser kurzen Spanne wollen die drei Kassen gemeinsam zehn Millionen Euro einsparen. Wie realistisch diese Schätzung vor allem angesichts zu erwartender Startschwierigkeiten ist, sei dahingestellt.

Offen ist aber überdies, in welchem Umfang die Verträge überhaupt an den Start gehen können. Denn dem Vernehmen nach gibt es Nachprüfverfahren zu der Ausschreibung. Kritiker der Verträge monieren demnach in ihren Gebietslosen, dass die absehbar verkürzte Laufzeit eine wesentliche Änderung der Vertragsinhalte bedeute. Da eine Anpassung mit neuer Vergabe zeitlich unmöglich scheint, könnten die Verträge auf diesem Weg zumindest regional noch ausgebremst werden.

Für Zyto-Apotheker Dr. Franz Stadler ist das ganze Schauspiel ein schönes Beispiel für das viel zitierte postfaktische Zeitalter: „Das AM-VSG hätte die bekannten Versorgungsmängel beseitigen können, wenn man sich beim demokratischen Interessensausgleich an den Fakten orientiert hätte. Postfaktisch wurde in letzter Minute jedoch die geplante Änderung zum Patientenwahlrecht gestrichen“, so der Apotheker.

Da Barmer, TK und KKH quasi zeitgleich ihre Zuschlagsinformationen ihrer im Mai startenden Verträge verschickt hätten, könne man davon ausgehen, „dass die Streichung dieses Teilsatzes auf Betreiben der Krankenkassen und gegen die Interessen der betroffenen Patienten erfolgte“, so Stadler. Damit werde für die drei Monate der Zustand des Ausschreibungsmarktes festgeschrieben. Für die Praxen bedeute das „chaotische Lieferbedingungen mit bis zu vier verschiedenen Lieferapotheken“. Denn parallel laufen schon die Verträge von AOK, DAK/GWQ und Spectrum K.

Stadler hat aber auch Sicherheitsbedenken: Des Öfteren hat er schon kritisiert, dass bei den Ausschreibungen die geringere Stabilität einiger verwendeter Wirkstoffe nicht berücksichtigt würden. Die Infusionen seien von beschränkter, zum Teil auf wenige Stunden reduzierter Haltbarkeit und sollten in vielen Fällen keinen mechanischen Belastungen ausgesetzt werden, also nach ihrer Herstellung möglichst wenig transportiert werden. „Das sind die pharmazeutischen Grundfakten, die eigentlich nicht verhandelt werden können“, so Stadler.

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