Im Apothekerhaus der Landesapothekerkammer Thüringen (LAKT) in Erfurt wurde über die Gesundheitspolitik der nächsten vier Jahre diskutiert – im direkten Austausch mit Vertreter:innen von CDU, FDP, Bündnis 90/Die Grünen, BSW und Die Linke. Die SPD war nicht vertreten, Tina Rudolph musste kurzfristig absagen.
Christoph Zippel (CDU) betonte die Notwendigkeit eines Sofortprogramms für Apotheken. „Es gibt dringende und drängende Themen, die angegangen werden müssen.“ Und zwar in enger Abstimmung mit den Akteuren. Es müsse geschaut werden, wo der Schuh drückt – einige Themen seien längst klar. Dazu gehörten Honorierung und Nachwuchsförderung. Die CDU will von der Landesebene aus Druck ausüben.
„Alle Forderungen der Apotheken haben ihre Daseinsberechtigung“, aber es müsse geschaut werden, was aus der Sozialversicherung finanzierbar ist. „Wenn jemand Anspruch hätte, mehr Geld aus dem Topf zu bekommen, sind es die Apotheken.“ Aber: Arbeit in Deutschland dürfe nicht teurer werden. Dieser Spagat müsse geschafft werden. Ohne eine Umverteilung gehe es nicht.
Bezüglich des Versandhandels forderte er faire Wettbewerbsbedingungen und eine Gleichbehandlung. Zudem sei eine Ausweitung pharmazeutischer Dienstleistungen (pDL) denkbar, allerdings fehle es an einheitlicher Zustimmung innerhalb der Apothekerschaft. An der Politik soll es nicht scheitern – wenn die nächste Generation der Apotheker pDL durchführen möchte, stünde Zippel dem nicht im Wege.
Madeleine Henfling (Grüne) sprach sich für eine Stärkung der Apotheken aus. Ob dies über eine Honorarerhöhung oder Umverteilung geschehe, sei noch unklar. Eine Honorarerhöhung wurde jedoch innerhalb der Partei nicht ausgeschlossen. „Wir finden jetzt nicht Apotheker:innen doof oder so.“ Die Grünen stünden allenfalls der Pharmaindustrie distanziert und skeptisch gegenüber.
Sie betonte die Notwendigkeit, den PTA-Beruf attraktiver zu gestalten, da viele in andere Branchen abwanderten. Wohin, wusste Henfling allerdings nicht und war auf Antworten aus dem Publikum angewiesen. Dennoch war schnell klar: Höhere Gehälter sind ein möglicher Hebel, um PTA in den Apotheken zu halten. Um eine Honorarerhöhung komme man nicht herum. PTA sei ein Frauenberuf, so Henfling. Demnach sei es wichtig, die Frauen vor Ort zu halten.
Allgemein müssten die Infrastruktur und der Nahverkehr im ländlichen Raum verbessert werde – davon würden auch die Apotheken profitieren. Henfling sprach von „sinnvoller Arbeitszeit“ mit Blick auf zeitintensive Arbeitswege im ländlichen Raum. Schließlich könne man mit seiner Zeit mehr tun als in der Apotheke zu stehen.
Zum Thema Bürokratieabbau wollte sich Henfling nicht äußern. „Also ich würde ja immer, wenn dann von Automatisierung sprechen und nicht von Digitalisierung. Ich glaube, wir haben bestimmt noch ein bisschen Automatisierungspotenzial, auch in Apotheken. Grundsätzlich finde ich aber dieses Buzzwording Bürokratieabbau total schwierig. [...] Deswegen mache ich jetzt keinen konkreten Vorschlag, sondern höre auf. Also ich benutze diese Buzzwords einfach nicht, weil ich es furchtbar finde.“
Robert-Martin Montag (FDP) forderte tragfähige betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen. Dazu müssten Maßnahmen wie beispielsweise Dynamisierung und die Erhöhung des Fixums auf 10 Euro erfolgen. Zudem sollen pDL ausgeweitet und besser vergütet werden. Auch eine Finanzierungsmöglichkeit zeigte Montag auf – eine Umverteilung aufgrund von Ineffizienzen im System. Montag brachte aber auch mehr Kompetenzen für PTA ins Spiel.
Bürokratieabbau sei essenziell. Folgende Punkte müssten angegangen werden: Verzicht auf Rechnungskürzungen wegen unbedeutender Formfehler, Entlastung bei Dokumentationspflichten im gesamten Gesundheitssektor, Dokumentationspflicht für Erwerb und Abgabe verschreibungspflichtiger Tierarzneimittel streichen, anderweitige Nutzung von Impfräumen, Druckpflicht für Betäubungsmittelbestände aufheben und mehr Freiheiten bei Lieferengpässen.
„Natürlich zittere ich um die Freiberuflichkeit“, so Montag. Die zuletzt geplante Honorarumverteilung von Stadt zu Land durch Absenkung des prozentualen Anteils sei eine Bedrohung für die Freiberuflichkeit und die Existenz von Apotheken, weiß der FDP-Politiker und macht deutlich: „Lauterbach will das Apotheken-Reformgesetz wieder genauso einbringen.“
Lena Saniye Güngör (Linke) plädierte für eine regelgebundene Dynamisierung, beispielsweise orientiert an der Inflationsrate. Sie kritisierte das bestehende Dreiklassensystem im Gesundheitswesen und betonte die Notwendigkeit gerechterer Löhne. „Wir haben uns zu sehr an den Umstand gewöhnt, dass das Einkommen etwas mit der Lebenserwartung zu tun hat.“ Solange Vor-Ort-Apotheken andere Leistungen vorhalten müssen – und sei es nur die Medikationsanalyse – als diejenigen, die online angeboten würden, habe man Nachteile, weiß Güngör.
Auch dem Fachkräftemangel müsse begegnet werden. „Wir brauchen auf jeden Fall alle Investitionen in die Zukunft und in die jungen Kolleginnen und Kollegen, die nachkommen. Aber die müssen eben auch Bedingungen haben, mit denen sie gut arbeiten können. Und dazu gehört auch die Frage von einem gesellschaftlichen Diskurs.“ Für die Linke ist zudem klar, dass es auch möglich sein muss, eine Kompetenzerweiterung oder Handlungserweiterung und damit auch andere Leistungen, die abrechenbar sind, zu ermöglichen.
Juliane Hein (BSW) betonte die Bedeutung der Vor-Ort-Apotheken und sprach sich für den Erhalt inhabergeführter Apotheken aus. „Die ganzen Entwicklungen in den letzten Jahren, gerade die wirtschaftlichen Entwicklungen für die Apotheke, sind sehr gravierend“, so die Apothekerin. Im Wahlprogramm des BSW spielen Apotheken keine Rolle. „Ich finde das mega, mega schade, dass die Apotheken nicht so in dem Programm wahrgenommen oder wertgeschätzt wurden.“ Hein sieht in den lokalen, inhabergeführten Apotheken einen zentralen Pfeiler der medizinischen Grundversorgung. Sie sollen als niederschwellige Anlaufstellen erhalten bleiben.
Die Apothekerin appelliert an die Politik, sich aktiv um die notwendigen strukturellen Reformen zu bemühen, die den Wandel in der Gesundheitsversorgung begleiten. Sie fordert, dass konkrete Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die wohnortnahe Versorgung nachhaltig zu sichern und die Attraktivität des Apothekerberufs zu erhöhen. Es sei unabdingbar, umfassende und praxisnahe Konzepte zu entwickeln, die den Herausforderungen der Branche gerecht werden.
Ihre Vision sei eine Gesundheitsversorgung, in der Apotheken als integraler Bestandteil des Systems verankert sind – durch eine verbesserte, bedarfsgerechte Vergütung, den Abbau unnötiger Bürokratie und einer engen interprofessionellen Zusammenarbeit zwischen Apothekern, Ärzten und anderen Gesundheitsdienstleistern.
Dr. Wolfgang Lauerwald von der AfD kritisierte die staatliche Überregulierung, die aus seiner Sicht das Hauptproblem für Apotheken darstelle. Finanzielle Herausforderungen seien nur ein Teilaspekt. Es fehle zudem an Wertschätzung und Nachwuchs. Staatliche Eingriffe müssten reduziert und die Freiberuflichkeit geschützt werden. „Wenn staatliche Überreglung den Hals abschnürt, ist Geld das geringere Problem.“
Lauerwald stellte den Klimaschutz und andere politische Projekte als unnötige Kostenfaktoren infrage. „Die Steuern sprudeln so gut wie nie vorher, wir haben aber ein Ausgabenproblem.“ Er forderte eine auskömmliche Finanzierung der Apotheken und eine bessere Infrastruktur im ländlichen Raum. Zudem sprach er sich für eine Einschränkung von pDL aus: Impfen gehöre weiterhin in die Hände von Ärzten, Testungen sollten auf Blutzucker beschränkt bleiben, so der Internist und Nephrologe im Ruhestand.
Zum Schluss stellt sich die Frage, wer in der neuen Legislatur das Bundesgesundheitsministerium (BMG) führen könnte. In Frage kommen Kordula Schulz-Asche für Henfling, Tino Sorge für Zippel – und für die FDP? Montag: „Wir haben zwei Kollegen, die sehr lange schon dabei sind, die jetzt nicht wieder in den Bundestag einziehen werden aufgrund der Listensituation. Aber natürlich hat Professor Dr. Andrew Ullmann nicht nur die Kompetenz, sondern das auch lange Jahre gemacht. Christine Aschenberg-Dugnus hat jetzt altersbedingt leider aufgehört, deswegen ist eine neue Sortierung fällig. Aber das sind ja auch dann Chancen, die man hat.“
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