„Krise made by Gesundheitspolitik“

Schwintek: Das zweite Halbjahr wird übel

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Dr. Sebastian Schwintek von der Treuhand Hannover warnt vor weiter rückläufigen Erträgen in den Apotheken.Foto: Mark Mattingly
Berlin -

Trotz eines prognostizierten Umsatzwachstums von rund 5 Prozent in diesem Jahr warnt Dr. Sebastian Schwintek, Generalbevollmächtigter der Treuhand Hannover, vor trügerischen Hoffnungen. Denn der Rohertrag entwickle sich alles andere als erfreulich. Und das bei steigendem Kostendruck.

„Erst einmal sieht es ganz gut aus“, sagte Schwintek mit Blick auf die Umsätze in der Apotheke bei der VISION.A Zukunftskonferenz powered by APOTHEKE ADHOC, ARZ Haan AG, APOTHEKENTOUR und PTA IN LOVE. Für 2024 rechnet er mit einer Umsatzsteigerung von rund 5 Prozent auf 3,62 Millionen Euro. „Da könnte man eigentlich nicht meckern.“ Doch die Umsatzsteigerung sei „trügerisch“, wie er erklärt.

Umsatztreiber Hochpreiser

Als Hauptumsatztreiber identifiziert Schwintek die hochpreisigen Arzneimittel ab 500 Euro, auf sie entfallen rund 1,4 Millionen Euro. Auch bei den verschreibungspflichtigen Arzneimitteln unter 500 Euro ist ein Anstieg auf 635.000 Euro zu verzeichnen. Hier liegt der Rohertrag bei 21,6 Prozent, während er bei den hochpreisigen Arzneimitteln lediglich 3,9 Prozent beträgt. „Das ist Magerquark für die Apotheken“, sagt Schwintek.

Rund 900.000 Euro der Gewinnsteigerung führt Schwintek auf „Kannibalisierung“ zurück. Das heißt, die Umsatzsteigerung kann auf neue Kunden und Kundinnen zurückgeführt werden, die aufgrund von Schließungen auf andere Standorte ausweichen müssen. „Diese Entwicklung wird sich fortsetzen, da immer mehr Apotheken schließen werden.“

Traurige Bilanz: In den ersten sechs Monaten dieses Jahres haben bereits 283 Apotheken geschlossen. Für das Gesamtjahr rechnet Schwintek mit rund 600 Schließungen. „Das ist ein neuer Rekord. Damit würde es Ende des Jahres weniger als 17.000 Apotheken geben.“

Steigende Kosten und Skonto Verluste

Das Skontourteil treffe die Apotheken ganz unterschiedlich. Wer zuvor schon schlechte Konditionen hatte, verliert praktisch nichts, erklärt Schwintek. Viele Apotheken müssten aber mit zusätzlichen Einbußen rechnen.

Nicht der Umsatz, sondern der schwindende Rohgewinn sei aber das Problem, betont Schwintek. Dies liege auch an höheren Betriebs- und Personalkosten, die nicht kompensiert werden. Die wohlverdienten Tarifsteigerungen werden die Apotheken weiter in die Bredouille bringen, ist er sicher.

Obwohl die Tariferhöhung moderat erscheint, wird die Kostensteigerung für eine Apotheke im Durchschnitt etwa 11.500 Euro betragen. Durch die Arbeitszeitverkürzung kommen noch einmal rund 9200 Euro hinzu.

In der zweiten Hälfte dieses Jahres wird das Betriebsergebnis durch diese beiden Effekte weiter belastet. Lag das Betriebsergebnis im ersten Halbjahr noch bei 81.000 Euro – und damit hochgerechnet für zwölf Monate bei 163.000 Euro – müsse man nun von 147.000 Euro ausgehen. Ein neuer Negativrekord, nachdem es von 204.000 Euro im Jahr 2021 permanent bergab gegangen sei. Im unteren Drittel der Apotheken blieben häufig negative Ergebnisse.

Apothekenreform rettet uns nicht

Die Apothekenreform werde die Probleme nicht lösen, weil die Prämissen falsch seien, erklärte Schwintek. Es gebe keinen Vorschlag, neues Geld ins System zu pumpen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gehe davon aus, dass in der Branche genug Geld vorhanden sei, es sei nur ungerecht verteilt. „Das stimmt aber nur, wenn man sich das obere Drittel der Apotheken anschaut“, erklärt Schwintek.

Auch die Annahme, den Apotheken in den Städten ginge es gut und auf dem Land sei die Situation problematisch, stimme nicht. „Zwei Drittel der Stadtapotheken in Großstädten schreiben demnach ein schlechteres Betriebsergebnis als auf dem Land, nur im oberen Drittel haben die Stadtapotheken mehr raus und selbst da nur marginal“, erklärt Schwintek. Und das, obwohl die Apotheken in den Großstädten mehr Einwohner versorgen müssen als in ländlichen Regionen – in Berlin zum Beispiel 5290 Kunden im Vergleich zu 3894 in Sachsen-Anhalt.

„Ich halte die Umverteilung für wirklich katastrophal“, sagt Schwintek. Die Rettung könne nur über Bruttogewinne aus Wachstum kommen. „Das Gesetz ist eine Mogelpackung“, prangerte er an.

Die Branche sei mit ihren Leistungen zukunftsfähig, befinde sich aber in einer durch gesetzgeberische Unterlassungen verursachten Krise. „Normalerweise“, so Schwintek, breche eine Branche ein, „wenn die Nachfrage sinkt“ und damit auch der Umsatz. Bei den Apotheken sei das jedoch anders: „Die Nachfrage ist vorhanden, wie die steigenden Umsätze zeigen, aber der Ertrag sinkt.“ Dies führe zu Finanzierungsproblemen, fehlenden Investitionen und letztendlich zu Schließungen.

 

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