Brief an Overwiening

Rokitta: Abda spaltet Apothekerschaft

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Berlin -

Der Streit um die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) wird zur Zerreißprobe. Die Befürworter werfen den Kritikern vor, die Weiterentwicklung der Apotheke zu boykottieren und damit die Geschlossenheit des Berufsstands zu untergraben. Große Teile der Basis sehen sich aber gar nicht in der Lage, die neue Leistung zu erbringen, und fühlen sich vollkommen zu unrecht ins Abseits gedrängt. Reinhard Rokitta hat jetzt einen offenen Brief an Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening geschrieben.

„Die Sicht der Kollegenschaft auf die pharmazeutischen Dienstleistungen ist äußerst unterschiedlich, wie die Diskussionen in den sozialen Medien zeigen. Jede Apotheke kann und soll selbst entscheiden, ob und wie sie mit zusätzlichen Angeboten umgehen möchte. In keinem Fall dürfen Apotheken zu ‚pharmazeutischen Services‘ gezwungen werden“, so Rokitta in seinem Brief.

Auch wenn es keine explizite Verpflichtung gibt – was ihn stört, ist der Duktus, der derzeit in der Berufspolitik mitschwingt. So hatte Overwiening anlässlich der heute startenden TV-Kampagne erklärt, dass „nur vitale Apotheken vor Ort“ die neuen pharmazeutischen Services umfänglich anbieten könnten. Gemeint hatte die Abda-Präsidentin die dringend notwendige wirtschaftliche Stabilisierung der Apotheken, sprich Honoraranpassung.

Vitale vs. tote Apotheken

Aber Rokitta findet, dass mit dieser Aussage deutschlandweit gegenüber den Medien, der Politik, den Krankenkassen und der Öffentlichkeit differenziert wird zwischen „vitalen (=lebendigen) und nicht-vitalen (=toten) Apotheken“.

„Eine derartige Kommunikation mit dieser Ausgrenzung ist absolut inakzeptabel und katastrophal! Sie stellen damit Ihre eigene Glaubwürdigkeit in Frage, die Berufsvertretung aller Apotheken zu sein. Im Gegenteil: Sie konzentrieren sich auf einen geringen Teil der Apotheken, die pharmazeutische Dienstleistungen anbieten.“

Nach Overwienings eigenen Aussagen seien das um die 30 Prozent, also circa 5300 Apotheken. „Der ‚Rest‘ der Apotheken, also etwas über 12000, sichert übrigens unter Aufbietung sämtlicher Kräfte tagtäglich die Arzneimittelversorgung in dieser Republik und damit letztendlich auch Ihr Dasein. Diese Apotheken nun auf einem Nebenschauplatz in dieser Form zu beleidigen, zeugt von einer Selbstüberschätzung, die Ihnen als angebliche Berufsvertretung in keiner Weise zusteht.“

Kampagne für Wenige

In diesem Zusammenhang kritisiert Rokitta auch die pDL-Kampagne an sich: „Schlimm genug, dass hier die Kammerbeiträge aller Zwangsmitglieder in eine millionenschwere Kampagne nach Gutsherrenart investiert werden zugunsten eines geringen Teils der Apothekerschaft.“ Rokitta: „Bei Ihrer Werbung, die nicht für die Gesamtheit der Apotheken gilt, aber deren Beiträge verschlingt, handelt es sich aus meiner Sicht außerdem um eine direkte Zuweisung, die rechtlich geprüft werden muss. Weiterhin wecken Sie bei den Bürgerinnen und Bürgern Erwartungen, die von den meisten Apotheken aus Ihnen sicherlich bekannten Gründen nicht erfüllt werden können. Das ist rücksichtslos.“

Spaltung des Berufsstands

Was ihn aber am allermeisten stört, ist die Tatsache, dass jeder, der kritische Anmerkungen wagt, sofort von Abda-treuen Kolleginnen und Kollegen als Nestbeschmutzer diffamiert wird. „Ihre andauernden Rufe nach Geschlossenheit der Apothekerschaft kann man nun als Makulatur bezeichnen, denn Sie selbst sind es, die diese Geschlossenheit durch Ihre Wortwahl konterkarieren.“

Rokitta stellt sogar die Frage, ob es nicht die Abda selbst ist, die hier einen Keil in den Berufsstand treibt: „Ist eine öffentliche Spaltung der Apothekerschaft in gut und böse wirklich Ihr Ernst? Wird jetzt ein Schuh daraus, dass Sie keine Energie in eine Anpassung des Festzuschlags stecken, sondern sich mit Centbeträgen von der Politik abspeisen lassen wollen? So wird zusätzlich das Gerücht genährt, dass seit den Zeiten eines Friedemann Schmidt eine Schrumpfung der Apothekenzahl gewollt ist. Wenn man weiterdenkt, kommt man zu der Frage, ob die Kollegenschaft davon ausgehen muss, dass ‚unser‚ Spitzenverband mitverantwortlich für das Apothekensterben ist.“

Entschuldigung gefordert

Er distanziere sich jedenfalls von dieser „unprofessionellen Art der Kommunikation“ und fordere Overwiening auf, „sich bei allen Apotheken zu entschuldigen, die Sie mit Ihren Äußerungen diffamiert haben“. Die „Kommunikationsoffensive“ müsse umgehend gestoppt werden, um „das Ansehen des Großteils der Apotheken nicht zu beschädigen“.

Rokitta hatte im „Spiegel“ seine Kritik an den pDL formuliert und dafür viel Kritik auf der einen, aber auch Unterstützung auf der anderen Seite erfahren. Als Inhaber der Punkt-Apotheke in Bünde, also nicht in seiner Funktion als Vorstandsmitglied der Freien Apothekerschaft, liefert er in seinem Schreiben an Overwiening nun weitere Argumente nach.

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