Regierungskommission

Reformvorschlag: Pizzaboten für Notdienstapotheken?

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Berlin -

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will die Notfallversorgung reformieren, eine Expertenkommission übergab ein Gutachten mit Vorschlägen. Welche Rolle die Apotheken in dem Konzept übernehmen, erklärt Professor Dr. Tom Bschor, Leiter und Koordinator der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung.

Mit integrierten Leitstellen (ILS) soll laut Reformpapier die Notfallversorgung besser gesteuert werden. Die Mitarbeiter:innen sollen nach telefonischer Ersteinschätzung etwa einen Rettungswagen rufen oder einen Termin in einer regulären Arztpraxis, einer Notdienstpraxis oder einer Notaufnahme für den Patienten buchen.

Außerdem soll die Verordnung von Notfallmedikamenten über die ILS möglich sein – kombiniert mit einem Botendienst für Arzneimittel. Wie aber soll die Notdienstapotheke dringend benötigte Medikamente liefern, wenn sie zugleich die Betriebsräume nicht verlassen darf?

Lieferdienstkonzepte nutzen

„Den Botendienst über die Apotheken laufen zu lassen, wäre eine Möglichkeit“, erklärt Bschor. „Aber man sollte klug sein und die Gelegenheit nutzen, um innovativer zu denken“. In den Ballungsgebieten könne man zum Beispiel eigene Kurierdienste ausschreiben, die sich für eine innovative, digitale Fahrtensteuerung an Konzepten von Botendiensten in anderen Bereichen orientieren.

Patient:innen sollen von den Botendiensten dann nicht nur zu Nacht- und Notdienstzeiten profitieren können, sondern auch während der normalen Öffnungszeiten. Die Arztpraxen seien auch unter der Woche häufiger nicht geöffnet, auch dann müssten Patient:innen sich an die Leitstellen wenden und versorgt werden können. „In den Großstädten eigenen sich dafür Fahrradboten am besten“, so Bschor.

Keine Selbstdispensation

Die Reformvorschläge zielen auch auf das Entlassmanagement ab: Gewünscht wird eine „einheitliche und unbürokratische Möglichkeit zur Medikamentenvergabe für alle am INZ beteiligten Ärztinnen und Ärzte“. Damit sei aber in erster Linie die Verordnung von Medikamenten gemeint, so Bschor, der selbst Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist.

Seiner Meinung nach wurde das Entlassmanagement bislang „von den Kassenärztlichen Vereinigungen durch zum Teil absurde Auflagen und Bürokratie massiv erschwert“. Viele Kliniken sähen daher von der Möglichkeit der Medikamentenverordnung ab. Dann müssten Patient:innen direkt nach der Entlassung bei einem niedergelassenen Arzt oder einer niedergelassenen Ärztin vorstellig werden, um sich eine weitere Verordnung oder Krankschreibung zu holen. „Das bedeutet viel Aufwand und auch hohe Kosten, der niedergelassene Arzt oder die niedergelassene Ärztin rechnet den Termin ja auch nochmal ab“, so Bschor. Daran müsse sich dringend etwas ändern.

Videoterminal am HV-Tisch

Auch die Telemedizin soll laut Kommission gestärkt werden. Für Patient:innen, die keinen eigenen Zugang zu Videotelefonie haben oder sich in der Benutzung unsicher fühlen, sei zu erwägen, einen derartigen Zugang in Apotheken einzurichten, so die Reformvorschläge. „Es könnte dann ein Terminal mit Headset für Videosprechstunden in den Apotheken eingerichtet werden“, so Bschor. „Natürlich wäre vorab eine Bedarfsanalyse erforderlich.“

Häufig seien einzelne HV-Plätze ohnehin nicht in Benutzung, „da könnte man dann so ein Videoterminal einrichten“, so Bschor. Voraussetzung sei, dass die räumlichen Gegebenheiten passen und die Anforderungen an den Datenschutz eingehalten werden können. Er stelle sich das aber als freiwillige Leistung vor, die rechtlichen Rahmenbedingungen müssten noch geschaffen werden.

Das Angebot sieht er eher als eine Ergänzung während der normalen Öffnungszeiten, nicht während des Notdienstes. Apotheker:innen könnten weiterhin über die Notdienstklappe ihre Patient:innen versorgen – und müssten keinesfalls nachts Fremde in die Apotheke lassen, damit diese von der Videotelefonie Gebrauch machen könnten.

„Das sind alles nur Vorschläge, die Umsetzung wird jetzt ein Prozess, der in den Händen der Regierung liegt“, so der Koordinator und Leiter der Regierungskommission. „Das wird nicht alles 1:1 umgesetzt werden und ist auch noch nicht bis zum Ende ausüberlegt. Jetzt muss die Politik sich Gedanken machen.“

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