Datenaffäre

Null und Nichts und -1

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Berlin -

Inhaltlich ging es auch heute im Prozess um die Datenaffäre des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) nicht weiter. Dafür haben die Richter am Landgericht Berlin einige bemerkenswerte Äußerungen zum Gehalt der bisherigen Zeugenaussagen und zur Arbeit der Staatsanwaltschaft getätigt.

Das Gericht lehnte es erneut ab, die von der Verteidigung als Zeugen benannten Personen zu laden, darunter zuletzt Vertreter der Staatsanwaltschaft. Diese sollten bestätigen, dass es damals im BMG gar keine besonderen Sicherungsvorkehrungen gab und der angeklagte IT-Adminsitrator Christoph H. entsprechend auch nichts klauen oder weiterverkaufen konnte. Doch aus Sicht der Richter kommt es auf die Einschätzung der Staatsanwälte zum Sachverhalt nicht an. Die Bewertung der Rechtsfrage obliege der Kammer.

Rechtsanwalt Professor Dr. Carsten Wegner, Verteidiger des Mitangeklagten Thomas Bellartz, protestierte: „Wir verhandeln hier seit 34 Tagen und die Staatsanwaltschaft schaffte es bis zum 34. Verhandlungstag nicht, den Sachverhalt hinreichend zu konkretisieren.“ Gleichzeitig würden die Anträge der Verteidigung immer wieder abgewiesen, weil angeblich nicht klar sei, was dies zum Verfahren beitragen könne. „Das bewerte ich als Einschränkung der Verteidigung“, so Wegner. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft wollte zu diesem Angriff keine Stellungnahme abgeben, der Vorsitzende Richter unterbrach die Sitzung für eine kurze Beratung.

Anschließend wies er für die Kammer den Vorwurf zurück, „dass wir hier kein faires Verfahren führen“. Wegner stelle nur immer wieder die gleichen Anträge mit Blick auf die technischen Voraussetzungen. Dabei sei doch in der Verhandlung schon sehr früh und bereits mehrfach zum Ausdruck gekommen, dass die Darstellung der Zugangssicherung sich günstig auf die Angeklagten auswirke. Gemeint ist: Wenn die Daten im BMG nicht gegen Diebstahl gesichert waren, kann man sie auch nicht klauen.

„Wir haben das immer so gesehen“, sagte der Richter. Wenn Wegner noch Fragen zur Sachlage habe, wenn er „-1 wollte, wenn wir schon von 0 ausgehen“, dann müsse er das konkretisieren. Offenbar im Gefühl, mit dieser Aussage etwas weit gegangen zu sein, schob er hinterher, dass es ja immer noch die Rechtsfrage gebe, die von der Kammer zu beurteilen sei. Die beantragten Zeugen könnten aber jedenfalls zur Sache nichts Neues beitragen.

Wegner hätte sich das gerne noch einmal von der Staatsanwaltschaft bestätigen lassen, die sich ja in der Anklage und Pressemitteilungen entsprechend geäußert habe. Aber die Richter möchten sich auf direkte Aussagen der Zeugen aus dem BMG stützen, und nicht auf die Einschätzung eines Staatsanwalts nach „einem schnellen Blick in die Akte“. Der Vorsitzende Richter wurde hier noch deutlicher: Die Staatsanwaltschaft habe das Thema offenbar nicht so genau im Blick gehabt, von einem „sorglosen“ Umgang war die Rede und davon, dass die Anklage „nicht so problembewusst formuliert“ sei. Die Verteidiger rätselten nach Schluss der Verhandlung noch darüber, was das für den Prozess zu bedeuten hat.

Vorher ging es aber noch einmal hoch her. Nämlich als H.‘s Anwalt Nikolai Venn sich über den schleppenden Fortgang des Verfahrens beschwerte. Der Vorsitzende hatte eben mitgeteilt, dass die Polizei „noch vor Ostern“ weitere angeforderte Auswertungen liefern werde. Dabei geht es nicht um den mutmaßlichen Datendiebstahl, sondern um einen anderen Anklagepunkt, der nur H. zur Last gelegt wird.

Venn fragte höflich aber bestimmt, ob denn dieser weitere Zeitverzug der Maxime des Augenmaßes und der Beschleunigung angemessen sei. Die weitere Beschäftigung mit diesem Nebenkriegsschauplatz steht aus seiner Sicht in keinem Verhältnis mehr angesichts der Tatsache, dass im vermeintlichen Datenskandal schon 38 von 40 Anklagepunkten fallengelassen wurden. Die Kammer möge in Erwägung ziehen, den anderen Anklagepunkt abzutrennen. Das seien „durchaus beachtliche Überlegungen“, so der Richter, man habe auch schon in diese Richtung gedacht. Wenn die Polizei ihre Auswertungen nicht beschleunigen kann, könnte es also tatsächlich zu einer Abtrennung kommen – die die Verteidigung übrigens von Anfang an gefordert hatte. Nächster Verhandlungstermin ist der 1. Februar.

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