Notfallkontrazeptiva

Pille danach: Versand? Werbung? Erstattung?

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Berlin -

Der OTC-Switch für die „Pille danach“ rückt näher – doch noch sind viele Fragen ungeklärt. Während sich die Bundesländer und die Union für ein Versandverbot der Notfallkontrazeptiva aussprechen, gibt es in der SPD Widerstände. Über die Erstattungsfähigkeit wird am kommenden Mittwoch im Gesundheitsausschuss des Bundestags gesprochen, die Koalition steht unter Zeitdruck. Ein etwaiges Werbeverbot für die „Pille danach“ soll über die Fraktionen eingebracht werden.

Das Versandverbot für Notfallkontrazeptiva wurde im Bundesrat auf den Weg gebracht: Am Mittwoch wurde im Gesundheitsausschuss ein entsprechender Antrag aus Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein angenommen. „Bei diesem Thema herrschte großes Einvernehmen zwischen dem Bundesgesundheitsministerium und den Gesundheitsministerien der Länder“, heißt es aus dem hessischen Gesundheitsministerium.

Aus Sicht der Länder soll das Präparat am besten unverzüglich zur Verfügung stehen. Eine Online-Bestellung könne eine sofortige Ausgabe aber üblicherweise nicht gewährleisten. Darüber hinaus seien sich Fachleute einig, dass die Abgabe grundsätzlich nur im konkreten Bedarfsfall erfolgen solle. Zudem solle das Präparat nur unmittelbar der betroffenen Person und einhergehend mit einer ausführlichen Beratung von Angesicht zu Angesicht ausgehändigt werden. Mit dem Versandhandelsverbot wollen die Länder auch Missbrauch und Bevorratung verhindern.

Niedersachsens Gesundheitsministerin Cornelia Rundt (SPD) erklärte zu dem Antrag, man wolle die Einnahme des Medikaments so sicher wie möglich machen. „Damit die ‚Pille danach‘ nicht zur bitteren Pille wird, müssen die betroffenen Frauen ganz individuell vor der Einnahme beraten und über mögliche Risiken aufgeklärt werden.“

Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Hilde Mattheis, lehnt ein Versandverbot ab: „Mir ist wichtig, dass Frauen in einer Notsituation überall in Deutschland schnell und unkompliziert Zugang zu Notfallkontrazeptiva haben. Wenn eine Versandapotheke eine Lieferung der rezeptfreien ‚Pille danach‘ innerhalb von 24 Stunden oder vielleicht sogar schneller garantieren kann, gibt es im Interesse der betroffenen Frauen keinen Grund, diesen Bezugsweg rechtlich auszuschließen. Bei der Qualität der Beratung gibt es darüber hinaus wie wir wissen keine Unterschiede zwischen Versandapotheken und Apotheken vor Ort.“

Das Versandverbot für Notfallkontrazeptiva könnte in der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) geregelt werden. Dort ist bereits eine Ausnahme für Arzneimittel mit Lenalidomid, Pomalidomid und Thalidomid festgelegt. Verboten ist der Versand laut ApBetrO auch, wenn „wenn zur sicheren Anwendung des Arzneimittels ein Informations- oder Beratungsbedarf besteht, der auf einem anderen Wege als einer persönlichen Information oder Beratung durch einen Apotheker nicht erfolgen kann“. Auf diesen Punkt hatte die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg abgestellt, aus deren Sicht der Versand der „Pille danach“ ohnehin verboten ist.

Am 6. März wird sich der Bundesrat mit der Anpassung der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) und den Änderungsanträgen beschäftigen. Geplant ist, dass EllaOne und Levonorgestrel zum 15. März aus der Verschreibungspflicht entlassen werden.

Diskutiert wird noch über ein Werbeverbot für die Notfallkontrazeptiva. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt hatte erklärt, aus pharmazeutischer Sicht gebe es keinen Grund dafür. Dennoch wurde bereits darüber nachgedacht. Eine entsprechende Änderung des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) ist dem Vernehmen nach geplant. Der Änderungsantrag soll aus den Fraktionen kommen.

Offen ist auch, wie genau die Erstattung des Präparats für Frauen unter 20 Jahren sichergestellt werden kann. Geplant ist, dafür das Sozialgesetzbuch (SGB V) so anzupassen, dass die „Pille danach“ weiterhin erstattet wird, wenn die Mädchen zuvor zum Arzt gehen und ein Rezept erhalten.

Diese Regelung sieht die Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Die Grünen) kritisch: Im Interesse junger Frauen wäre eine nachträgliche ärztliche Rezeptausstellung eine sinnvolle Maßnahme gewesen. „Es hätte jungen Frauen die Wahl eröffnet, schnell und weiterhin kostenfrei die ‚Pille danach‘ zu erhalten und wäre zusätzlich mit einer ärztlichen Beratung über Verhütungsmöglichkeiten ohne Zeitdruck verbunden.“

Beschlossen ist die Erstattung allerdings noch nicht. Als „Omnibusgesetz“ soll das 5. Änderungsgesetz zum SGB IV dienen, mit dem unter anderem die Einführung eines Online-Verfahrens bei den Sozialwahlen geregelt werden soll. Weil die Experten darüber noch streiten, hat sich auch die Entscheidung zu Notfallkontrazeptiva verzögert.

Der Bundestag beschäftigt sich in der kommenden Woche erneut mit dem Gesetz, und auch die „Pille danach“ steht wieder auf der Tagesordnung. Die kommenden zwei Sitzungswochen sind die letzte Chance, die Erstattung vor der geplanten Freigabe zu regeln. Andernfalls kann sich der Bundestag erst in der folgenden Sitzungswoche Mitte März wieder mit dem Thema beschäftigen.

Ebenfalls noch ungeklärt ist, wie ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für Notfallkontrazeptiva, die zulasten der Kassen abgegeben werden, sichergestellt werden kann. Dafür sei eine gesetzliche Regelung notwendig, schrieb die Gesundheitsstaatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU) in ihrer Antwort auf eine Anfrage von Schulz-Asche. Da es sich bei empfängnisverhütenden Mitteln nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht um Arzneimittel im Sinne des SGB V handele, müsse ausdrücklich festgelegt werden, welche Regelungen anwendbar sein sollten. Daher sei eine entsprechende Änderung des SGB V vorgesehen.

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