Kommentar

Bleibt eine Instanz!

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Berlin -

Ärzte und Apotheker zählen auf dem Dorf oftmals auch heute noch zu den „Persönlichkeiten“. Jeder kennt sie, weil jeder mal auf sei angewiesen ist. Die beiden Berufsgruppen haben untereinander in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit wiederum ein spezielles Verhältnis. Dieses ist mal mehr, mal weniger von gegenseitiger Achtung und Wertschätzung geprägt, und manchmal von Sozialneid. Dieses wiederkehrende soziale Gefüge könnte eine grundlegenden Wandel erfahren, wenn „der Doktor“ immer öfter seine Unabhängigkeit verkauft, kommentiert Alexander Müller.

Bei allen Unterschieden eint Apotheker und Ärzte ein wichtiges Merkmal ihres jeweiligen Standes: Beide sind freie Heilberufler, deren Unabhängigkeit bewusst geschützt wird und deren Tätigkeit mit besonderen Rechten und Pflichten ausgestattet ist. Die Selbstständigkeit gehört zwar nicht zwingend dazu, wird beim Berufsbild aber ohne Schwierigkeiten mitgedacht.

Genau auf diese Freiheit legen aber offenbar immer weniger Ärzte wert. Sie verzichten auf die eigene Praxis und wollen lieber als Anstellte arbeiten. Der MVZ-Betreiber Patiodoc meint darin sogar ein Geschäftsmodell gesehen zu haben. Die Aktiengesellschaft betreibt die Praxis und haftet für das unternehmerische Risiko – streicht andererseits aber auch die Gewinne ein. Im Fokus stehen vor allem Landarztpraxen, für die kaum Nachfolger zu finden sind. Referenzprojekte werden noch überzeugen müssen.

Die Erfahrung vieler Gemeinden und ihrer Bürgermeister ist, dass das Landleben von sich zu überzeugen weiß. Wer erst einmal da ist, bleibt gerne, gründet eine Familie, schlägt Wurzeln. Das Konzept mit Vorteilen für Medizinstudenten, die sich für ein paar Jahre auf dem Dorf verpflichten, zielt genau darauf ab. Der Abschied nach fünf Jahren kann nämlich eine ebenso große Hürde sein wie die Praxisgründung am Beginn der Karriere.

Dass diese Bindewirkung bei angestellten Ärzten abgeschwächt wird, liegt auf der Hand. Es ist nicht „ihre“ Praxis und ihr wirtschaftlicher Erfolg hängt noch weniger als bei Ärzten allgemein von ihrem persönlichen Engagement ab. Wie groß die Einsatzbereitschaft für die Patienten ist, dürfte dagegen eher eine Typfrage sein.

Die Scheu vor der Selbstständigkeit gibt es unter Apothekern ebenfalls. Steuerberater und Banken sehnen sich etwas nach dem Unternehmergeist früherer Tage. Doch die Pharmazeuten haben keine Wahl. Sie müssen investieren, riskieren und sich behaupten. Das Fremdbesitzverbot existiert weiter und wird vom Berufsstand selbst auch mit allen Mitteln verteidigt.

Die Unabhängigkeit von externen – womöglich Kapitalmarkt-gesteuerten – Interessen ist bei Apothekern noch wichtiger als bei den ärztlichen Kollegen, was sich in der Händlerkomponente des Berufs begründet. Und trotzdem muss man konstatieren, dass die Versorgung gerade in ländlichen Regionen seit Jahrhunderten gut funktioniert, wenn es „den Arzt“ und „den Apotheker“ selbstständig nebeneinander gibt. Aufgabe der Politik wäre es, dieses Modell wieder zu stärken. Dann können Arzt und Apotheker auch künftig eine Instanz vor Ort sein, für sich selbst, vor allem aber für ihre Patienten.

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