Ärzte-Bestechung

Katerstimmung bei Korruptionsjägern

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Berlin -

Bei den Ermittlern der Krankenkassen herrscht Katerstimmung. Weil der Oberste Senat am Bundesgerichtshof (BGH) entschieden hat, dass Ärzte weder als Amtsträger noch Beauftragte der Kassen gelten, gibt es derzeit keine Handhabe, um gegen korruptes Verhalten vorzugehen. Dabei sollte nach dem Urteil das große Aufräumen überhaupt erst beginnen. Auf absehbare Zeit werden die Kassen nun vermutlich versuchen, Druck auf die Margen auszuüben.

Ob Pharmahersteller oder Apotheker, Hörgeräteakustiker oder Optiker – Leistungserbringer haben naturgemäß ein Interesse daran, dass möglichst viele Rezepte zu ihnen kommen. Zwei Fälle hatten es vor den BGH geschafft: Ratiopharm mit der Beteiligung von Ärzten am verordneten Umsatz und eine Firma, die Ärzten die Kosten für hochwertige Reizstromgeräte in ihren Praxen erlassen hatte.

Bislang liegt nur der Richterspruch zum ersten Fall vor, doch dürfte mit einer anderen Auslegung nicht zu rechnen sein: Nach dem Urteil aus Karlsruhe können Kassenärzte nicht wegen Bestechlichkeit belangt werden, weil sie weder Amtsträger oder Verpflichtete des öffentlichen Dienstes sind noch Angestellte oder Beauftragte eines geschäftlichen Betriebes, sprich der Krankenkassen.

Für die wenigen Staatsanwälte, die in den vergangenen Jahren Ermittlungsverfahren eingeleitet hatten, war die Einschätzung aus Karlsruhe ein Schock. Wie das ARD-Magazin „Report Mainz“ vor kurzem berichtete, werden in Hamburg und Dresden Verfahren eingestellt. In Sachsen hatte man den Leipziger Herstellbetrieb Oncosachs und 60 Ärzte ins Visier genommen, in Hamburg ging es um Zyo Pharma.

In München, wo die AOK Niedersachsen Strafanzeige gegen Verantwortliche des Herstellers Ribosepharm gestellt hatte, ist zwar noch nichts entschieden. Und auch in Hannover, wo die Staatsanwaltschaft erst im April Ermittlungen gegen Lapharm und 66 Ärzte und Apotheker aufgenommen hatte, wird noch geprüft. Daran, dass das Verfahren fortgeführt wird, glaubt in Niedersachsen niemand: Das Urteil habe unmittelbaren Bezug und man werde den Spruch aus Karlsruhe zu beachten wissen, heißt es.

Dasselbe in Thüringen: In Mühlhausen ist die Eröffnung eines Hautpsacheverfahrens gegen einen Arzt und zwei Apotheker bereits abgelehnt worden. In einem zweiten Verfahren gegen denselben Arzt, aber einen anderen Apotheker prüft die Staatsanwaltschaft Erfurt derzeit, ob die Anklage zurückgenommen wird.

Dabei waren die Ermittler durchaus zuversichtlich gewesen: Die Bundesanwaltschaft hatte vor dem BGH, ähnlich wie die Vorinstanzen, niedergelassene Ärzte als Beauftragte der Krankenkassen gesehen. Der zuständige Strafsenat hatte sie sogar als Amtsträger eingeordnet. Doch am Ende sah es der Große Senat anders – und spielte den Ball zurück zur Politik. Wie auch immer man dort letztendlich entscheiden wird: Die Akten zu den bisherigen Verfahren wandern allesamt in den Keller: Wo kein Gesetz, da keine Strafe, sagt ein Staatsanwalt ernüchtert.

Dass die Berufsgerichtsbarkeit die Lücke füllen kann, daran glaubt eigentlich niemand. Ärzten ist laut Berufsordnung zwar verboten, Entgelt für die Zuweisung von Patienten oder die Verordnung von Arzneimitteln, Hilfsmitteln und Medizinprodukten anzunehmen. Die Strafen sind aber in der Regel kaum der Rede wert: Verweis, Geldbuße, Ausschluss aus Gremien. Erst ganz am Ende kommt der Widerruf der Approbation durch die Gesundheitsbehörde.

Auch ermitteln können Kammern und Behörden selbst so gut wie gar nicht: Praxen durchsuchen und Unterlagen beschlagnahmen etwa dürften nur Staatsanwaltschaften, und die sind jetzt blockiert. Auch wenn sich die Ärztefunktionäre selbstbewusst geben: Wie eine Umfrage der Berliner Zeitung ergeben hat, gab es in den vergangenen Jahren nur wenige Bußgelder und so gut wie keine Approbationsentzüge.

Und so bleibt nach Ansicht von Experten den Kassen nur eine Möglichkeit: dem System den Brennstoff zu entziehen. Im Zytobereich wäre damit die Hilfstaxe der Hebel. Das aber würde nicht nur die Schmiergeldzahler, sondern die gesamte Branche treffen.


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