Abschied von McCreevy

„Gott, hol mich hier raus“

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Es ist Zeit, Abschied zu nehmen von Brüssel und den Schaltstellen der Macht in Europa: Wenn die neue EU-Kommission mit einigen Monaten Verspätung vereidigt sein wird, muss der bisherige Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy seinen Schreibtisch geräumt haben. Die Akte „Apotheken“ bleibt in der Ablage „Zu erledigen“ - vielleicht hinterlässt der Ire seinem Nachfolger sogar einige handschriftliche Notizen auf gelben Klebezetteln. Denn an der neoliberalen Einstellung des Iren hat auch die Finanzkrise als größte Herausforderung seiner Amtszeit nichts geändert.

Mehr Jobs, mehr Wohlstand, mehr Steuereinnahmen, mehr Sozialleistungen - im Abschiedsinterview mit der hauseigenen Postille „Single Market News“ erklärt McCreevy noch einmal, warum ein europäischer Binnenmarkt aus seiner Sicht für die meisten Mitgliedstaaten zu einer erheblichen Verbesserung des Lebensstandards führen wird. Seinem Nachfolger rät er, jenen Kräften Stand zu halten, „die aus einer Vielzahl von politischen Gründen - einige ideologischer, andere philosophischer Natur - den Binnenmarkt blockieren wollen“.

McCreevy sieht die andauernden politischen Debatten nach eigenem Bekunden als Hindernis auf dem Weg zu einem umfassenden Binnenmarkt. „Wir verbringen unglaublich viel Zeit mit diesen hohen politischen Standpunkten, und ich denke, dass die Leute dieser Sache etwas überdrüssig sind, auch die Wähler.“

Der Kommission wünscht McCreevy daher mehr Handlungsspielraum bei den Vertragsverletzungsverfahren: „Wenn der Kommissar oder die Generaldirektion der Meinung ist, dass eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts vorliegt, dann sollten wir fortfahren können, um möglichst rasch ein Ergebnis zu bekommen.“ Führten die Verhandlungen mit dem betreffenden Mitgliedstaat zu keinem Erfolg, sollte die nächste Stufe eingeleitet werden können, ohne dass erst größere Debatten geführt werden. „Was passiert wenn wir Fälle verlieren? Dann haben wir wenigstens Rechtssicherheit.“

Doch das betrifft den Chefabmahner der EU selbst ohnehin nicht mehr: McCreevy will nach seinem Ausscheiden aus der Kommission die Politik verlassen und sich vielleicht direkt in der Wirtschaft engagieren. Zuletzt hatten die Finanzkrise und der wirtschaftliche Abschwung dem ehemaligen Sozial- und Finanzpolitiker die Amtszeit in Brüssel vermasselt: „Wenn ich gewusst hätte, dass das passiert, hätte ich gesagt: 'Gott, hol mich hier raus, gib mir einen anderen Job.'“

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