Gesundheitsausschuss

Becker: Gefahr für Zyto-Apotheken

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Berlin -

Anlässlich der Expertenbefragung zur Zyto-Ausschreibungspraxis der Krankenkassen im Gesundheitsausschuss des Bundestages hat der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), Fritz Becker, vor einer Gefährdung der flächendeckenden Versorgung mit Spezialapotheken gewarnt. „Wenn die Labors mal zu sind, geschieht nichts mehr“, so Becker. In der Folge könnten nur noch wenige qualifizierte Apotheken übrig bleiben und frisch hergestellte Präparate über weite Wege zu spät zu den Patienten gelangen. Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch, kritisierte das „Versogungskartell“ von Apothekern und Ärzten.

In der Expertenbefragung setzten Krankenkassen, Apotheker und Ärzte ihren Streit über die Zyto-Ausschreibungen fort. Stephan Schmitz, Vorstandschef beim Berufsverband der niedergelassenen Hämatologen und Onkologen (BNHO), sagte im Ausschuss, die Zytostatika-Herstellung sei ein ausgesprochen komplexer Prozess. Mit den Ausschreibungen werde die ganze bewährte Prozesskette ausgeschaltet. Das habe Folgen für die Patienten, denn es gehe nicht nur um die Krebsmittel, sondern auch um die Begleitmedikation, die aus einer Hand organisiert werden müsse, um die Patienten nicht zu überfordern.

Die Spezialmedikamente müssten auch ganz kurzfristig bereitgestellt werden, um die gewünschte Wirkung zu erzielen und eine hohe Qualität zu gewährleisten. Dies sei über ortsferne Ausschreibungen nicht zu erreichen. Vielmehr könne es sein, dass teure Medikamente nicht zur rechten Zeit verabreicht und so unbrauchbar würden. Dies sei nicht zu akzeptieren, wenn eine Fusion 8000 Euro koste. Mit den Ausschreibungen werde überdies in das Arzt-Patienten-Verhältnis eingegriffen.

Vertreter der Krankenkassen und des GKV-Spitzenverbandes widersprachen der Darstellung, die Ärzte würden übergangen und das System ausgehebelt. Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch, sagte, es entscheide weiter der Arzt darüber, was verordnet werde. In dessen Entscheidungshoheit werde nicht eingegriffen. „Mit Streichung der Direktverträge schützt der Bundesgesundheitsminister jetzt ein Versorgungskartell vor ein bisschen Wettbewerb“, betonte Litsch.

Das Problem mit schnell verfallenden Arzneimitteln habe mit der Ausschreibung nichts zu tun. Die Patienten bekämen auch keine vergammelten Medikamente. „Das ist alles sauber.“ Für die Patienten ändere sich nichts, weil sie die Arzneimittel nicht selbst in der Apotheke abholen müssten. Das laufe alles über den Arzt.

Johannes Thormählen, Vorstand der Gesellschaft für Wirtschaftlichkeit und Qualität bei Krankenkassen (GWQ) betonte, bei einer Ausschreibung würden Onkologen von maximal drei statt einer Apotheke beliefert. Das könne ja kein Problem sein. Die Praxis zeige, dass die Ausschreibungen auch wohnortnah funktionierten. Es gebe sogar erstmals eine klare Definition für sogenannte Ad-hoc-Lieferungen der Zytostatika. So seien 30 Minuten Herstellungszeit vorgesehen und 60 Minuten Lieferzeit. Er könne hier keine verschlechterte Versorgung erkennen.

Im Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV (AM-VSG) hat Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) kürzlich ein Verbot von exklusiven Zyto-Ausschreibungen durchs Kabinett gebracht. Darin ist die „Abschaffung der Exklusivverträge mit Apotheken bei der Versorgung mit in Apotheken hergestellten parenteralen Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung bei Patienten und an deren Stelle die Stärkung der Hilfstaxe und die Einführung der Möglichkeit des Abschlusses von Rabattverträgen mit pharmazeutischen Herstellern“ vorgesehen.

Die Möglichkeit der Kassen, exklusive Zyto-Verträge mit Apotheken abzuschließen, wird „gestrichen“, heißt im Entwurf. „Die Ergänzung dient der Klarstellung der Geltung der Apothekenwahlfreiheit der Versicherten.“ Auch bereits geschlossene Zyto-Verträge der Kassen verlieren nach in Kraft treten des Gesetzes ihre exklusive Gültigkeit.

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