Auf die Standesvertretungen der Apothekerschaft könnten ungemütliche Zeiten zukommen. Denn ein Gericht hat jetzt entschieden, dass die Kammern ohne hinreichende Begründung keine überbordenden Rücklagen aufbauen dürfen. Dass Apothekergelder gebunkert werden, sollte endlich der Vergangenheit angehören – auch bei der Abda. Ein Kommentar von Chefredakteur Patrick Hollstein.
In Berlin hatte Kammerpräsidentin Dr. Kerstin Kemmritz in den vergangenen Jahren damit begonnen, die Rücklagen der Kammer abzuschmelzen. Die Mitglieder konnten sich über stabile Beiträge freuen. Doch direkt nach ihrer Ablösung wurde eine neue Beitragsordnung verabschiedet. Zur Begründung wurde auf die wachsenden Aufgaben und vorausschauende Planung verwiesen. Also wieder mehr Apothekergeld in die Rücklagen?
Nach dem Urteil aus Düsseldorf dürfte es nun auch in anderen Kammerbezirken zu Nachfragen kommen, welche Vermögenswerte eigentlich angesammelt wurden und inwiefern diese zu rechtfertigen sind. Womöglich wird es auch eine Welle an Einsprüchen gegen die Bescheide oder Klagen gegen die Beitragsordnung geben. Was ist auf Konten oder in Form von Wertpapieren zu finden? Und müssen Gelder wirklich in eigenen Immobilien gebunden werden, für deren Instandhaltung auch noch kontinuierlich erhebliche Mittel aufgebracht werden müssen.
Schätzungen gehen davon aus, dass nicht nur bei der Kammer in Nordrhein ein unzulässiges Vermögen angehäuft wurde, sondern dass auch in anderen Kammerbezirken massive Rücklagen aufgebaut wurden, die womöglich sogar ein Vielfaches des Jahreshaushalts umfassen. Und damit nicht genug: Was liegt eine Ebene höher bei der Abda, was bei deren wirtschaftenden Töchtern? Und was in anderen standesnahen Organisationen und Beteiligungen?
Öffentliche Informationen dazu gibt es kaum. Obwohl die Kammern als Körperschaften öffentlichen Rechts zum Teil hoheitliche Aufgaben übernehmen, ist es mit Transparenz bezüglich der Finanzen oft nicht allzu weit her. Gegenüber den Aufsichtsbehörden wird zwar Rechenschaft abgelegt, und auch bei den Kammer- oder Vertreterversammlungen steht das Thema regelmäßig auf der Tagesordnung. Doch im Grunde bekommt nur der jeweilige Haushalts- oder Finanzausschuss die Gelegenheit, sich intensiver mit der Materie zu befassen. Als normales Mitglied und damit Beitragszahler bekommt man in der Regel überhaupt keinen Einblick.
Bei den Verbänden sieht es ähnlich aus. Bei den Mitgliederversammlungen werden mitunter Excel-Tabellen an die Wand geworfen und Einnahmen und Ausgaben im Schnelldurchlauf heruntergebetet. Wie es bei den Beteiligungen läuft, etwa bei standeseigenen Rechenzentren, bleibt ebenfalls einem kleinen Kreis an Eingeweihten vorbehalten. Müssen Entscheidungen über nahestehende Einrichtungen wie die Unterstützung des Zentrallaboratoriums (ZL) oder die Anschlussfinanzierung der Verbändetochter Gedisa getroffen werden, die die Mitglieder zuletzt einen Millionenbetrag zusätzlich kosteten, bleiben die Unterlagen allzu oft im Ungefähren.
Bei der Abda wird am 1. Juli über den Haushalt beraten. Der Gesamtvorstand hat das Zahlenwerk schon beschlossen, die Mitgliederversammlung soll nun noch zustimmen. Alle Beteiligten mussten Vertraulichkeitserklärungen unterschreiben – und das, obwohl die Beiträge der Kammern und Verbände und damit der Apothekerinnen und Apotheker den Löwenanteil des Budgets ausmachen. Auch hier gibt es erhebliche Rücklagen: 45 Millionen Euro gebunden in Immobilien, weitere 11 Millionen Euro auf den Geschäftskonten. Das ist mehr als das Doppelte des aktuellen Haushaltsvolumens in Höhe von 25 Millionen Euro.
Dennoch sollen die Beiträge weiter steigen, denn die unter anderem über Zwangsabos finanzierten Gewinne der wirtschaftenden Tochter Avoxa sollen nur noch in geringem Umfang zur Finanzierung des Haushalts abgerufen werden. Doch auch dort liegen schon Rücklagen in Millionenhöhe. Wozu das alles?
Das Geld, so hatte man es bei der Abda schon vor einem Jahr diskutiert, soll in eine Rücklage für die eigenen Immobilien fließen. Das Berliner Apothekerhaus wurde zwar erst vor einigen Jahren fertiggestellt, hat aber diesbezüglich anscheinend längst ein Eigenleben entwickelt. Ohnehin wird gerne argumentiert, dass man etwa als Kammer mit eigener Immobilie eine zusätzliche Verantwortung habe. Da beißt sich die Katze in den Schwanz – und frisst die Beitragsgelder ihrer Mitglieder.
Apropos Immobilien: Im Zusammenhang mit der Krise bei Noventi tauchte plötzlich eine Grundstücksgesellschaft namens B.A.G. auf, die rund 10 Millionen Euro an Finanzanlagen und Barbestand auf der hohen Kante hatte. Dem bis dahin weitgehend unbekannten Gemeinschaftsunternehmen der Verbände Baden-Württemberg und Bayern gehört das Grundstück, auf dem das Rechenzentrum seinen Sitz hat.
Welche geheimen Schatzkisten gibt es noch im Imperium von Abda & Co.? Das Urteil aus Düsseldorf sollte zum Anlass genommen werden, alle Winkel zu durchleuchten und Transparenz zu schaffen. Und nicht benötigte Rücklagen aufzulösen, um die Apothekerinnen und Apotheker endlich zu entlasten.