Nutzenbewertung

Gabelmann: Pakt gegen EU-Kommission schmieden

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Berlin -

Kürzlich hat die EU-Kommission einen Verordnungsentwurf vorgelegt, der die Nutzenbewertung von Arzneimitteln und Medizinprodukten in sämtlichen EU-Ländern vereinheitlichen will. Dadurch erhofft sich die EU-Kommission mehr Transparenz und bessere Daten über die Versorgung. Bei den Pharmaherstellern hatte der Vorstoß ein gemischtes Echo ausgelöst. Jetzt hat Apothekerin Sylvia Gabelmann, Gesundheitsexpertin der Fraktion Die Linke, die gesundheitspolitischen Sprecher alle Fraktion außer der AfD eingeladen, einen parteiübergreifenden Pakt dagegen zu schmieden.

In einem offen Brief kritisiert Gabelmann, dass der EU-Plan tief in die nationalen Regelungen in Deutschland eingreife. Selbstverständlich bestünden keine Bedenken gegen Bemühungen der EU-Kommission, die Situation in denjenigen Ländern zu verbessern, in denen derzeit Defizite bei der Nutzenbewertung von Arzneimitteln und Medizinprodukten vorlägen, wenn sich diese an den besten und bewährtesten Standards ausrichten würden. „Es besteht bei dem Vorhaben der EU-Kommission jedoch die Gefahr, dass durch die geplante Vereinheitlichung den unterschiedlichen Ausformungen bei den sozialen Sicherungssystemen der einzelnen Mitgliedstaaten künftig nicht mehr ausreichend Rechnung getragen und das Niveau zum Teil abgesenkt wird“, so Gabelmann.

Sowohl Krankenkassen als auch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hätten bereits ihre Bedenken in diese Richtung deutlich gemacht. Die hohe wissenschaftliche Qualität des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit (IQWiG) „wird nach meiner Wahrnehmung lagerübergreifend sehr geschätzt und ist eine Grundlage für gute Versorgungsqualität“. In dem Entwurf der Kommission fehlten elementare Festlegungen, die mit der von der Regierung aus Union und FDP eingeführten Nutzenbewertung in Deutschland selbstverständlich geworden seien.

Das betreffe etwa die Anwendung der evidenzbasierten Methodik, die Berücksichtigung des gesamten verfügbaren Wissens und die Transparenz darüber, wie die Entscheidungen zur Erstattungsfähigkeit letztlich zustande kommen. Gabelmann: „Der Kommissionsentwurf droht hier für Deutschland zu einem gravierenden Rückschritt zu führen.“

Zudem greife der neue Richtlinienentwurf tief in Regelungen ein, die bislang aus guten Gründen den einzelnen Mitgliedsstaaten vorbehalten seien. Die Entscheidung darüber, unter welchen Bedingungen ein Arzneimittel in die Versorgung gelangt, sei nach dem Verständnis der Fraktion Die Linke gesundheitspolitisch und nicht primär wirtschaftspolitisch zu fällen. Zudem unterscheide sich die versorgungsbezogene Bewertung des IQWiG grundlegend etwa von der ökonomisch fokussierten Bewertung in Großbritannien.

„Die Nutzenbewertung von Arzneimitteln beruht auch auf einem normativ unterschiedlichen gesellschaftlichen Konsens“, so Gabelmann. Auch deswegen dürfte eine Vereinheitlichung nur schwer zu vermitteln sein. Der Bundestag könne der Bundesregierung für die Verhandlungen im Europäischen Rat den Rücken stärken. Gabelmann: „Ich lade Sie ein, über Möglichkeiten zu sprechen, wie wir gemeinsam entsprechend dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) unsere Erwartungen und Vorstellungen bezüglich der Fortsetzung einer qualitativ guten Arzneimittelbewertung in Deutschland bei der Diskussion um den Richtlinienentwurf der EU-Kommission einbringen können.“

Bei den Herstellerverbänden hatte der Vorstoss der EU-Kommission unterschiedliches Reaktionen hervorgerufen. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) begrüßte grundsätzlich die Absicht, ein einheitliches europäisches Vorgehen für die klinische Bewertung von Arzneimitteln zu etablieren. Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Weiser will die nationale Hoheit aber nicht preisgeben: „Wichtig ist, dass Erstattung und Preisgestaltung von Arzneimitteln weiterhin in nationaler Kompetenz bleiben. Um lokale Versorgungsrealitäten zu berücksichtigen, muss nationalen Entscheidungskompetenzen genügend Spielraum gelassen werden.“

Positiver bewertete der Verband der forschenden Arznemittelhersteller (vfa) den Plan: Von der jetzt beginnenden Debatte über europäische Standards in der Nutzenbewertung könne Deutschland profitieren. „Vor allem die engere Verzahnung von Zulassungsbehörden und Nutzenbewertungsinstanzen im Arzneimittelsektor wäre ein echter Schritt nach vorne. Ein Konsens, wie Arzneimittelstudien gestaltet sein sollten, würde allen Beteiligten bei der Umsetzung helfen“, so Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer.

Nein sagt dazu hingegen der GKV-Spitzenverband: „Diesen Schritt können wir nicht gut heißen, denn wir befürchten die Absenkung der hohen Standards, die wir in Deutschland für die Bewertung von neuen Medikamenten haben. Zusammenarbeit der EU-Mitglieder bei der wissenschaftlichen Bewertung von neuen Arzneimitteln ja, aber eine Absenkung des Niveaus durch Vereinheitlichung auf einem niedrigeren Standard nein“, so Vorstandsvize Johann-Magnus von Stackelberg.

Auf heftige Kritik stieß der Vorstoß auch bei der AOK: Deutschland sei das Land in Europa, in dem Patienten unmittelbar Zugang zu allen neuen zugelassenen Arzneimitteln hätten. „Die Nutzenbewertung ist daher unsere einzige Möglichkeit, wirklich innovative und gute Arzneimittel von Nachahmerprodukten zu trennen und die Preise zu verhandeln“, so Verbandschef Martin Litsch.

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