ApoRetro – Der satirische Wochenrückblick

Eckpunktepapier: BMG plant Notdienstbusse

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Berlin -

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Notdienstversorgung auf neue Füße stellen. Oder präziser: auf neue Räder. 188 Notdienstbusse sollen die Bevölkerung nachts auch im entlegensten Winkel mit Arzneimitteln versorgen. Das Geld dafür soll von den Apotheken kommen.

Wie muss man sich das eigentlich vorstellen, wenn Lauterbach seinem Stab eine seiner neuen verrückten Ideen präsentiert? Trommelt er morgens seine Abteilungsleiter zusammen und unterrichtet sie darüber, wovon er in der Nacht geträumt hat und was jetzt zügig umzusetzen ist? Spricht er seine Eingebungen in ein Diktiergerät, wenn er abends bei „Markus Lanz“ in der Maske sitzt, und lässt er seine Sekretärin dann das Band am nächsten Tag abtippen? Oder hat er ein kleines Buch, in das er mit krakeliger Schrift nur Stichpunkte einträgt? Und vor allem: Widerspricht ihm eigentlich noch irgendjemand aus Leitungsebene oder Fachabteilung oder meldet wenigstens Bedenken an?

Die näheren Umstände, wie es zu Gesundheitskiosken und Cannabis-Clubs, zu Dringlichkeitsliste und Light-Apotheken oder auch akutell zu Vouchern für KHK-Checks gekommen ist, kennt die Öffentlichkeit nicht. Aber die Genese eines weiteren Eckpunktepapiers gibt jetzt einen kleinen Einblick, wie Lauterbach tickt. Denn diesmal war die Apothekerschaft live dabei, als der Minister eine neue Alternativstruktur für sie ausheckte.

Kurz weggenickt

Passiert ist das Ganze am gestrigen Freitag beim Besuch der Abda. Was gingen ihm diese Frau und ihr Begleiter doch auf den Keks? Endlos lange schon plapperten sie auf ihn: Was die Apotheken in der Pandemie nicht alles geleistet hätten, warum sie jetzt dringend mehr Geld bräuchten und dass Filialen ohne Rezeptur und Notdienst keine Lösung für die die Menschen auf dem Land seien.

Und da passierte es: Lauterbach nickte kurz weg, das monotone Gebrabbel von Existenzsorgen und Nachwuchsproblemen rückte in den Hintergrund. Ein kleiner Junge, der wohl er selbst war, winkte ihm von einer Blumenwiese entspannt und zufrieden zu. Aber dann, plötzlich, veränderte sich die Stimmung: Dasselbe Kind, aber nachts, im strömenden Regen vor einer Apotheke, mit traurigem und fiebrigem Blick. Die Mutter heftig diskutierend mit der Apothekerin, die wild mit den Armen ruderte und von fehlender Wertschätzung, Bürokratiewahnsinn und verfehlter Gesundheitspolitik sprach und dann aufgebracht die Notdienstklappe schloss. In dem Moment fuhr ein Eiswagen vor, wie Lauterbach ihn aus seiner Kindheit kannte. Am Steuer eine gute Fee, die mit einem kleinen Glöckchen bimmelte und dem kleinen Kind mit einem freundlichen Lächeln sein Lieblingseis überreichte.

Lauterbach schreckte auf, und noch bevor seine Gäste ihre Fassung zurückfanden und weitersprechen konnten, rief er seiner Büroleiterin „Mitschreiben!“ zu und begann zu diktieren: „Apothekennotdienstentlastungs- und -versorgungsmobilisierungsgesetz. ApoNotEntVersMobG.“

Notdienstbus statt -apotheke

Kurz zusammengefasst: Weil einerseits Notdienstapotheken nie dort sind, wo sie gerade gebraucht werden, und andererseits die Apothekerinnen und Apotheker über die zunehmende Belastung klagen (nicht zuletzt weil immer mehr Betriebe schließen, was aber parallel durch die Zulassung von Light-Filialen angegangen wird), wird das Notdienstsystem auf eine mobile Lösung umgestellt: Bis zu 188 Busse bundesweit übernehmen anstelle der Apotheken die Versorgung der Patientinnen und Patienten in der Zeit zwischen 18 Uhr abends und 9 Uhr morgens. Wer einen entsprechenden Bedarf hat, kann den Notdienstbus ganz einfach rufen über eine eigens eingerichtete Hotline (117 118, nicht zu verwechseln mit 116 117 für den ärztlichen Bereitschaftsdienst).

Als Betreiber zugelassen sind neben den Krankenkassen auch Unternehmen des kommunalen ÖPNV sowie die Deutsche Bahn AG. Finanziert wird die Dienstleistung über die bekannte Notdienstpauschale, Bemessungsgrundlage ist die Anzahl der gefahrenen Kilometer. Der Nacht- und Notdienstfonds (NNF) wird aufgelöst und in eine staatliche Nacht- und Notdienstagentur (NNA) überführt. Das Personal muss lediglich über einen entsprechenden Führerschein verfügen. Bei Beratungsbedarf können Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter der Gesundheitskioske zugeschaltet werden, sofern dieses über einen Sachkundenachweis verfügen.

Weiterer Vorteil dieser Lösung: ein Unterschied weniger zwischen Vollapotheke und Light-Filiale.

„Intensive Gesprächsatmosphäre“

Tatsächlich hat Lauterbach seinen beiden Abda-Besuchern keinerlei Zugeständnisse gemacht, außer dass man die geschilderten Probleme prüfen und im Dialog bleiben wolle. Eine „intensive Gesprächsatmosphäre“ soll es gewesen sein. Und man stehe für weitere Termine bereit, resümiert die Abda. „Heute mit Frau Overwiening ⁦⁦@ABDA_Berlin⁩ gesprochen. ⁦@BMG_Bund⁩ plant eine Verbesserung der Apothekenversorgung auf dem Land und in unterversorgten Regionen. Das zielt scheint geeint. Aber bei den Honorarvorstellungen bleiben Konflikte. Trotzdem gutes Gespräch“, twitterte Lauterbach.

Womit der heiße Herbst jetzt auch in der offiziellen Eskalationsphase angekommen sein dürfte. Die vier Stationen für den Protestmonat November sehen wie folgt aus: Hannover (noch nicht entschieden), Dortmund, Stuttgart (noch geheim), Leipzig (noch unklar, jedenfalls nicht Berlin).

Auch die Apothekerinnen und Apotheker in Hessen dürfen mitmachen. Die zuletzt etwas hartleibige Landesapothekerkammer hat den Protest genehmigt – und auch den Notdienstplan wie versprochen reformiert. Statt eines fixen Turnus gibt es ab Januar unregelmäßige Einteilungen, die meisten Kolleginnen und Kollegen sind tatsächlich seltener dran.

Erst Shisha-Teststelle, dann Ozempic-Fälschung

Aufreger der Woche war aber natürlich die Ozempic-Fälschung. Noch ist nicht ganz klar, ob die Ware in den deutschen Markt gelangt ist und ob beziehungsweise welcher Wirkstoffe enthalten ist. Die Pens sehen verdächtig nach Apidra aus, und dann könnte die Anwendung schnell tödlich sein. Aber die Laboranalysen sind noch nicht da – und so müssen Apotheken erst einmal alle Packungen öffnen und den Pen in Augenschein nehmen. Selbst dem Hersteller Novo Nordisk geht die Sache zu langsam, er deutete schon einmal an, dass man mal Entwarnung geben könnte. Der Zwischenhändler, bei dem die Ware aufgetaucht war, will sich nicht äußern. Das Unternehmen existiert gerade einmal seit drei Jahren und hatte zuletzt in einer Shishabar eine Teststelle betrieben. Schönes Wochenende.

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