Sozialministerium lässt Apothekerin abblitzen

„Den allermeisten Apotheken geht es gut, teilweise sogar sehr gut“

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Berlin -

Dass die Apotheken im Kampf um mehr Geld auf Widerstand stoßen würden, war zu erwarten. Und dass es dabei auch zu unschönen Vorhaltungen kommen könnte, ist auch keine große Überraschung. Anke und Kirjak Groitzsch aus Leipzig mussten sich vom Pharmaziedirektor des sächsichen Gesundheitsministeriums belehren lassen, dass Apotheken zu den Besserverdienern in Deutschland gehören.

Die Inhaberin der Lipsia-Apotheke und ihr Mann hatten im Juni einen Brief an Gesundheitsministerin Petra Köpping geschickt. Die SPD-Politikerin war zum Protesttag in der Leipziger Volkszeitung mit der Aussage zitiert worden, dass zur Wahrheit auch gehöre, dass das Honorar der Apotheken mit zahlreichen Maßnahmen der Politik erhöht worden sei.

Diese Aussage wollten die beiden nicht im Raum stehen lassen. Die flächendeckende Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit Arzneimitteln sei massiv gefährdet, denn das Apothekenhonorar sei, wenn man Centbeträge unberücksichtigt lasse, beim Stand von 2004 eingefroren. Die Arzneimittelausgaben stiegen vor allem wegen der Hochpreiser, was zwar zu hohen Umsätzen, aber geringen Roherträgen führe. Diese bildeten nicht annähernd das Ausfallrisiko etwa wegen Nullretaxation, die Vorfinanzierungskosten oder auch die zahlreichen unvergüteten Leistungen ab.

Mehr Aufgaben, mehr Geld

Die Anhebung des Kassenabschlags mit angeblichen Mehreinnahmen zu begründen, finden die beiden unfair: „Dienstleistungen während der Pandemie konnten bei weitem nicht von allen Apotheken ausgeübt werden und sind auch inhaltlich neue Geschäftsfelder, welche selbstverständlich bedingt durch Personalbedarf und Infrastruktur separat zu vergüten sind. Auch die Einführung der sogenannten pharmazeutischen Dienstleistungen sind zusätzliche Möglichkeiten Umsätze zu generieren aber nur unter der Voraussetzung auch Personal dafür vorhalten zu können und die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen.“

Die „unreflektierte Wiedergabe von Äußerungen des BMG“ sei „hochgradig gefährlich und substanziell nicht haltbar“, heißt es in dem Brief. Ebenso ist es wenig hilfreich sei es, einzelne Leistungserbringer wie Pflegepersonal und Apothekenangestellte gegeneinander auszuspielen, wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach es auf Twitter versucht habe – obwohl die Tarifverträge ein genau gegenteiliges Bild zeichneten. „Wo bleibt da eine faktenbasierende Kommunikation?“ Wenn man sparen wolle, solle man bei den Verwaltungs- und Werbeausgaben der Kassen anfangen oder bei der Mehrwertsteuer.

Die Antwort kam nur zwei Tage später und war kurz und knackig: Dass das Honorar der Apotheken mit zahlreichen Maßnahmen der Politik erhöht wurde, lasse sich an Beispielen gut belegen, schrieb Pharmaziedirektor Rico Schulze im Namen der Ministerin. „Um nur drei zu nennen: Es wurden 1.) eine Nacht- und Notdienstpauschale sowie 2.) eine gesonderte Botendienstvergütung eingeführt und 3.) die Vergütung bei der Abgabe von Betäubungsmitteln erhöht.“

Äpfel und Birnen

Für ihn ist damit klar: „Auch diese Maßnahmen haben dazu geführt, dass die wirtschaftliche Lage der allermeisten öffentlichen Apotheken im Freistaat Sachsen heute gut, teilweise sogar sehr gut, ist.“ Ausweislich der Angaben der Abda habe der durchschnittliche Betriebsgewinn je Apotheke im Jahr 2022 bei 163.000 Euro gelegen. „Und ohne Äpfel mit Birnen vergleichen oder Personen gegeneinander ausspielen zu wollen, gehört es zur Wahrheit darauf hinzuweisen, dass das Medianeinkommen in Deutschland deutlich unter 50.000 Euro liegt.“

Das Lauterbachsche Zitat, das das Paar in seinem Brief angesprochen hatte, sei zwar korrekt, aber aus dem Zusammenhang gerissen worden: Die Aussage, man habe es es mit der Ökonomisierung übertrieben, habe sich ausschließlich auf die Vergütung der pharmazeutischen Hersteller bezogen. „Denen hat das ‚Ökonomisieren‘ die Luft so weit abgeschnürt, dass sich ein Inverkehrbringen bestimmter Arzneimittel schlicht nicht mehr lohnte. Mit dem Honorar der Apotheken hatte diese Aussage des Bundesministers nichts zu tun.“

Die Einladung, diese und andere Themen telefonisch oder auch persönlich im Ministerium weiter zu diskutieren, hat das Paar nicht angenommen. „Die Antwort spiegelt deutlich, dass nicht einmal kausale Lieferketten verstanden werden. Da fehlt uns jegliche Motivation, die Sache weiter zu verfolgen oder richtigzustellen.“

„Jede Maßnahme zählt“

Zwar sei es ernüchternd, wie wenig sich die Politik für die Apotheken interessiere, sagt Anke Groitzsch. Aber unterkriegen lassen will sie sich dennoch nicht. Am Protesttag hat sie mitgemacht und auch an der dreistündigen Schließung in der kommenden Woche will sie sich beteiligen. „Wir müssen lauter werden, keine Frage. Jede noch so kleine Maßnahme zählt, damit wir Apotheken auf uns aufmerksam machen.“

Eins ist für sie aber auch klar: „Wir dürfen dabei unsere Zuversicht nicht verlieren. Es muss wieder nach vorne gehen.“ Dieses Mindset will sie ihrem Team vermitteln – und auch an die nächste Generation weitergeben. Ihre Tochter jedenfalls hat sich gerade entschieden, Pharmazie zu studieren. Das freut die Apothekerin: „Wenn wir unseren Enthusiasmus verlieren und uns in diese Abwärtsspirale begeben, dann brauchen wir unsere Apotheke morgens gar nicht mehr aufzumachen.“

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