Der CDU-Bundestagsabgeordnete Lars Ehm und Bürgermeister Carsten Wewers haben sich in Oer-Erkenschwick über die schwierige Lage der Apotheken informiert und mögliche Lösungsansätze erörtert. Sieben Apotheken versorgen derzeit die 31.000 Einwohner der Stadt – doch in den kommenden Jahren wird fast die Hälfte schließen müssen, wie die beiden Inhaber:innen Katrin Beier und Niko Perpinias erklärten. Der Grund sei vor allem wirtschaftlicher Natur.
Das Gespräch sei auf Einladung von Bürgermeister Wewers zustande gekommen. Im Rathaus hätten sich Politik und Apotheker getroffen, um über die Ursachen des Apothekensterbens sowie mögliche Lösungen zu diskutieren. In den vergangenen zwei Jahrzehnten habe fast jede dritte Apotheke im Kreis Recklinghausen schließen müssen.
Die Schließungswelle flache keineswegs ab. Bundesweit seien zehn Prozent der Apotheken defizitär, weitere 25 Prozent wirtschaftlich gefährdet. „Sie sind nur deshalb noch nicht geschlossen, weil sich die Inhaber selbst ausbeuten“, sagt Jan Harbecke, Vorstandsmitglied des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL), der ebenfalls an diesem Krisengespräch teilgenommen hat.
Sollten weitere Apotheken schließen, könnten die verbleibenden Betriebe die Patienten nicht ohne Weiteres versorgen, da die Kapazitäten begrenzt seien, warnen die Apotheker. Tagsüber könnten sich Warteschlangen bilden, und insbesondere im Nacht- und Notdienst würden die Wege für die Patienten länger. Schon heute gebe es Quartiere und Regionen, in denen keine Apotheke mehr vorhanden sei, so Harbecke.
Der Hauptgrund für das Apothekensterben sei klar: „Die staatlich geregelte Vergütung ist seit nunmehr 20 Jahren nicht mehr nennenswert erhöht worden“, erklärt Beier. Zugleich aber seien die Personalkosten in den vergangenen zehn Jahren um 75 Prozent gestiegen und die Sachkosten um 41 Prozent. „Wir Apotheken können aber – anders als andere Branchen – diese Kostensteigerungen nicht an den Verbraucher weiter geben“, sagt Beier. Denn die Preise für verschreibungspflichtige Arzneimittel sind festgelegt.
Die Lage werde zudem durch überbordende Bürokratie und ungleiche Wettbewerbsbedingungen mit dem ausländischen Versandhandel verschärft, ergänzte Perpinias. So müssten Apotheken vor Ort Gemeinwohlleistungen erbringen – etwa Nacht- und Notdienste oder die Herstellung individueller Arzneimittel, wenn für einen Patienten kein passendes Fertigpräparat verfügbar sei.
„Im Falle von Lieferengpässen suchen wir zudem nach Lösungen, um die Patienten dennoch versorgen zu können. Dieser zusätzliche Aufwand wird uns gerade einmal mit 60 Cent vergütet“, so Harbecke. Solche Sonderleistungen müssten künftig kostendeckend honoriert werden.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Lars Ehm war vor seiner Wahl insgesamt elf Jahre im NRW-Gesundheitsministerium tätig. Aus dieser Zeit wisse er: „Ohne das flächendeckende Apothekennetz wäre die Corona-Pandemie nicht beherrschbar gewesen.“ Mit Blick auf weitere drohende Krisen dürfe man nicht zulassen, dass diese Struktur wegbreche. „Denn wenn sie erst einmal zerstört ist, werden wir sie so schnell nicht mehr aufbauen können“, warnte er.
Zugleich betont Ehm, dass die künftige schwarz-rote Koalition in Berlin die Problematik erkannt habe und im Koalitionsvertrag ein umfassendes Maßnahmenpaket verankert sei – von einer Anpassung der Vergütung über den Abbau bürokratischer Hürden bis hin zu neuen Leistungen für die Apotheken vor Ort, insbesondere im Bereich der Prävention.
Zwar begrüßten auch die Apotheker:innen und Bürgermeister Wewers, dass die Apotheken im neuen Koalitionsvertrag berücksichtigt werden, zugleich mahnten sie jedoch eindringlich, dass die Hilfe rasch erfolgen müsse – andernfalls stünden Hunderte weitere Apotheken vor dem Aus.
„Wenn die Politik nicht rasch handelt, dann weiß ich nicht, wie lange meine Apotheke noch bestehen kann“, so Beier. Im Jahr 2018 erst habe sich die junge Apothekerin selbstständig gemacht. „Ich setze auf die örtlichen Apotheken. Die persönliche Beratung und das Vertrauensverhältnis sind nicht zu ersetzen“, versicherte Ehm. „Zugleich sehe ich die Gefahr, dass
Versorgungsstrukturen unwiederbringlich wegbrechen, wenn wir zu lange warten.“
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