Kassen loben Light-Filialen

Approbierte als „Teleassistenz“

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Berlin -

Im Grunde war es gar nicht anders zu erwarten: Die Krankenkassen finden die Liberalisierungspläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gut. In seiner Stellungnahme zum Digitalgesetz (DigiG) hat sich der GKV-Spitzenverband erstmals offiziell zur Idee der Light-Filialen geäußert. Und auch der BKK Dachverband zeigt einmal mehr, in welche Richtung er das Gesundheitswesen entwickeln möchte.

„Telepharmazie und Teleassistenz durch Fachpersonal stärken. Assistierte Telemedizin streichen“, lautet das Fazit der Kassen zum Vorschlag im DigiG, Videosprechstunden in Apotheken einzuführen – und zu vergüten. „Die Erbringung assistierter Telemedizin durch Apotheken, wie sie der Entwurf vorsieht, wird kritisch bewertet. Diese sind nicht geeignet, vertragsärztliche Praxen zu entlasten, sondern bieten lediglich Unterstützung der Versicherten in der Inanspruchnahme“, heißt es in der Stellungnahme.

Die Kassen sehen insbesondere das Problem, dass diejenigen Versicherten, die nicht selbst in der Lage sind mit dem Arzt zu chatten, auch gar keinen Vorteil in einer telemedizinischen Leistungserbringung haben. „Vielmehr sind weitere Unterbrechungen in der Behandlungskontinuität und zusätzliche unnötige Arztkontakte durch Videosprechstunden mit unbekannten Ärztinnen und Ärzten zu erwarten.“

Approbierte als „Teleassistenz“

Und dann kommt der Verweis auf die geplanten Light-Filialen: „Erhebliches Potenzial besteht hingegen in der Arzneimittelversorgung durch Telepharmazie, mit der pharmazeutisches Fachpersonal in Filialapotheken mit Teleassistenz von approbierten Apothekerinnen beziehungsweise Apothekern in der Hauptapotheke tätig werden kann.“

Grundsätzlich werde übriegns die Einbindung von Apotheken zur Erbringung klar abgegrenzter medizinischer Leistungen begrüßt. Aber es bleibe eben unklar, welche Tätigkeiten vom Begriff „einfache medizinische Routineaufgaben“ umfasst und welche Tätigkeiten davon abzugrenzen seien – Stichwort: pharmazeutische Dienstleistungen. „Ohne eine Konkretisierung des Begriffs beziehungsweise ohne Abgrenzungskriterien bestünde die Gefahr, dass unwirtschaftliche Doppelstrukturen aufgebaut werden.“

Fraglich sei übrigens auch, wie die Anleitung zur Inanspruchnahme von Telemedizin aussehen könnte und welchen Mehrwert Patientinnen und Patienten hätten. Vielmehr besteht aus Sicht der Kassen „das Risiko eines zusätzlichen Aufbaus von unwirtschaftlichen Doppelstrukturen“. Ein weiterer wichtiger Aspekt wäre der Umgang mit der ärztlichen Schweigepflicht, wenn Apothekenpersonal in der Videosprechstunde mit anwesend sei.

Apothekenbus statt Videokabine

Schließlich seien auch strukturelle Fragen ungeklärt: In Regionen mit geringer Ärztedichte sei tendenziell auch die Apothekendichte gering. „Während die Arzneimittelversorgung in Regionen mit geringer Dichte durch flexible und neuartige, gegebenfalls auch mobile Angebotsformen sichergestellt werden kann, müssen telemedizinische Leistungen in Apotheken ‚ortsfest‘ erbracht werden. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob durch diese neuen Leistungen auch ein vereinfachter Zugang zu Leistungen des Gesundheitssystems gewährleistet wird.“

Und als ob all das noch nicht genug wäre, sehen die Kassen aufgrund der „Verflechtung von Vertragsarztpraxen und Apotheken durch die Integration ärztlicher Leistungen in Apotheken“ die Gefahr von Interessenskonflikten. Die gelte für die Therapie- oder Arzneimittelauswahl genauso wie für die freie Apothekenwahl.

„Vor diesem Hintergrund lehnt der GKV-Spitzenverband die Erbringung assistierter Telemedizin durch Apotheken ab. In dieser Form sind diese Leistungen nicht geeignet, vertragsärztliche Praxen zu entlasten.“

Miete für Kabine

Ähnlich argumentiert der BKK Dachverband, der direkt vorrechnet, dass alleine für die Kabine eine Miete von rund 500 Euro im Monat fällig werden könnte. „Eine Finanzierung dieser Ausstattung durch die GKV, die unter Umständen ungenutzt bleibt und lediglich vorgehalten wird, ist abzulehnen.“

Denn fraglich sei, inwieweit die assistierte Telemedizin überhaupt genutzt werde. „In der Regel dürfte der Bedarf eher bei der älteren Bevölkerung liegen. Jüngere Menschen haben die erforderliche technische Ausstattung zu Hause. Ältere Menschen konsultieren in der Regel lieber die Praxis ihres Vertrauens, in der sie bekannt sind. Das Angebot der telemedizinischen Leistung in der Apotheke erfolgt dann jedoch durch eine andere Arztpraxis. Offen ist auch, wie gewährleistet werden kann, dass ein telemedizinischer Arzt zu dem Zeitpunkt verfügbar ist, zu dem die Apotheke aufgesucht wird.“

Kiosk statt Apotheke

Bei der Erbringung einfacher medizinischer Routineaufgaben sehen die Betriebskrankenkassen auch ganz woanders: „Angesichts der ohnehin überlasteten Apotheken wäre eine Integration in die Primärversorgungszentren zu bevorzugen. Dort passt die assistierte Telemedizin inklusive der medizinischen Routineaufgaben zur Unterstützung auch wesentlich besser hin.“ Insbesondere in strukturschwachen Regionen könnten so Wegstrecken für Patienten in dünn besiedelten Räumen vermeiden. „Zusätzlich könnte weitere medizinische Expertise über digitale Kooperationen eingebunden werden.“

Die Primärversorgungszentren sollen parallel zu den Gesundheitskiosken mit dem Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) eingeführt werden. Und auch diese werden schon eingeplant: „Es ist vom Bundesministerium für Gesundheit auch bereits angedacht, assistierte Telemedizin in Gesundheitskiosken anzubieten. Keinesfalls sollten parallele Angebote entstehen.“

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