Videoansprache des Ministers

Lauterbach: „Diese Gesetze werden kommen“

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Berlin -

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist beim Deutschen Apothekertag (DAT) per Video zugeschaltet. Nach einer flammenden Rede der Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening verteidigt er seine Politik. Im Video und im Ticker.

Um 14:10 Uhr endet Overwienig, stehende Ovationen. Lauterbach ist auf dem Bildschirm zu sehen, guckt eiskalt in die Kamera. Keine Regung.

Der Moderator braucht Zeit, spricht von Paartherapie. Blitzumfrage in der Bild-Zeitung: Zustimmung zur Aktion. Aber es gebe eben auch die FAZ. Neben der Bühne ein rotes Plakat: „6 Fragen = 6 Antworten!!!“

Overwiening kommt zurück auf die Bühne, jetzt mit Warnweste. Spricht von ihrer Enttäuschung über seine Provokation: „Das versteht hier niemand.“ Tosender Apllaus, Trillerpfeifen. Buhrufe. „Die Pläne zeigen, dass sie bereits sind, den Menschen ganz unterschiedliche Qualitäten der Versorgung zuzumuten. Warum wollen Sie den heilberuflichen Beruf jetzt zerstören? Warum kommen Sie jetzt mit einer solchen Hiobsbotschaft heute hier an?“

14:18 Uhr. Lauterbach darf endlich sprechen.

 

„Ich wäre gerne beim Apothekertag gewesen. Wenn ich die Stimmung richtig wahrnehme, wäre es ein Erlebnis gewesen.“ Kabinett, Haushaltsberatung usw. „Ich bin noch rechtzeitig dazugekommen, um Ihre kämpferische Rede anhören zu können.“

Er habe den Eindruck, dass im Saal die Meinung vorherrsche, er hätte eine Geringschätzung für den Apothekerstand. „Das ist absolut falsch.“

Immer wieder habe er darauf hingewiesen, dass Apotheker hochqualifiziert seien und für weitere Aufgaben herangezogen werden sollten. Auch für mehr Verantwortung beim Austausch sei er, bis hin zum Wirkstoff.

Auch Trockenblutuntersuchungen fände er gut. „Aus Apothekern müssen wir mehr rausholen.“ Apotheker würden noch nicht in vollem Umfang eingesetzt. Buhrufe.

Er habe sich nie so eingelassen, dass man in Deutschland zu viele Apotheken habe – das hätten andere Politiker gemacht.

Ich bedauere, dass die Zahl der Apotheken zurückgegangen ist.

Bei den Apotheken habe man kein Überangebot.

Er habe viele Sachen geerbt, die lange liegen geblieben seien. Stichwort: Engpässe. Er wiederholt seine Standards zum ALBVVG.
Er plädiere seit Jahren dafür, das Problem der Lieferengpässe durch ein Gesetz zu lösen. ALBVVG wird auch wirken und die Produktion nach Deutschland und Europa zurückholen. Dass es im ersten Jahr noch nicht wirkt, ist klar. Das Gesetz hätte aber schon zehn Jahre Zeit gehabt, zu wirken.

Bei der Gelegenheit habe er auch Retaxationen ausgeschlossen – „weil ich Ihre hohe Qualifikation achte und mehr nutzen möchte“.

Er spricht von Beirat, High level AG, Dr. Nickel.

„Es ist ganz klar, dass wir die Apotheker mehr befreien müssen von Beschränkungen.“

Dabei sei es richtig, dass es keine Rücksprache mit den Ärzten gebe und auch keine Retaxationen und Regresse.

„Frau Overwiening, da bin ich Ihren Vorschlägen gefolgt.“

Preisschraube bei Generika überdreht, überzogene Ökonomisierung – Krankenhaus, Investoren-MVZ ... Lauterbach spult sein Programm runter. Keine Kapitalinteressen bei Praxen, Versandhandel wolle er nicht ausweiten.

Wir wollen keinen Fremdbesitz bei Apotheken. Die Entökonomisierung betrifft auch Apotheken.

Er bitte auch darum, das nicht zu unterstellen.

Die Herausforderungen könne man nur gemeinsam meistern, man sei ja verabredet für Mitte Oktober.

Jetzt will er auf die Vorschläge eingehen, die „den Weg in die Öffentlichkeit gefunden“ hätten. Zynisches Lachen im Saal. „So haben Sie Zeit gehabt, diese schon zu diskutieren.“ Noch mehr Lachen.

Man werde aber darüber sprechen müssen, wie man die Struktur und das Honorar reformiere.

Diese Gesetze werden kommen.

Man trete jetzt in den Prozess ein, die Vorschläge seien der Startpunkt. „Das sind Initiativen, die Sie von uns gefordert haben und von uns auch verlangen können.“

Beim Mehrbesitz denke man drüber nach, ein bis zwei Filialen mehr zu erlauben. Das habe man auch mit vielen Apothekern gesprochen. „Aber erneut in Apothekerbesitz, kein Fremdbesitz, keine Investoren.“ Die Struktur der Apotheken solle dadurch nicht beschädigt werden.

Die Filialen sollten sich rechnen, „da macht es schlicht keinen Sinn, die komplette Ausstattung überall vorzuhalten“. Hauptapotheken könnten das übernehmen, alles andere verursache nur Kosten. Natürlich sei es unbenommen, auch in Filialen die komplette Ausrüstung vorrätig zu halten. „Das haben viele Apotheker aus der Praxis an uns herangetragen. Wenn es so wäre, dann würden sie eine weitere Filiale erwägen.“

Apotheken seien ja Pioniere der Digitalisierung, warum also keine Telepharmazie, für die man auch eine Honorierung schaffe. „Warum soll dann nicht in einer Filiale die Beratung auch abgedeckt werden.“

Es wird unruhig im Saal.

Öffnungszeiten: „Warum sollen die Öffnungszeiten nicht zwischen Hauptapotheke und Filiale abgestimmt werden?“ Gerade Frauen bekämen die starren Öffnungszeiten nicht hin. So könne man auch den Notdienst verteilen. „So können wir Ihnen zusätzliche Freiheiten geben. Das sind keine Vorgaben, sondern Möglichkeiten.“

Die ersten Besucher verlassen den Saal. Pfiife.

Die Bundesregierung vertritt nicht Position, dass wir zu viele Apotheken haben und konsolidieren müssen. Wir wollen nicht den Versandhandel ausweiten und wir wollen keinen Fremdbesitz.

Das Ganze hätte zum Ziel, die fachliche Qualifikation besser zu nutzen.

Man könne dann auch über andere Dinge sprechen, etwa mehr Vorsorgemedizin in den Apotheken.

Dem Thema der Vergütungsreform wolle er nicht ausweichen, denn diese benötige man. „Sie kennen meine Position, dass ich hochqualifzierte Leistungen als unterfinanziert bewerte, während die kaufmännische Leistung nicht optimal vergütet werde. „Es muss ein anderes Gleichgewicht geben.“

„Ein Apothekensterben hat begonnen. Da ist eine neue Honorierung ein gutes Instrument.“

Es wird erneut an Arzneimitteln fehlen, Apotheken werden viel beraten müssen. „Sie werden in Haft genommen für politische Versäumnisse aus der Vergangenheit.“

Lob für die Arbeit der Apotheken, er wäre gerne gekommen, weiche solchen atmosphärisch aufgeladenen Terminen auch nicht aus.

Ich weiß zu schätzen, dass die Stimmung im Saal hochexkplosiv ist.

Zwei Fragen will er zulassen.

Buhrufe, Pfiffe, Zwischenrufe.

Sechs Fragen habe man gestallt und statt Anworten fast so viele neue Ideen bekommen, so der Moderator.

Overwiening beginnt: Kein Punkt sage ihr zu. Die Vorschläge seien hochbrisant und hochgefährlich. Sie führten zu einer Trivialisierung. Wer damit komme, habe vom Versorgungsalltag in den Apotheken keine Ahnung.

Ursula Funke, Präsidentin der Landesapothekerkammer Hessen, fordert eine auskömmliche Honorierung. Abgabestellen seien überhaupt keine Lösung und bedeuten eine Arzneimittelversorgung zweiter Klasse. „Das ist eine Verschlechterung der Versorgung. Dafür stehen wir nicht zur Verfügung. Sie als Arzt müssten wissen, was Apotheker leisten.“

Lauterbach bittet darum, die Debatte weniger emotional zu führen. Es sei falsch, dass die Filiale nur eine Abgabestelle sei. Die Apotheker seien ja verantwortlich. Eher könnte man dem Versandhandel einen solchen Vergleich führen.

Mit Ihrem Argument müsste man ja sofort den Versandhandel verbieten ...

Lauterbach kann nicht weitersprechen, weil der ganze Saal klatscht und tobt.

Lieber sei ihm eine Filialapotheke, die von einer hochqualifizierten Apothekerin betreut werde, als eine Ausweitung des Versandhandels. Und auch wenn in den Filialen keine Rezeptur gemacht werden müsse, könne dies doch in der Hauptapotheke geschehen. „Sie verlieren doch nichts. Sie bekommen nur Möglichkeiten hinzu.“ Filialapotheken seien keine Abgabestellen – Versandapotheken sind Abgabestellen. In der Filiale bekomme man eine Beratung.

Dr. Hannes Müller von der Apothekerkammer Westfalen-Lippe glaubt nicht an Lauterbachs Bekenntnis zur inhabergeführten Apotheke. Wer noch mehr Filialen zulasse, könne die persönliche Verantwortung nicht ernst nehmen. „Ich bin immer gegen Fremdbesitz gewesen. Die einzige Neuerung ist die, dass im Rahmen der Telepharmazie ermöglicht wird, in ihrer eigenen Filiale Leistungen anzubieten.“

Er droht noch einmal mit dem Versandhandel: „Telepharmazie wird doch um sich greifen. Der Versandhandel wird sie nutzen, vielleicht bald auch mit KI. Da können Sie sich doch selbst nicht diese Möglichkeit nehmen.“

Wie Apotheken dann mit Filialen konkurrieren sollen? „Das ist doch nicht das Problem, das wir haben. Es werden doch gerade nicht mehr, sondern weniger Apotheken. Die wirtschaftlichen Bedingungen sind schlecht.“

Thomas Rochell, Vorsitzender des Apothekerverbands Westfalen-Lippe: „Sind Sie wirklich der Auffassung, dass in den Apotheken gut verdient wird?“

„Ich finde es angemessen und richtig, wenn solche Diskussionen über die Höhe des Honorars transparent und offen geführt werden.“ Zahlen von Destatis zeigten, dass das Einkommen der Apotheken zuletzt zurückgegangen sei. Aber die neuesten Zahlen, die er habe auswerten lassen, zeigten einen durchschnittlichen Reinertrag von 160.000 Euro. „Aber ich weiß, dass viele Apotheken diesen Ertrag nicht haben, obwohl sie einen hohen Aufwand haben.“ Um diese Spreizung zu reduzieren, wolle man das Honorar refomieren. „Eine Neiddebatte ist hier nicht angemessen.“

Dass die Apotheken unter Inflation und gestiegenen Kosten leiden, sei ihm klar. Das wolle man berücksichtigen, er wolle aber jetzt nicht laut darüber nachdenken.

Die Freiberuflichkeit ist unstrittig.

Die Filialapotheken seien kein Zwang, sondern ein Angebot an die Apotheken.

15:01 Uhr. Die Zeit ist abgelaufen. Schlusswort von Overwiening: „Herr Lauterbach, ich werde verlässlich am 13. Oktober kommen, ich hoffe, Sie sind dann auch da.“ Sie habe noch drei weitere Einladungen: „Bitte besuchen Sie mich einmal in meiner Apotheke.“ Die von ihm angesprochenen Apotheker hätten vielleicht einen eingeschränkten Blick. „Ich würde Ihnen alles zeigen.“ Und sie zweitens auch bereit, ihm ihre BWA offenzulegen. „Und dritte Bitte: Beraten Sie sich nicht mit einzelnen Kollegen, um dann Schlüsse für das Gesamtsystem zu ziehen. Es gibt BAK, DAB und Abda – und wir sprechen für die gesamte Apothekerschaft. Wir können beides: die Vogelperspektive und den Blick aus der Basis.“

Lauterbach: „Schauen wir mal, aber wichtig ist, dass wir im Gespräch bleiben.“ Er werde sich auch vom DAT berichten lasse und lese auch in den sozialen Medien. „Ich glaube, ich habe schon ein Gefühl für die Stimmung in den Apotheken.“

 

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