Apothekertag

Aus dem Off zur Digitalisierung

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Düsseldorf -

Die Chancen und Risiken der Digitalisierung in Apotheken – das war das Thema einer Podiumsdiskussion auf dem Deutschen Apotheker (DAT) in Düsseldorf. ABDA-Vize Mathias Arnold erklärte, Apotheker seien als Naturwissenschaftler begeistert von moderner Technik – würden als Heilberufler aber auf den Nutzen für Patienten schauen. Die Frage sei, wie man die Technik so nutzbringend anwenden und ihre Risiken so weit beherrschen kann, das sie gewinnbringend eingesetzt werden könne.

Dr. Axel Wehmeier, Sprecher der Geschäftsführung der Deutschen Telekom Healthcare and Security Solutions, leitet bei dem IT-Verband Bitkom den Arbeitskreis E-Health und kritisiert: „Ich nehme die Apotheker viel zu sehr im Off wahr.“ Er will den drohenden Mangel an Ärzten und Apotheker überbrücken, indem die Leistungserbringer digital unterstützt werden. „Unterstützt, nicht substituiert“, betont er. In Apotheken würde noch viel mit Faxen gearbeitet – „das ist datenschutztechnisch Horror“.

Der Philosoph Professor Dr. Carl Friedrich Gethmann von der Universität Siegen gab zu bedenken, dass maximaler Datenschutz auch schädlich sein könne und man nicht immer selbstbestimmt handeln könne. Die eigentliche Kategorie sei also nicht die Freiwilligkeit, sondern die Inkaufnahme. In einem sensiblen Bereich wie der Gesundheit müssten Grenzen gebaut werden, diese dürften aber nicht zu hoch sein – denn an anderer Stelle profitiere man davon, dass die Daten genutzt würden.

Wehmeier warb für die geplante Telematik-Infrastruktur: Sie sei das sicherste System, das man habe. Auf der elektronischen Gesundheitskarte seien nur wichtige Notfalldaten hinterlegt, die übrigen Informationen seien dezentral gespeichert, etwa in den Arztpraxen. Mit der Gematik werde eine Parallelstruktur aufgebaut, damit die Gesundheitsdaten gerade nicht über das Internet gingen. Er räumte aber auch ein: „Jeder, der sagt, es gibt einen perfekten Datenschutz, hat keine Ahnung oder lügt.“

Aus Sicht von Hannelore Loskill, der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der BAG Selbsthilfe, ist es wichtig, dass Versicherte auf ihre Daten zugreifen können, etwa über einen Kiosk in der Apotheke. Aus Sicht von Thomas Preis, Verbandschef in Nordrhein, wäre eine Art Kiosk in der Apotheke nur dann eine Lösung, wenn die Apotheke auch strukturell eingebunden wäre, und etwa gleichberechtigt mit dem Arzt am Medikationsmanagement arbeiten könne.

Arnold betonte, dass es eine sichere Möglichkeit geben müsse, auf die Daten zuzugreifen – sowohl für die Apotheken als auch die Patienten. Ein Zugang aus 80 Millionen Zugängen von Zuhause sei sicher nicht die Lösung. Aber auch die Terminals in Apotheken seien technisch noch nicht ausgereift, schließlich würden heikle Gesundheitsdaten im halb-öffentlichen Raum abgerufen.

Loskill forderte außerdem, dass Patienten bestimmte über sie gespeicherte Informationen geheim halten können. Ein Problem sieht sie nicht nur bei HIV-Patienten, die Schwierigkeiten haben, einen Zahnarzt zu finden, sondern auch bei Chronikern, die Angst haben, dass ihr Arbeitgeber etwas von ihrer Krankheit erfährt.

Gethmann kann sich hingegen vorstellen, dass es in bestimmten Fällen durchaus sinnvoll ist, auf Selbstbestimmtheit zu verzichten. So wie der Gesetzgeber vorgibt, Sicherheitsgurte zu tragen – obwohl es nur dem Menschen selbst nutzt – könnte es auch unter Strafe gestellt werden könnte, einem Patienten, der bestimmte Medikamente nicht verträgt, diese Wirkstoffe anzubieten. „Man sollte es nicht übertreiben mit der Selbstbestimmung“, so Gethmann.

Arnold warnte davor, dass das Speichern der Diagnose dazu führen könnte, dass Ärzte nur noch die Beobachtungen angäben, die ihre Diagnose stützten – weil andernfalls Haftungsprobleme und Regresse drohten. Ein weiteres Problem ergebe sich, wenn einzelne Institutionen Interesse an den Diagnosedaten anmeldeten, etwa die Lufthansa auf die psychischen Probleme von Piloten. Es sei sehr schwer, eine Grenze zu ziehen, denn warum sollte dieses Interesse dann nicht auch für Busfahrer und andere Berufe gelten?

Arnold ist allerdings auch überzeugt, dass den Bedenken ein erheblicher Nutzen der Digitalisierung gegenübersteht. Die Antwort auf die Frage, welche Nutzungswege erwünscht seien und welche nicht, müsse aber letztlich die Gesellschaft geben. „Wir können das Dilemma der Patienten nicht auflösen“, erklärte er.

Mit Blick auf Apps erklärte Arnold, die Grenze zum Medizinprodukt sei zwar noch nicht überschritten, „aber es wird so kommen“, zeigte er sich überzeugt. Diese Produkte bräuchten mehr Erklärung und Hinweise zur Anwendung als einfachere Apps – „und da sind wir in der Apotheke“.

Die Apotheke werde in Zukunft eine andere sein, wichtige Aspekte blieben aber bestehen, wie der Grundsatz „Näher am Patienten“ und die Rolle der Apotheker als Fachleute für Arzneimittel. Bei der Honorierung werde man sicher mehr über Ergebnisse reden müssen als über den Weg dorthin.

Einspareffekte sieht Wehmeier beispielsweise bei der Hilfsmittelversorgung: Hohen Prozesskosten stünden geringe Margen gegenüber. Da ließen sich 500 bis 600 Millionen Euro im Jahr sparen. Beim Thema E-Rezept sieht er einen der größten Effizienzbeträge, die man erwarten könne. Auch wenn – etwa über Ferndiagnosen – Personal und damit deutlich mehr Geld eingespart werden könnten, ist der Weg dahin aus seiner Sicht noch viel weiter.

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