Krebsmedikamente

Studie: Teure Medikamente ohne Nutzen

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Berlin -

Krebsmedikamente werden oft ohne Nutzen zugelassen: Mitherausgeberin des British Medical Journal (BMJ) Deborah Cohen erhebt schwere Vorwürfe gegen die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) und belegt diese mit einer im Fachmagazin veröffentlichten Studie.

Für den Großteil der in den Jahren 2009 bis 2013 in Europa zugelassenen Krebsmedikamente gibt es laut Studienergebnis keinen klaren Nachweis für eine Verbesserung von Lebensqualität und Überlebensdauer. Dennoch folgte die Europäische Kommission der Zulassungsempfehlung der EMA und die Arzneimittel wurden in den Markt eingeführt.

Die Studienautoren haben die medizinischen Daten von 48 Arzneimitteln zur Krebsbehandlung in insgesamt 68 Indikationen ausgewertet. Das Ergebnis: In 57 Prozent der Fälle sei es durch die neuen Medikamente zu keiner signifikanten Verbesserung von Lebensqualität und Überlebensdauer gekommen. Nach einem Median von etwa sechs Jahren am Markt hatten nur sechs der 39 Arzneimittel gezeigt, dass sie das Überleben oder die Lebensqualität verbessern können. Von den zugelassenen Arzneimitteln wurden acht Indikationen auf Basis einer Einzelarm-Studie genehmigt.

Zum Zeitpunkt der Marktzulassung gab es in 24 der 68 Fälle eine signifikante Verlängerung des Überlebens – zwischen einem und etwa sechs Monaten. Zum Zeitpunkt der Marktzulassung gab es in nur sieben von 68 Indikationen eine Verbesserung der Lebensqualität.

Eine vergleichbare Studie wurde für Arzneimittel mit Zulassung von der US-Arzneimittelbehörde (FDA) durchgeführt. Diese fand heraus, dass die FDA zwischen 2008 und 2012 die meisten Krebsmedikamente, nämlich 67 Prozent, ohne Beweise für eine Verbesserung der beiden Parameter Überleben und Lebensqualität zugelassen hat. 36 von 54 Medikamenten sind betroffen – von ihnen konnten lediglich fünf Daten liefern, dass sie im Vergleich zur bestehenden Therapieoption oder Placebo nach einem Median von 4,4 Jahren am Markt das Überleben verbessern.

Das BMJ kritisiert zudem die zulassungsrelevanten Studien der Arzneimittel. Denn als primäre Endpunkte wurden beinahe nur sogenannte Surrogat-Marker festgelegt. Diese sind jedoch mit Vorsicht zu betrachten, denn die Mindestanforderung an den Surrogat-Marker ist ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen ihm und dem Phänomen. Die Experten des BMJ bemängeln, „dass diese in den meisten Krebsbehandlungen keine verlässlichen Indikatoren für Überlebensdauer und Lebensqualität sind“. Weiter heißt es: „Obwohl Surrogat-Endpunkte den Vorteil einer schnelleren Medikamentenentwicklung haben, ist es fraglich, ob Studien, die auf Ersatzmassnahmen beruhen, optimale oder sogar aussagekräftige Informationen für Patienten und Kliniken liefern“.

Schwere Vorwürfe erhebt Cohen gegen die EMA. Die Studienautoren hätten methodologische Fehler in Bezug auf Studiendesign, Studienführung, Auswertung und Reporting in den der EMA vorgelegten Zulassungsstudien aufgedeckt, die von den europäischen Experten entweder übersehen oder nicht erkannt wurden. Die Behörde sei „oft allzu nachsichtig gewesen, habe eigene Richtlinien vernachlässigt und übertriebene Toleranz gegenüber fragwürdigen analytischen Vorgehensweisen an den Tag gelegt“. Außerdem wirft Cohen der Behörde Intransparenz vor.

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