Psychopharmaka

Botox gegen Persönlichkeitsstörungen

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Berlin -

Botulinumtoxin könnte emotional instabilen Patienten mit der Persönlichkeitsstörung Borderline helfen. Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und der Asklepsios-Klinik Nord-Ochsenzoll haben dazu erste Ergebnisse im Fachjournal „American Journal of Psychiatry“ veröffentlicht. Sie glauben, dass sich die Botox-Therapie auch auf andere Persönlichkeits- und Impulskontrollstörungen übertragen lässt.

Die Wissenschaftler hatten sechs Borderline-Patientinnen, deren Krankheitssymptome sich zuvor durch Psychotherapie, Antidepressiva und Antipsychotika nicht gebessert hatten, einmalig Botox in die mittlere untere Stirn gespritzt. Die Krankheitssymptome reduzierten sich laut Studie deutlich. Botox dämpfe negative Emotionen und wirke dadurch stabilisierend, zudem lähme es die Muskeln zwischen den Augenbrauen, der sogenannten Glabella.

In diesem Bereich drückt der Mensch negative Stimmungen wie Sorgen und Ängste aus. Botox würde diese Reaktionen hemmen: „Das führt dazu, dass sich die Intensität dieser Emotionen reduziert, denn der Gesichtsausdruck und das psychische Befinden sind eng verbunden: Mimik drückt Gefühle aus, wirkt aber gemäß der sogenannten Facial-Feedback-Hypothese auch auf unsere Stimmung zurück“, so Dr. Marc Wollmer, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie an der Asklepios-Klinik.

„Botox könnte das bisher einzige zugelassene Medikament gegen Persönlichkeitsstörungen werden. Es hat zudem den Vorteil, dass seine Wirkung monatelang anhält“, sagt Professor Dr. Tillmann Krüger von der Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie an der MHH. Außerdem habe das Anti-Falten-Präparat, in niedriger Dosierung gespritzt, kaum Nebenwirkungen.

Hierzulande leiden zwischen 2,4 und 4 Millionen Menschen an der Borderline-Erkrankung. Patienten haben extreme Stimmungsschwankungen und leiden an ausgeprägten negativen Emotionen. Sie sind sehr impulsiv und führen instabile zwischenmenschliche Beziehungen. Da sie oft unter innerer Anspannung stehen, fügen sie sich körperliche Schmerzen und Verletzungen zu. Um die 70 Prozent der Patienten können laut MHH erfolgreich behandelt werden, wenn sie sich auf eine umfassende Psychotherapie einlassen.

Dass Botulinumtoxin seelische Erkankungen positiv beeinflussen kann, hatten die Mediziner bereits vor einigen Jahren bewiesen: Sie fanden heraus, dass es Depressionen schnell, deutlich und anhaltend lindern kann. Der Ausdruck negativer Emotionen wird laut einer Studie über propriozeptive Afferenzen aus dem Gesicht dem Zentralen Nervensystem zurückgemeldet. Depressionen können so aufrechterhalten und verstärkt werden. Die Unterbrechung dieser sogenannten „Facial-Feedback-Schleife“ durch gezielte Hemmung mimischer Muskeln mithilfe von Botox-Injektionen sei ein neuer Ansatz in der Behandlung der Depression.

Bislang ist Botox zur Behandlung bei bestimmten Formen von Spasmen, zur Behandlung der „Reizblase“ sowie bei Migräne und Hyperhidrosis zugelassen. In der kosmetischen Chirurgie wird der Wirkstoff zur Bekämpfung von Falten und Krähenfüßen eingesetzt.

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