Versorgungsmangel

PrEP-Engpass: Lauterbach rät zu Vorsicht

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Berlin -

Weil die Wirkstoffkombination Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil seit Monaten von Lieferengpässen betroffen ist und Therapien unterbrochen werden mussten, haben die Arbeitsgemeinschaft ambulant tätiger HIV-Mediziner:innen (Dagnä), die Deutsche Aids-Gesellschaft (DAIG) und die Arbeitsgemeinschaft HIV-kompetenter Apotheken (DAHKA) mehrfach Alarm geschlagen und vor Kurzem die Feststellung eines Versorgungsmangels gefordert. Jetzt zieht der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) nach und nimmt den Bundesgesundheitsminister in die Pflicht. Doch rechnet mit einer schnellen Entspannung der Lage – und bittet einstweilen um Vorsicht beim Sex.

Im Dezember wurde auf die angespannte Liefersituation der PrEP aufmerksam gemacht und vor Weihnachten warnten Expert:innen vor einem Anstieg an HIV-Neuinfektionen. „Seitdem hat das Gesundheitsministerium diesen massiven Missstand weder öffentlich anerkannt noch angekündigt, endlich dagegen vorzugehen“, so Andre Lehmann, LSVD-Bundesvorstand.

„Dieser Zustand ist nicht hinnehmbar!“ PrEP-Nutzer:innen mussten die HIV-Prophylaxe unterbrechen, weil die wenigen verfügbaren Medikamente für Erkrankte zurückgehalten werden. „Es wird voraussichtlich ein halbes Jahr dauern, bis sich die Situation wieder vollständig normalisiert hat“, mahnt Lehmann.

Der LSVD fordert die Feststellung eines Versorgungsmangels. „Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach muss unverzüglich alle politischen Möglichkeiten ausschöpfen und gesetzlich einen Versorgungsmangel feststellen.“ Das lasse das Arzneimittelgesetz zu. Die Verantwortung für die Versorgungssicherheit mit der PrEP dürfe nicht bei den einzelnen Apotheken und Krankenkassen liegen, die den Import von teureren Ersatzprodukten erstatten könnten.

„Das Bundesgesundheitsministerium muss seine Verantwortung wahrnehmen, damit ein derartiger Engpass in Zukunft nicht mehr vorkommt. Mit der Gesundheit und dem Leben von so vielen, die PrEP zur Vorsorge oder zur Behandlung von HIV einnehmen, darf nicht fahrlässig umgegangen werden.“ Die Wirkstoffkombination müsse priorisiert und als versorgungskritisch anerkannt werden.

Importe und Mehrkosten

Lauterbach sieht die Lage weniger angespannt und äußerte sich in den Sozialen Medien zum Engpass. „Medikamente, die vor Ansteckung HIV schützen, haben Lieferengpässe. Wir werden Importe erlauben und Krankenkassen auffordern, Mehrkosten zu übernehmen. Hersteller werden Produktion hochschrauben. In wenigen Wochen wird sich Lage bessern. Bis dahin bitte vorsichtig sein.“

Dabei hat sich den vergangenen Monaten sich die Lage weiter verschärft. 90 Prozent der HIV-Schwerpunktpraxen sind von Lieferengpässen betroffen, wie eine Umfrage der Dagnä zeigt. Ein Problem. Die Kombination ist hierzulande die einzige, die zur PrEP zugelassen ist.

Rund 40.000 Menschen schützen sich derzeit mit der Einnahme vor einer HIV-Infektion. Aber auch laufende HIV-Therapien mussten umgestellt werden, bestätigen 28 Prozent der Mediziner:innen. Doch nicht immer ist eine Umstellung möglich, beispielsweise wenn die Kombination als Salvage-Therapie eingesetzt wird – wenn andere Behandlungsoptionen ausgeschöpft sind – und es keine Alternative gibt. Dann fehlt ein lebenswichtiges Medikament.

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