Studie der Washington Univerisity

GLP-1-Agonisten: Herzinfarkt-Risiko sinkt, Magenprobleme steigen

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St. Louis/Berlin -

GLP-1-Rezeptor-Agonisten (kurz GLP-1-RA) bieten zwar einen nachweislichen Schutz vor Herzinfarkten, doch ihre Anwendung geht mit einem signifikanten Anstieg von Magen-Darm-Problemen einher. Eine aktuelle Studie beleuchtet die komplexen Risikoverhältnisse der Präparate und stellt die Frage nach der langfristigen Sicherheit für Patientinnen und Patienten.

In einer umfassenden Analyse haben Forschende die medizinischen Vor- und Nachteile von GLP-1-RA untersucht. Zwar senken sie das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall, Demenz sowie für psychische Erkrankungen wie Psychosen und Suchterkrankungen. Gleichzeitig sind GLP-1-RA mit erhöhten Risiken für Magen-Darm-Probleme und Gelenkentzündungen verbunden, wie das Team um Ziyad Al-Aly von der Washington University in St. Louis im Fachblatt „Nature Medicine“ berichtet.

Wirkmechanismen und breiter Einsatzbereich

GLP-1-RA wie Sema- oder Liraglutid erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit und werden in der Regel einmal wöchentlich subkutan verabreicht. Sie wirken, indem sie die Magenentleerung verzögern und somit das Sättigungsgefühl erhöhen, was zu einer reduzierten Nahrungsaufnahme und einer Unterstützung der Gewichtsreduktion führt. Während sich die Wirkstoffklasse bereits als Therapieoption bei Typ-2-Diabetes etabliert hat, steckt ihre Verordnungswürdigkeit zur adjuvanten Gewichtsreduktion in Deutschland vergleichsweise noch in den Kinderschuhen.

Darüber hinaus wird der potenzielle therapeutische Nutzen von GLP-1-RA in der Behandlung weiterer neurodegenerativer Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer weiterhin erforscht. Der Sicherheitsausschuss der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) prüft derzeit, ob Semaglutid das Risiko für plötzlichen Sehverlust im Zusammenhang mit der nichtarteriellen anterioren ischämischen Optikusneuropathie (nAION) erhöhen könnte.

Erkenntnisse aus der Studie

Das Forscherteam wertete eine Datenbank des US-Kriegsveteranenministeriums aus und verglich 216.000 Diabetiker, die GLP-1-RA einnahmen, mit 1,2 Millionen Veteranen, die andere Diabetes-Medikamente verwendeten. Es wurden 175 mögliche gesundheitliche Auswirkungen untersucht, mit einer mittleren Beobachtungszeit von 3,7 Jahren.

Die Ergebnisse zeigen, dass unter der GLP-1-RA-Therapie das Risiko für 42 gesundheitliche Probleme gesenkt wurde, während es bei 19 anderen anstieg. Besonders positive Effekte fanden die Forscher bei Suchtkrankheiten, die mit Alkohol, Opiaten, Tabak oder Cannabis in Verbindung stehen. Auch bei psychotischen Störungen, Demenz, Blutgerinnungsstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Atemwegserkrankungen konnten positive Effekte festgestellt werden. Die Risikominderung lag in den meisten Fällen bei 10 bis 20 Prozent, was auf einen moderaten, aber dennoch positiven Effekt hinweist.

Mögliche Risiken und Nebenwirkungen

GLP-1-RA-Präparate wirken auf Rezeptoren im Gehirn, die mit Belohnung, Impulskontrolle und Suchtverhalten verbunden sind. Das erklärt ihre Wirksamkeit bei der Kontrolle des Appetits und der Linderung von Suchtproblemen. Ein möglicher Rückgang des Demenzrisikos könnte durch die entzündungshemmende Wirkung im Gehirn begünstigt werden. Das reduzierte Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen führt der Gastroenterologe Frank Tacke auf die unterstützende Wirkung beim Abnehmen und den damit verbundenen Lebensstiländerungen zurück.

Neben den positiven Effekten gibt es jedoch auch Risiken. Dazu gehören Magen-Darm-Probleme wie Übelkeit, Erbrechen und Sodbrennen, Gelenkentzündungen, Schlafstörungen sowie ein zu niedriger Blutdruck. In seltenen Fällen können die Medikamente entzündliche Prozesse in Nieren oder Bauchspeicheldrüse auslösen. Tacke erklärt, dass die Magen-Darm-Probleme durch die verlängerte Verweildauer der Nahrung im Verdauungstrakt verursacht werden.

Fazit und Ausblick

Die Studienergebnisse tragen zu einem besseren Verständnis der GLP-1-Rezeptor-Agonisten bei und könnten zu weiteren Forschungen über die langfristigen Auswirkungen dieser Medikamente auf verschiedene Körpersysteme führen. In der klinischen Praxis sollten Ärzte insbesondere auf die Kontrolle des Blutdrucks achten und gegebenenfalls die Einnahme von Blutdrucksenkern anpassen. Auch andere potenzielle Nebenwirkungen der Therapie sollten künftig verstärkt beobachtet werden.

Obwohl die Studienergebnisse insgesamt positiv ausfallen, bleibt die Frage nach einem möglichen erhöhten Tumorrisiko offen. Aufgrund der relativ kurzen Beobachtungsdauer von 3,7 Jahren können keine definitiven Aussagen dazu gemacht werden. Bisher gibt es jedoch keine Hinweise auf ein solches Risiko.

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