Semaglutid, Tirzepatid und Co.

Abnehmspritzen: Essverhalten besser, Depressionen gleich

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Berlin -

Menschen mit Adipositas oder Diabetes haben häufig psychische Beschwerden. Eine aktuelle Metaanalyse zeigt, dass GLP1-Rezeptoragonisten psychiatrischen Nebenwirkungen nicht erhöhen – aber Lebensqualität und Essverhalten verbessern können. Als mögliche zentrale Ursache werden neurobiologische Effekte diskutiert.

Menschen mit Adipositas oder Diabetes leiden häufig unter psychiatrischen Beschwerden, kognitiven Einschränkungen und einer verminderten Lebensqualität. Glucagon-like Peptide-1-Rezeptoragonisten (GLP1-RAs) – wie Semaglutid oder Tirzepatid – die ursprünglich zur Behandlung dieser Stoffwechselerkrankungen entwickelt wurden, könnten darüber hinaus auch neuropsychiatrische Effekte haben.

Laut der Forschenden sind bisherige Studie durch kleine Stichprobengrößen oder die Fokussierung auf einzelne Wirkstoffe nur bedingt repräsentativ. „Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung haben Menschen mit Typ-2-Diabetes ein doppelt so hohes Risiko für Depressionen; bei Adipositas liegt das Risiko um 55 Prozent höher“, schreiben die Wissenschaftler:innen der University of Edinburgh in Kooperation mit dem King’s College London zum Studienanlass.

Repräsentative Metaanalyse mit großer Stichprobe

In ihrer Erhebung analysierten sie die Auswirkungen von GLP1-RAs auf psychiatrische Nebenwirkungen, psychische Symptome, gesundheitsbezogene Lebensqualität und kognitive Funktionen. Die Grundlage bildeten 80 randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studien mit über 107.000 Erwachsenen mit Adipositas und/oder Diabetes, bei einer mittleren Behandlungsdauer von 28 Wochen. Erfasst wurden unter anderem psychiatrische Nebenwirkungen wie Suizidalität oder Schlafstörungen, aber auch Veränderungen psychischer Symptome – beispielsweise Depression oder Essverhalten sowie Lebensqualitätsmaße und kognitive Funktionen.

Im Placebo-Vergleich zeigten sich unter GLP1-RAs keine erhöhten Raten psychiatrischer Nebenwirkungen oder relevante Veränderungen bei depressiven Symptomen, Angst, Suizidalität oder kognitiven Leistungen. Letztere konnten wegen unzureichender Datenlage jedoch nicht metaanalytisch bewertet werden.

Keine Zunahme psychiatrischer Nebenwirkungen

Demgegenüber wurden signifikante Verbesserungen im restriktiven und emotionalen Essverhalten beobachtet. Auch die gesundheitsbezogene Lebensqualität verbesserte sich deutlich – sowohl in ihren mentalen und physischen als auch in ihren diabetes- und gewichtsbezogenen Aspekten. Die Effektstärken lagen laut Einschätzung der Expert:innen im moderaten Bereich und entsprachen etwa denen, die aus früheren Metaanalysen zu antidiabetischen Medikamenten bekannt sind.

Veränderungen in der mentalen Lebensqualität ließen sich nicht durch das Ausmaß der Gewichtsabnahme oder Veränderungen des HbA1c-Werts erklären. Die Forschenden vermuten, dass zentrale Wirkmechanismen eine Rolle spielen könnten – zum Beispiel eine direkte Wirkung auf das Belohnungssystem im Gehirn, Veränderungen bei bestimmten Botenstoffen oder eine erhöhte BDNF-Ausschüttung, ein für Nervenzellen, Lernen und Stimmung wichtiges Eiweiß.

Verbesserte Essverhaltensmuster

Die Autorinnen und Autoren betonen, dass sich aus den Ergebnissen keine direkten Rückschlüsse auf psychiatrische Patientengruppen ziehen lassen, da viele Studien Personen mit psychischen Vorerkrankungen ausschlossen. Effekte auf depressive Symptome oder Essverhalten könnten in diesen Gruppen anders ausfallen. Hinweise deuten darauf hin, dass GLP1-RAs bei Essstörungen wie Binge-Eating wirksam sein könnten – ein mögliches neues Anwendungsgebiet für zukünftige Untersuchungen.

Insgesamt werten sie die Ergebnisse als Hinweis auf die psychische Sicherheit von GLP1-RAs und deren möglichen Beitrag zum psychischen Wohlbefinden bei Adipositas oder Diabetes. Ob die Effekte neurobiologisch bedingt sind und wie sich die Wirkstoffe bei psychiatrischen Patient:innen auswirken, sollen weitere Studien klären.

Die Studie mit dem Titel „Glucagon-Like Peptide 1 Receptor Agonists and Mental Health: A Systematic Review and Meta-Analysis“ wurde an der University of Edinburgh in Kooperation mit dem King’s College London durchgeführt und kürzlich in der Fachzeitschrift Jama Psychiatry veröffentlicht.

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