Spinale Muskelatrophie

Evrysdi: Erste orale Therapieoption bei SMA

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Berlin -

Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat Roche die Zulassung für das Medikament Evrysdi (Risdiplam) der Tochterfirma Genentech zur Behandlung der Spinalen Muskelatrophie (SMA) bei Erwachsenen und Kindern ab zwei Monaten erteilt. Es handelt sich dabei um die erste orale Therapie in dieser Indikation.

SMA ist eine seltene, aber tödlich verlaufende, neuromuskuläre Erbkrankheit, die sich auf die Muskelkraft und die Muskelbewegung auswirkt. Etwa eines von 10.000 Babys ist von der Krankheit betroffen. SMA wird durch eine Mutation des „Survival-Motor-Neuron-1-Gens" (SMN1) verursacht, die zu einem Mangel an SMN-Protein führt. Das Protein ist wichtig für die Funktion von Nerven und Muskeln – ohne SMN können die Nervenzellen nicht ordnungsgemäß funktionieren, dadurch entsteht schließlich eine Muskelschwäche. Je nach Ausmaß der Erkrankung können Betroffene nicht richtig gehen, sitzen, essen oder atmen.

Risdiplam behauptet sich in Studien

Evrysdi ist die erste orale Therapieform, die in dieser Indikation zugelassen ist. Es kann zu Hause täglich in flüssiger Form durch den Mund oder über die Ernährungssonde verabreicht werden. „Evrysdi bietet eine wichtige Behandlungsoption für Patienten mit SMA, nachdem vor weniger als vier Jahren die erste Behandlung für diese verheerende Krankheit genehmigt wurde", sagte Dr. Billy Dunn des Office of Neuroscience im FDA-Zentrum für Arzneimittelbewertung und -forschung. Evrysdi erhielt daher bereits die Orphan-Drug-Auszeichung. Die Zulassung wurde im Rahmen eines Priority-Reviews bearbeitet.

Die Wirksamkeit von Risdiplam wurde in zwei klinischen Studien bewertet. Die SMA-Studie mit Beginn des Kindesalters umfasste 21 Patienten, die zu Beginn der Studie ein Durchschnittsalter von 6,7 Monaten hatten. In dieser offenen Studie wurde die Wirksamkeit anhand der Fähigkeit festgestellt, mindestens fünf Sekunden ohne Unterstützung zu sitzen und ohne permanente Beatmung zu überleben. Nach 12-monatiger Behandlung konnten 41 Prozent der Patienten länger als fünf Sekunden alleine sitzen. Nach 23 oder mehr Monaten Behandlung lebten 81 Prozent der Patienten ohne permanente Beatmung.

In einer zweiten randomisierten, placebokontrollierten Studie wurden Patienten mit später einsetzender SMA untersucht: Die Studie umfasste 180 Patienten mit SMA im Alter von zwei bis 25 Jahren. Der primäre Endpunkt war die Änderung der Gesamtpunktzahl bei einem bewährten Motorik-Test gegenüber dem Ausgangswert nach einem Jahr. Bei Patienten unter Evrysdi stieg der Score nach einem Jahr durchschnittlich um 1,36, verglichen mit 0,19 bei Placebo-Patienten. Die häufigsten Nebenwirkungen von Evrysdi sind Fieber, Durchfall, Hautausschlag, Geschwüre im Mundbereich, Gelenkschmerzen und Harnwegsinfektionen. Im Kindesalter traten außerdem Infektionen der oberen Atemwege, Lungenentzündung, Verstopfung und Erbrechen auf.

Nur wenige Therapieoptionen

Bislang gibt es nur wenige Unternehmen, die Behandlungen anbieten: Seit 2017 hat Biogen das Medikament Spinraza (Nusinersen) in Deutschland auf dem Markt. Es handelt sich um eine Injektionslösung in der Stärke 2,4 mg/ml. Die Injektion erfolgt als Lumbalpunktion in die Flüssigkeit, die das Rückenmark umgibt. Die Therapie erfolgt nach einem festen Behandlungsregime: Der Abstand zwischen den Behandlungen beträgt zunächst 14 Tage, dann 30 und 60 Tage. Anschließend wird Spinraza alle vier Monate verabreicht.

Der andere Anbieter ist Novartis: Die Gentherapie mit Zolgensma ist in den USA bereits für Kinder bis zu einem Alter von zwei Jahren zugelassen. Sie wird intravenös verabreicht. Mit einem Preis von mehr als 2,1 Millionen Dollar ist diese Therapie die teuerste in der US-Geschichte. Die US-Zulassungsbehörde FDA hatte eine laufende Studie zu dem Wirkstoff im Oktober jedoch vorerst gestoppt. Der vorläufige Rekrutierungsstopp betraf den Arm der Studie, in der Zolgensma in einer hohen Dosis verabreicht wird. Grund sind Entzündungserscheinungen in einer zuvor durchgeführten Tierstudie. Dagegen waren die Studienarme mit mittlerer und niedriger Dosierung bereits abgeschlossen und Ergebnisse daraus vorgelegt. Der teilweise Stopp durch die FDA hatte keinen Einfluss auf die Vermarktung von Zolgensma: Ende Mai hatte Zolgensma eine vorläufige EU-Zulassung erhalten, seit dem 1. Juli ist das Arzneimittel auch in Deutschland auf dem Markt.

 

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