Viel Wirbel, wenig Inhalt

Dubioser Abstract: Akutes Koronarsyndrom nach Impfung?

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Berlin -

Vor allem in Kreisen der Impfskeptiker macht gerade eine Studie die Runde, die auf ein erhöhtes Risiko eines akuten Koronarsyndroms nach der Impfung mit einem mRNA-Impfstoff verweist. Die Kurzzusammenfassung benennt nur einen Autor – für eine umfangreiche Studie sehr ungewöhnlich.

Laut einer vermeintlichen Studie, über die im „Cardiology Advisor“ in Form einer Kurzzusammenfassung berichtet wurde, soll das Risiko für das Auftreten eines akuten Koronarsyndroms nach der Corona-Impfung steigen. An der beschriebenen Studie nahmen insgesamt 566 Frauen und Männer im Alter von 27 und 97 Jahren teil. Laut dem veröffentlichten Abstract erhielten alle Patient:innen zwei bis zehn Wochen nach der zweiten Covid-19-Impfung einen bestimmten Herztest. Dieses Resultat wurde mit dem Testergebnis von vor drei bis fünf Monaten vor der Impfung verglichen.

Der Begriff akutes Koronarsyndrom, auch abgekürzt mit ACS (acute coronary syndrome), umfasst zwei Arten des Herzinfarktes und die instabile Angina pectoris. Die häufigste Ursache eines ACS ist ein akuter Thrombus in einer atherosklerotischen Koronararterie. Seltender tritt das Syndrom aufgrund von Embolien in den koronaren Arterien und Koronarspasmen auf.

Beim durchgeführten Test wurden laut Abstract mehrere Protein-Biomarker bestimmt, die dazu dienen sollten, einen 5-Jahres-Risiko-Score für das Auftreten von ACS-Symptomen zu berechnen. Das Ergebnis: Die Biomarker stiegen nach der Impfung mit einem mRNA-Impfstoff angeblich rasant an. Das Risiko für Herzinfarkt & Co. würde nach der Immunisierung steigen.

Zweifel an der Studie

Genauso schnell, wie sich die Studie in den sozialen Medien verbreitete, wurden auch Bedenken laut. Zunächst einmal handelt es sich um einen Abstract – also eine Kurzzusammenfassung – eine vollständige Publikation mit zugehörigen Studiendaten fehlt bislang. Weiterhin könnte die Autorenangabe Zweifel an der Studie vermuten lassen. Denn es ist lediglich ein Autor angegeben. Das ist für größere Studien sehr untypisch.

Schaut man sich an, wer als Autor angegeben wird, so stößt man auf Steven Gundry, einen ehemaligen Herzchirurgen, der mittlerweile Autor ist von Büchern mit Titeln wie „The Plant Paradox:The Hidden Dangers in ‚Healthy‘ Foods That Cause Disease and Weight Gain“. In Deutschland wird das Buch unter dem Titel „Böses Gemüse: Wie gesunde Nahrungsmittel uns krank machen“ verkauft. Im Fokus seines Buches stehen Lektine – komplexe Glycoproteine, die er als gefährlich deklariert. Seine Ernährungsempfehlungen stehen den aktuellen Empfehlungen zahlreicher Fachgesellschaften entgegen.

Die Studie hat unspezifische Biomarker bestimmt, die nach einer Impfung aufgrund der Aktivierung des Immunsystems ansteigen können. Sie stehen in keinem evidenzbasierten Zusammenhang mit einem akuten Koronarsyndrom. Den Erkenntnissen dieser Studie mit weniger als 600 Proband:innen stehen große Zulassungsstudien von Biontech und Moderna entgegen, die kein erhöhtes ACS-Risiko nach der Impfung feststellen konnten.

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