Sinkende Verordnungszahlen

Antibiotikaverbrauch: Info-Kampagnen zeigen Wirkung

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Berlin -

Der Einsatz von Antibiotika kann mit Hilfe von Informationskampagnen gesenkt werden – zu diesem Schluss kommen die Initiatoren eines Projektes in Bayern und Nordrhein-Westfalen. Die dort 2017 gestartete Initiative „Antibiotika-Resistenzentwicklung nachhaltig abwenden“ (ARena) habe dazu geführt, dass spürbar weniger dieser Medikamente eingesetzt werden, berichteten die Träger des Projekts am Dienstag in München. 

Nach Daten der AOK Bayern ist der Anteil der Patienten, die bei einfachen Infekten Antibiotika erhalten, bei teilnehmenden Praxen innerhalb von zwei Jahren um rund 8 Prozent auf etwa 50 Prozent geschrumpft. Bei allen Patienten insgesamt sei der Anteil um knapp 5 Prozent gesunken. Bei ARena wollen Mediziner in 14 Arztnetzen aus Bayern und Nordrhein-Westfalen genauer hinschauen, ob es wirklich nötig ist, den Patienten Antibiotika zu geben. Sie bilden sich dafür kontinuierlich fort.

Mit jeder Antibiotika-Verordnung steige das Risiko, dass Erreger resistent gegen den jeweiligen Medikamententyp würden, warnte Joachim Szecsenyi vom Göttinger Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen. Deswegen sei es wichtig, bei Ärzten, Praxispersonal und Patienten noch mehr Bewusstsein dafür zu schaffen, dass der Einsatz eines Antibiotikums oft nicht nötig oder auch gar nicht sinnvoll ist.

Teilnehmende Ärzte und das Praxispersonal erhielten im Rahmen des Projektes ein spezielles Informations- und Kommunikationstraining. Einzelne Praxen erhalten zudem eine Software-Unterstützung zur rationalen Antibiotikatherapie. Über 300 Ärzte aus knapp 200 Praxen nahmen bisher an der Kampagne teil. Die kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) und die beteiligten Arztpraxen bringen ihr Fachwissen in der ambulanten Versorgung ein, speziell im Bereich der Verordnung von Antibiotika. Dazu gehört die Aufklärung über den zweckmäßigen Einsatz dieser Arzneistoffe. Aus Sicht des Vorstands der KVB hat das ARena-Projekt gerade deshalb eine hohe Relevanz für den Alltag in den Arztpraxen. Viele Patienten wissen noch zu wenig über die Wirksamkeit von Antibiotika und fordern deren Verschreibung vom Arzt zum Teil ein.

Weil nach Einschätzung von Experten zu viel Antibiotika verteilt und teils falsch verabreicht werden, entwickeln Bakterien sogenannte Resistenzen. Dann wirken die Medikamente nicht mehr wie gewünscht. Bei einer Weiterentwicklung kann es zu Multiresistenzen kommen, das heißt, dass einzelne Bakterienstämme auf verschiedenste Antibiotika nicht mehr ansprechen. Multiresistenzen stellen insbesondere in Kranken- und Pflegeeinrichtungen ein großes Problem dar.

Verläuft eine Besiedlung bei einem gesunden Menschen meist symptomlos, so kann es bei immungeschwächten Patienten zu Folgeinfektionen wie Harnwegsinfektionen oder Lungenentzündungen kommen. Nach Daten der Weltgesundheitsorganisation sterben in den Ländern der Europäischen Union jährlich rund 25 000 Menschen an schweren Infektionen mit resistenten Bakterien, die sie in einer Gesundheitseinrichtung wie Krankenhäusern bekommen haben.

Der Allgemeinarzt Veit Wambach von der Agentur Deutscher Arztnetze appellierte an seine Kollegen, ihren Patienten noch intensiver zu erklären, dass viele Erkältungskrankheiten ganz ohne Medikamente wieder abklingen. Ärzte sollten «die klassischen vier Dinge» empfehlen: „viel trinken, inhalieren, viel Obst essen und ausruhen“.

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