Bewegung in der Ätiologie

Alzheimer: Viren könnten Neurodegeneration beschleunigen

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Berlin -

Bislang ist Alzheimer nicht heilbar. Bei kaum einer anderen Erkrankung kommt es in klinischen Studien zu so vielen Rückschlägen. Nach über 20 Jahren wurde in den USA erstmals wieder ein Präparat zur Behandlung von Alzheimer zugelassen. Ganz überzeugen konnte Aduhelm (Biogen) die FDA allerdings nicht – weitere Daten zur Wirksamkeit müssen nachgereicht werden. Neben der Forschung im Bereich der Therapie gibt es auch interessante neue Erkenntnisse zur Krankheitsentstehung. Diese scheint nach neuesten Erkenntnissen anders abzulaufen als bisher angenommen. Auch Viren könnten hierbei eine Rolle spielen.

Aktuelle Forschungsarbeiten beschäftigen sich mit der Frage, ob Infektionen die Entzündungsprozesse in Gehirnen von Alzheimer-Patient:innen beeinflussen oder verstärken können. Am Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) werden aktuell Laborexperimente durchgeführt, die zeigen, dass bestimmte virale Moleküle die interzelluläre Verbreitung von Proteinaggregaten fördern können.

Die Forscher:innen wollen herausfinden, inwieweit akute oder chronische Virusinfektionen neurodegenerative Erkrankungen beeinflussen können. Im Fokus der Forschungsarbeiten stehen dabei die Prion-Erkrankungen. Prione sind Glykoproteine, die sowohl im Menschen als auch in Tieren vorkommen. Die pathologische Variante löst die sogenannten übertragbaren spongioformen Enzephalopathien (TSE) aus. Hierzu gehören die Creutzfeld-Jakob-krankheit und BSE (Bovine spongiforme Enzephalopathie).

Prione vermehren sich nicht durch Teilung, sondern dadurch, dass sie benachbarte Proteine dazu veranlassen ihre anomale Gestalt anzunehmen. Deshalb breiten sich die Erkrankungen vor allem im Gehirn aus. Ein ähnlicher Krankheitsablauf wird bei der Alzheimer-Erkrankung vermutet. Auch hier läuft das Fortschreiten im Gehirn ab. Es kommt zur Veränderung von Proteinen und zur Plaque-Ausbildung. Alzheimer-Gehirne zeigen im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf ausgeprägte Tau-Agglomerate und Oligomer-Ansammlungen von Beta-Amyloid-Proteinen.

Die Forscher:innen nahmen an, dass Prionen den degenerativen Prozess der Alzheimer-Erkrankung beschleunigen könnten und überprüften diese Annahme in Experimenten. Es wurden umfangreiche Versuchsreihen mit verschiedenen Zellkulturen durchgeführt. Hierbei wurde die interzelluläre Übertragung von Prionen und von Aggregaten aus Tau-Proteinen untersucht. Es wurde eine virale Infektion mit zwei Proteinen nachgestellt. Für die Versuche wurden das Sars-CoV-2-Spike-Protein S und das Vesikuläre Stomatitis-Virus-Glykoprotein (VSV-G) verwendet).

„Wir konnten zeigen, dass die viralen Proteine sowohl in die Zellmembran als auch in extrazelluläre Vesikel eingebaut werden. Ihre Anwesenheit steigerte deutlich die Ausbreitung von Proteinaggregaten zwischen Zellen, sowohl durch direkten Zellkontakt als auch durch extrazelluläre Vesikel. Die viralen Liganden sorgten für effizienten Transfer beziehungsweise Zustellung der Aggregate an die Empfängerzellen, in denen neue Aggregate induziert wurden. Die Liganden wirken wie Schlüssel, die die Empfängerzellen aufschließen und so die gefährliche Fracht einschleusen“, erläutert Ina Vorberg, Forschungsgruppenleiterin am DZNE-Standort Bonn.

Die Forscher:innen nehmen an, dass virale Proteine die interzelluläre Ausbreitung von Proteinaggregaten verstärken könnten. „Das muss nun genauer mit Viren, die das Nervensystem befallen, untersucht werden. Der Einfluss von Virusinfektionen auf neurodegenerative Erkrankungen verdient eine tiefgreifendere Untersuchung“, so Vorberg.

Die neue Erkenntnis: Virale Ligand-Rezeptor-Wechselwirkungen können die Übertragung pathologischer Proteine prinzipiell beeinflussen. Die Forscher:innen konnten zeigen, dass die viralen Liganden zu einer verstärkten Ausbreitung missgestalteter Proteine zwischen den Zellen führten, und zwar unabhängig vom Zelltyp, der die pathologischen Aggregate produzierte.

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