Sommerhitze kann insbesondere für Menschen mit Gefäßerkrankungen gefährlich werden. Aber auch die Wirkung wichtiger Medikamente wird durch hohe Temperaturen beeinflusst. Die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG) warnt zum bundesweiten Hitzeaktionstag am 4. Juni vor Risiken und gibt Tipps, wie sich Betroffene schützen können.
Patientinnen und Patienten mit Gefäßerkrankungen müssen häufig regelmäßig Medikamente einnehmen. Viele davon sind temperaturempfindlich. „Bei Temperaturen über 25 Grad Celsius kann sich die chemische Stabilität von Medikamenten verändern – sie wirken dann möglicherweise nicht mehr wie vorgesehen“, erklärt Professor Dr. Irene Hinterseher, Gefäßchirurgin am Universitätsklinikum Ruppin-Brandenburg der Medizinischen Hochschule Brandenburg und Mitglied der DGG.
„Kritisch ist dies bei Medikamenten wie Acetylsalicylsäure (ASS), neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK), Clopidogrel, Ramipril, Betablockern oder Diuretika“, so die Expertin. „Auch Insulin, das im Kühlschrank gelagert werden sollte, ist empfindlich. Nach dem Öffnen darf es maximal 28 Tage bei Temperaturen bis 30 Grad Celsius verwendet werden.“
Im Sommer seien häufige Lagerorte wie im Badezimmer, in der Küche oder auch auf dem Wohnzimmertisch wenig geeignet, denn sie können sich stark aufheizen. Hinterseher warnt: „Schon wenige Stunden direkter Sonneneinstrahlung reichen aus, um die zulässigen Lagertemperaturen deutlich zu überschreiten und damit möglicherweise die chemische Stabilität zu verändern.“ Deswegen seien Arzneien, die bei Raumtemperatur von 15 bis 25 Grad Celsius gelagert werden sollen, bei anhaltenden Hitzeperioden besser im kühlen Schlafzimmerschrank, im sonnengeschützten Flur oder auch kurzfristig im Gemüsefach des Kühlschranks bei 8 Grad Celsius untergebracht. „Um Schäden durch Feuchtigkeit zu vermeiden, sollten sie dort aber in einer separaten Box lagern“, rät die Gefäßmedizinerin.
Hitze beeinflusse jedoch nicht nur die Wirkungsweise von Medikamenten, sondern auch den Stoffwechsel des Körpers. „Der Körper verändert bei hohen Temperaturen die Aufnahme, Verteilung und den Abbau von Wirkstoffen – ganz besonders bei Flüssigkeitsmangel“, erklärt sie. „Auf diese Weise kann Hitze etwa die Wirkung von blutdrucksenkenden Mitteln, von Ramipril oder Diuretika verstärken.“ Dieser Effekt könne zu Blutdruckabfall, Schwindel oder sogar Ohnmacht führen. „Hitze erhöht aber auch das Risiko für Blutungen bei Clopidogrel, ASS und NOAK“, gibt Hinterseher zu bedenken. „Auch Psychopharmaka, die bei gefäßkranken Patientinnen und Patienten mit Depressionen eingesetzt werden, können bei Hitze weniger zuverlässig wirken. Das kann sogar zu Rückfällen führen“, so die DGG-Expertin.
Weiterhin appelliert sie: „Neben Blutdruckabfall und Schwindel können auch Schwäche und Herzrasen Hinweise auf eine hitzebedingte Über- oder Unterdosierung von Medikamenten sein.“ Solche Beschwerden müssen ernst genommen werden. „Wer sich unsicher fühlt, sollte ärztlichen Rat einholen – am besten schon vor Beginn einer angekündigten Hitzewelle. Es kann sinnvoll sein zu besprechen, ob Medikamente vorübergehend angepasst werden sollten“, so Hinterseher.
Insbesondere ältere Menschen sollten aufgrund des verminderten Durstgefühls vorsichtig sein. „Die Kombination aus Flüssigkeitsmangel, veränderter Blutzusammensetzung, vorgeschädigten Gefäßen und eingeschränkter Mobilität macht ältere Gefäßpatienten und Gefäßpatientinnen bei hohen Temperaturen anfällig für Verschlüsse von Bypässen, Thrombosen und Schlaganfälle“, betont Hinterseher. Noch einmal höher liegt das Risiko für ältere, alleinlebende Gefäßkranke in Städten. „Städtische Hitzeinseln können nachts bis zu zehn Grad wärmer sein als das Umland“, so die Expertin.
Betroffene sollten sich auf große Hitze einstellen. Die DGG empfiehlt eine Reihe einfacher Schutzmaßnahmen:
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