Alternativmedizin

„Schwarze Salbe“ gegen Krebs: Alternativer Tod

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Berlin -

Alternativmedizinische Methoden können bei der Therapie kleinerer Leiden durchaus erfolgreich sein. Sobald es um ernste Erkrankungen geht, raten medizinisch geschulte Experten in der Regel von ihnen ab. Dennoch hält sich auch in deutschen Esoterikerkreisen seit Jahren hartnäckig das Gerücht, man könne Krebs mit einer sogenannten „Schwarzen Salbe“ heilen. Eine Frau aus den USA bezahlte diesen Irrglauben nun mit dem Leben.

Haut- und Brustkrebs kann man durch eine Entzündungsreaktion des Immunsystems selbst heilen, lautet das Dogma. Dazu muss man nur eine selbst angemischte Salbe auftragen, die unter anderem aus Zinkchlorid, kanadischem Blutwurz, Spitzwegerich, Calendulaöl und Aktivkohle besteht. Das klingt zu gut, um wahr zu sein? Ist es auch. Trotzdem hält sich seit vielen Jahren im esoterischen Milieu fest der Glaube an sogenannte „Schwarze Salbe“. Nicht nur Krebs könne man mit ihr heilen, sondern auch Warzen oder Muttermale entfernen sowie Entzündungen behandeln und Entgiftungen durchführen.

Woher genau das Rezept stammt, lässt sich kaum noch nachvollziehen. Anhänger erwähnen unter anderem amerikanische Ureinwohner oder Hildegard von Bingen, die damit Tumore behandelt haben soll. Fakt ist jedenfalls, dass die angeblich zuvor in Vergessenheit geratene Behandlungsmethode in den letzten Jahren eine kleine Renaissance erlebt.

Die alternativmedizinische Webseite „Spirit of Health Magazin“ schreibt das zu einem großen Teil dem Verleger und Aktivisten Leo Koehof zu – der mit seinem Jim Humble Verlag selbst hinter der Seite steht. Koehof hat sich in der Welt der Alternativmediziner und Wunderheiler schon einen Namen gemacht. Sein Steckenpferd ist das sogenannte „Miracle Mineral Supplement“ (MMS) des namensgebenden Niederländers Jim Humble, mit dem er vorgibt, Aids, Hepatitis A, B und C genauso wie Herpes und Tuberkulose heilen zu können.

Chemisch handelt es sich dabei um nichts anderes als Natriumchlorit, das mit Wasser und einer Säure vermischt zu Chlordioxid wird. Das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) warnt vor der Anwendung von MMS als Arzneimittel: Die ätzende Chemikalie könne zu erheblichen Gesundheitsgefahren führen, darunter Nierenversagen, schwere Darmschädigungen und Blutdruckabfall. Laut Verbraucherzentrale NRW gab es bereits einen Todesfall durch die Einnahme von MMS. All das hielt Koehof nicht davon ab, 2014 nach Uganda zu reisen, um damit Einheimische vorgeblich von Malaria zu heilen.

2011 kam Koehof mit dem Wissen um die „Schwarze Salbe“ in Kontakt und begann sie in Deutschland zu bewerben. Im Folgejahr brachte ihm das dem Verschwörungsmagazin „Raum & Zeit“ zufolge eine polizeiliche Hausdurchsuchung und Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz ein. Gegen eine Zahlung von 8.250 Euro sei das Verfahren später eingestellt worden. Koehof sieht sich seitdem als Whistleblower, der der diabolischen Pharmaindustrie mit seinen Geheimnissen die Stirn bietet.

Der Popularität in den einschlägigen Kreisen zuträglich war auch der Naturheiler und Autor Adrian Jones, der gleich zwei Bücher über das vermeintliche Wundermittel geschrieben hat. Bei der Schwarzen Salbe handele es sich „um eine Diagnosemöglichkeit, ob Sie einen Krebs haben oder nicht“, schreibt er in „Schwarze Salbe. Heilung von Brust- und Hautkrebs im 21. Jahrhundert“. Man trage sie „einfach für 24 Stunden auf die vermutete Krebsstelle auf. Danach können Sie die Salbe mit warmem Wasser abwaschen. (…) Innerhalb von ca. 14 Tagen fällt das Krebsgeschwür aus der Haut heraus. Nun wissen Sie, dass es sich um einen bösartigen Tumor handelte.“

Dieser Art von Heilsversprechen zu glauben, hat in der Vergangenheit schon mehrere Menschen das Leben gekostet. Zuletzt geisterte der Fall einer Frau aus den USA durch die sozialen Medien, aufgegriffen unter anderem von „Der Goldene Aluhut“, einer gemeinnützigen Organisation, die sich der Aufklärung über Verschwörungstheorien und Fake News mittels Infotainment verschrieben hat.

Die Betroffene weigerte sich, einen diagnostizierten Tumor in der linken Brust mittels klassischer Schulmedizin behandeln zu lassen. Stattdessen setzte sie auf die Anwendung der Salbe in Eigenregie und dokumentierte den Therapieverlauf in sozialen Medien, um ihre Erfahrungen mit Gleichgesinnten zu teilen.

Statt einer Heilung erwartete sie nach mehrmonatiger Anwendung Entzündungen und großflächige Nekrosen des Brustgewebes – alles in verstörenden Bildern auf Facebook dokumentiert. Eine ärztliche Behandlung verweigerte sie dennoch weiterhin. „Das ist mein Weg und ich vertraue meinem Gott, der mich heilt“, schrieb sie in eine Gruppe von Gleichgesinnten.

Ihr Weg führte letztendlich doch ins Krankenhaus. Da war es allerdings schon zu spät, auch Operation und Chemotherapie konnten sie nicht mehr retten. Im Frühjahr verstarb sie. Genauso wie Helen Lawson aus dem australischen Melbourne. Die Krankenschwester litt an Eierstockkrebs im fortgeschrittenen Stadium. Kurz vor einer operativen Entfernung vertraute sie sich einem Naturheiler an, der ihr versprach, den Tumor mittels der Salbe entfernen zu können. Sie sagte die Operation ab und ließ sich die Salbe großflächig auf dem unteren Bauch auftragen – mit denselben Resultaten.

Nichtsdestoweniger finden die Behauptungen von der Wirksamkeit der Salbe nach wie vor Gehör, auch in Deutschland. 2014 bewarb Autor Adrian Jones die Therapie vor rund 800 Zuschauern auf einer von Koehof veranstalteten Konferenz für Alternativmedizin in Frankfurt am Main. Seine eingangs zitierten Bücher können nach wie vor auch hierzulande auf Deutsch bestellt werden, unter anderem im „Narayana-Verlag“ für Homöopathie und Naturheilkunde.

Wer die 19 Euro dafür nicht ausgeben will, findet Rezepturen kinderleicht im Internet. So erklärt die deutschsprachige Seite good-doc.com die Herstellung zur Anwendung gegen Warzen, eingewachsene Zehennägel und eingewachsene Haare. Wolle man Krebs damit heilen, empfehle sich aber die Zugabe von 3 Esslöffeln kanadischen Blutwurz. Dafür müsse man allerdings in die Apotheke gehen.

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