Report Mainz

OTC-Ausnahmeliste: Chroniker müssen zahlen

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Berlin -

Die Krux mit der OTC-Ausnahmeliste bekommen Patienten und Apotheken fast täglich zu spüren. „Wozu zahle ich so hohe Krankenkassenbeiträge“, ist am HV-Tisch regelmäßig zu hören. Übernahmen die Kassen noch vor mehr als einem Jahrzehnt nicht verschreibungspflichtige Präparate wie Mineralstoffe und Vitamine, war mit der Sparpolitik der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) Schluss damit. Geändert hat sich daran bis heute nichts, obwohl die Kassen inzwischen Überschüsse verzeichnen.

Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) im Jahr 2004 sollten die finanzschwachen Kassen gerettet werden. Gesundheitsministerin Schmidt brachte das Spargesetz auf den Weg, das verschreibungsfreie Arzneimittel, Vitamine und Mineralstoffpräparate von der Erstattung ausschloss. Weil niemand überfordert werden sollte, wurden für einzelne Erkrankungen Ausnahmen festgelegt – die OTC-Ausnahmeliste.

Erstellt wird diese vom obersten Selbstverwaltungsgremium dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). In der OTC-Ausnahmeliste sind Non-Rx-Wirkstoffe gelistet, die zur Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten. Zu finden sind laut Report Mainz lediglich 46 Ausnahmen, bei 8000 chronischen Erkrankungen. Seit acht Jahren würden keine Anträge seitens der Hersteller zur Aufnahme gestellt.

Martin Danner, Sprecher der Patientenvertreter im G-BA, wundert dies nicht, denn Präparate würden nicht einfach so in die Liste aufgenommen. Unternehmen müssen aufwendige Studien erbringen, da stelle sich die Frage: „Ob überhaupt jemand da ist, der bereit ist, solche Studien zu machen.“ Aus Sicht von Danner ist die OTC-Ausnahmeliste nicht vollständig und müsse ergänzt werden. Der Sprecher fordert die Anforderungen für die Aufnahme erneut zu prüfen damit „die chronisch kranken Menschen auch die Präparate bekommen, die brauchen, ohne diese selbst finanzieren zu müssen“.

Das Gesundheitsministerium unter Jens Spahn (CDU) sieht laut Report Mainz „keinen Änderungsbedarf, hält die Regelung sogar für ,sozial vertretbar‘“. „Die Krankenkassen schwimmen im Geld. Oder, wie Gesundheitsminister Spahn sagt: ,Sie häufen aufgrund der guten wirtschaftlichen Lage immer weiter Finanzreserven an.‘“

In der Anlage sind unter anderem Eisen-(II)-Verbindungen nur zur Behandlung von gesicherter Eisenmangelanaemie, Nystatin nur zur Behandlung von Mykosen bei immunsupprimierten Patienten oder salicylsäurehaltige Zubereitungen, mit einem Gehalt von mindestens 2 Prozent, in der Dermatotherapie als Teil der Behandlung der Psoriasis und hyperkeratotischer Ekzeme aufgeführt. Hintergrund ist, dass diese Arzneimittel für die jeweilige schwerwiegende Erkrankung als Standard in der Therapie gelten. Aber auch Magnesium ist aufgeführt. Der Mineralstoff wird jedoch nur bei angeborenen Magnesiumverlusterkrankungen übernommen und nicht bei erworbenen, wie sie beispielsweise in Folge einer Dauertherapie mit bestimmten Arzneimitteln auftreten können. Einen konkreten Fall schildert der Beitrag des SWR.

Zu Wort kommt auch Professor Dr. Günter Höglinger vom Neuro-Kopf-Zentrum der TU München. Der Neurologe und Parkinsonspezialist kämpft für das Coenzym Q10 und für die Finanzierung einer großen Studie, die Basis für die Aufnahme in die Ausnahmeliste und die Zulassung zur PSP-Behandlung sein kann. Laut aktueller Erkenntnisse verbessert die Substanz die geistigen und motorischen Fähigkeiten von Parkinson-Patienten. „Wir haben das mehrmals beim Bundesministerium für Bildung und Forschung beantragt. Und dort ist dann letztendlich mit dem Verweis auf die hohen Kosten diese Förderung auch abgelehnt worden. Und eine Pharmafirma wird sich nicht mehr für dieses alte Produkt Coenzym Q10 engagieren, weil dort der Patentschutz schon längst ausgelaufen ist und sich damit letztendlich auch kein Geld mehr verdienen lässt.“

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