Apotheker kritisiert Vergütung

Impfstoff für Betriebsärzte: Großhändler weisen Apotheke ab

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Berlin -

Zusätzlich zur Belieferung der Kassenärzt:innen sollen Apotheken und Großhändler Covid-19-Impfstoff auch in die Betriebe bringen. Wo das eingespielte System bislang funktionierte, beginnt es jetzt zu ruckeln. Die neue Aufgabe stellt die Beteiligten vor Herausforderungen. Ein Inhaber aus Niedersachsen kritisiert die Vergütung und steigt komplett aus. Eine Apotheke aus Bayern will einen Betriebsarzt versorgen, findet jedoch keinen Großhändler, der sie beliefert.

Ab dem 7. Juni sollen die Betriebsärzt:innen Covid-19-Impfstoff von den Apotheken erhalten. Möglichst regional soll die Belieferung stattfinden, deshalb sind auch Apotheken eingespannt, die bislang keine Betriebe versorgt haben. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) setzt erneut auf die bewährte Logistik Pharmagroßhandel und Apotheke. Allerdings sind die Bestellungen für die Beteiligten mit Hürden versehen. In der easy-Apotheke Neuötting versucht Apotheker Tom Bergner seit Ende vergangener Woche einen Großhändler zu finden, der ihn mit Comirnaty versorgt. Denn seit Hauptlieferant Hageda-Stumpf ist wie alle Privatgroßhändler von der Belieferung ausgeschlossen.

Bergner ist verzweifelt. Bis heute konnte er keinen Lieferanten finden. Absagen habe er telefonisch von Phoenix und Sanacorp erhalten. Als Grund hieß es unter anderem, dass die Großhändler nicht die Hauptlieferanten der Apotheke seien. Dies ist jedoch nur die Vorgabe für die Belieferung mit Vakzinen für die Kassenärzte. Bei Alliance Healthcare Deutschland (AHD) und Noweda erreichte der Apotheker bisher keinen Kundendienstmitarbeiter. „Vermutlich ich bin ich nicht der Einzige, der dieses Problem hat.“

Ein Betriebsarzt will über die Apotheke zehn Vials bestellen. „Das ist eine kleine Firma“, so Bergner. Die maximale Bestellmenge liegt pro Firmenärzt:in bei 804 Dosen – also 134 Vials Durchstechflaschen. Die Mitarbeiter bei den Großhändlern reagierten ablehnend auf die Anfrage: „Der eine hat davon nie etwas gehört, dem anderen ist egal, der nächste ist nicht erreichbar und der vierte legt immer wieder auf, wenn er hört, dass man kein Kunde ist. Wie soll man als Nichtkunde an Impfstoffe kommen?“

Die Privatgroßhändler kritisierten den Ausschluss aus der Lieferkette und forderten, dass sie in der zweiten Bestellrunde mit eingebunden werden. In Essen will die Noweda den Kontakt zum Vertriebschef der Region an die Apotheke vermitteln. „Natürlich kann sie bei uns bestellen, das ist auch explizit so vorgesehen“, sagt ein Sprecher der Genossenschaft. Es sei wichtig, dass es eine faire Aufteilung der Impfstoffe gewährleistet werde. Welche Menge die Apotheke letztlich erhalten werde, könne jedoch noch nicht vorhergesagt werden. Die Betriebsärzte wurden vorab bereits auf Kürzungen eingestimmt.

Bei AHD/Gehe heißt es, dass Bestellungen für die Woche ab dem 14. Juni (KW 24) entgegen genommen werden könnten. Apotheken könnten für Betriebsärzte bestellen, auch „wenn wir nicht ihr Hauptlieferant beziehungsweise gegebenenfalls gar nicht Lieferant der Apotheke sind“, sagt eine Sprecherin. Der Apotheker solle sich direkt an die zuständige Niederlassung wenden. „Die Resonanz ist groß, zahlreiche Apothekenkunden haben bei AHD und GEHE ihre Bestellungen für Betriebsärzte abgegeben.“

Noch können die Apothekenangestellte die Aufträge nur faxen und nicht per MSV3-Schnittstelle übermitteln. In den Großhandlungen gehen deshalb auch nach dem Bestellschluss der ersten Runde, der am Freitagnachmittag war, Faxe ein. Diese wiederum müssen dort digitalisiert werden. Bei der Noweda übermittelten bis gestern rund 620 Apotheken etwa 1200 betriebsärztliche Verordnungen, die Zahlen waren noch nicht final.

Den hohen Aufwand beklagt auch Apotheker Hubertus Nehring: „Wir können das personalmäßig nicht leisten.“ Der Inhaber der Apotheke am Markt im niedersächsischen Winsen sagte deshalb zwei Betriebsärzten ab. Einer wollte 600 Dosen bestellen. „Die zugesagte Vergütung deckt meine Arbeitskosten nicht.“ Laut einem Referentenentwurf sind für die Apotheken für die Belieferung der Betriebsärzt:innen für die monatliche Abgabe ab dem 151. Vial 2,19 Euro zuzüglich Umsatzsteuer vorgesehen. „Ich muss mehr als nur liefern, sondern mich auch um die Etiketten kümmern, das Zubehör sortieren und zusammenstellen.“

Außerdem wolle der Betriebsarzt nicht 600 Vials auf einmal geliefert bekommen. Er habe keinen Platz, alle zu lagern. „Für mich ist das Lagern kein Problem, ich müsste ihn jedoch drei- bis viermal anfahren“, sagt der Apotheker. Er wandte sich in einem Brief an Abda-Präsidentin Gabriele Overwiening und Niedersachsens Kammerpräsidentin Cathrin Burs. „Meine Mitarbeiter und ich liefern jede Woche circa 1000 Impfstoffdosen an 17 Praxen aus. Die Handlingspauschale ist nicht kostendeckend.“ Bei kleinen Apotheken, die nur ein oder zwei Arztpraxen belieferten, sei dies vielleicht vernachlässigbar. „Bei unserer Größenordnung ist das jedoch nicht mehr kostendeckend. Wenn nun auch noch hinzukommt, dass bei betriebsärztlichen Impfungen nur noch 2,11 Euro pro Vial gezahlt werden sollen, ist das nicht akzeptabel.“

Keiner könne von Apotheken verlangen, ohne Bezahlung zu arbeiten. „Streng genommen zahlen wir eben auch drauf.“ Es könne nicht sein, dass andere Heilberufler für Dienstleistungen in der Pandemie sehr gut bezahlt, und die Apotheken nicht angemessen honoriert würden. „Meine Apotheke wird sich nicht an betriebsärztlichen Impfungen beteiligen.“ Die Vergütung der Ärzte in Impfzentren etwa sei der blanke Hohn. „Ich gönne es jedem, aber alle sollten fair vergütet werden.“ Die Apotheken dürften so nicht mit sich umgehen lassen. „Aus Selbstwertgefühl nicht und auch nicht aus wirtschaftlichen Gründen. Wir machen uns wieder einmal kleiner, als wir sind.“

 

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