Nebenjob

Vom HV-Tisch auf den Vierzigtonner

, Uhr
Berlin -

Drei Apotheken sind eine Aufgabe, die einen ausfüllt, sollte man meinen – inhaltlich und zeitlich gleichermaßen. Doch Wolfram Schmidt aus Northeim hat jenseits der Pharmazie noch andere Träume. Einen davon hat er sich erfüllt. Wenn er nachts nicht Notdienst hat, sitzt er im Führerhäuschen eines Vierzigtonners: Zweimal pro Woche fährt er mit einem LKW für die Bauern aus der Gegend Zuckerrüben vom Feld in die Fabrik.

LKW-Fahrer oder Lokomotivführer: Das seien seine Berufswünsche als Kind gewesen, erinnert sich Schmidt. Schon mit 12 oder 13 Jahren habe er an der Hauptkreuzung oder am Bahnübergang in Northeim gesessen und dem Verkehr zugeschaut. Ob Dampf- oder Diesellok, Büssing, Hentschel, Krupp, Magirus Deutz oder MAN und Mercedes-Benz: Schmidt kannte alle Fahrzeugtypen mit PS-Zahl und außerdem alle Autokennzeichen.

Bei der Bundeswehr versuchte Schmidt, einen LKW-Führerschein zu bekommen, vergeblich, da er als Apotheker im Offiziersrang dort seinen Wehrdienst versah.

Vor sechs Jahren dachte er sich: „Wenn du den Führerschein jetzt nicht machst, dann nie mehr.“ Bei einem befreundeten Fahrschullehrer stellte er sich Themen wie Bremskreis und Luftdruck; ausnahmsweise musste er einmal nicht über Rabattverträge nachdenken.

Zum 50. Geburtstag war es dann soweit: Schmidt war Inhaber eines LKW-Führerscheins. Aber der Apothekenalltag bot wenig Raum für das Brummifahren. Nur seinen zweiten Konfektionierautomaten durfte er selbst mit einem Zwölftonner in Bochum abholen; der Hersteller Mach4 hatte es möglich gemacht. „Das war schon ein Erlebnis für mich und die Erfahrung und Bestätigung, dass es mir mit diesem Wunsch wirklich ernst ist. Deshalb konnte es diese eine Fahrt allein nicht gewesen sein.“

Nach fünf Jahren stand jetzt die Verlängerung an, also erneute Gesundheitsuntersuchung und Augenarztbesuch. Diesen Aufwand, nur um den Führerschein im Portemonnaie zu haben? Schmidt sprach mit einem Verwandten, Landwirt in der Nähe und Mitorganisator eines Maschinenrings für Landwirte, der auch über LkW für den Transport von Getreide und Zuckerrüben verfügte.

„Wichtig dabei war für mich auch, dass ich damit nicht anderen die Arbeit und den nötigen Lohn nehme“, sagt Schmidt. Da aber nachts ohnehin akuter Mangel an Fahrern bestand, stand dem Nebenjob nichts im Weg. „Da für mich die Organisation für Nachtfahrten zudem viel einfacher war, als tagsüber nicht in der Apotheke erreichbar zu sein, griff ich sofort zu.“

Momentan fährt Schmidt also ein- bis zweimal pro Woche nachts Rüben in die Zuckerfabrik. „Inzwischen klappt es auch schon ganz gut, den Sattelzug rückwärts gerade an die Auffangkuhle für die Rüben heranzuschieben. Anfangs musste noch häufig korrigiert werden“, sagt der Apotheker.

Und: „Auf den Fahrten finde ich herrliche Ruhe und Entspannung, komme dazu, mir Gedanken zu machen über Gott und die Welt, aber auch über meine Apotheken, einmal außerhalb des täglichen Stresses, und merke, dass ich dadurch viel ausgeglichener und glücklicher bin als zuvor ohne das LkW-Fahren.“

„Wer kennt es nicht in der Apotheke: Die Frage, haben Sie sonst noch einen Wunsch? Wer hat noch nicht die Antwort bekommen: Wünsche habe ich viele, aber die können Sie mir nicht erfüllen. Häufig ist man selbst seines Glückes Schmied, ich jedenfalls habe mir einen lang gehegten Wunsch erfüllt, und fühle mich dabei total glücklich.“

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Pharma-Chef verlässt Konzern
Wechsel bei Bayer
Mehr aus Ressort
Jahrgangsbester übernimmt in 2. Generation
Hochbegabt: Lieber Inhaber als Industriekarriere

APOTHEKE ADHOC Debatte