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Berlin -

Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis hat sich in die Debatte um Nullretaxationen eingeschaltet: „Die Apotheken sollten einfach ihre Zahlungsunfähigkeit erklären und dann den Krankenkassen den Stinkefinger zeigen: 'Jetzt könnt ihr dieses Problem alleine lösen – okay?'“ Hat er das wirklich so gesagt? Nicht so wichtig.

DAK-Chef Professor Dr. Harald Rebscher fühlte sich mit seinem Apotheker-Schlosser-Vergleich etwas missverstanden. Er wollte niemanden beleidigen, sondern auf den Umstand hinweisen, dass Rezepte Rechnungen sind und falsche Rechnungen retaxiert werden. Im Interview erklärte er unter der Woche ausführlich, warum Retax ein Massengeschäft ist und man mit den Apothekern nicht bei einer Tasse Kaffee über jeden Centbetrag reden kann.

Bei den empfindsameren unter den Pharmazeuten wird er mit manchem Wort vermutlich schon wieder rote Gesichter erzeugt haben, aber auch dafür hatte der Kassenchef eine gute Erklärung: Provokation gehört zum Geschäft. Inhaltlich blieb er beim Retaxthema aber sachlich-nüchtern: Die Retaxmaschine müsse regelmäßig neu justiert werden. Rebscher ist für Kompromisse mit den Apothekern offen, und die dürften aus seiner Sicht gerne auch etwas schneller als gewohnt ausgehandelt werden.

„Konfliktbeladen und ergebnislos“ fand dagegen der AOK-Bundesverband die bisherigen bilateralen Gespräche der Kassen mit den Apothekern über Nullretaxationen. Deshalb sei der gesetzgeberische Wunsch nach einer Lösung in der Selbstverwaltung auch nicht besonders zielführend. Die AOK würde lieber mit den Apothekerverbänden auf Landesebene Einzelverträge verhandeln. Was daran einfacher wäre, behält die AOK für sich. Aber um Einfachheit geht es wahrscheinlich nicht – sondern um Macht. Wenn Lieferverträge in den Ländern geschlossen werden, können die AOKen am besten ihre Forderungen durchzusetzen. Und dabei ist Formretax eine gute Verhandlungsmasse.

Ein zweiter gefühlter Stinkefinger-Kandidat für die Apotheken hatte sich am vorherigen Wochenende für seine Verhältnisse recht zurückhaltend geäußert: Professor Dr. Gerd Glaeske sprach beim WLAT über evidenzbasierte Pharmazie. Ganz ohne Spitze ging es nicht: Die Apotheker sollten doch bitte nicht so viel OTC-Müll verkaufen. Die Pharmazeuten konterten diesen Hinweis mit dem Hinweis auf die Arzneimittelzulassung. Diesmal waren es die Hersteller, die unter der Woche auf die Barrikaden gingen.

Wobei man mit solchen Metaphern in dieser Blockupy-Woche vorsichtiger umgehen sollte. Als am Mittwoch Frankfurt brannte, hatten zumindest die Apotheker im Ostend vorübergehend andere Sorgen als die verbalen Stinkefinger der Glaeskes und Rebschers dieser Welt. Die waren froh, das ihre Apotheke noch stand.

Gleich ein ganzes Apoland baut Oliver Blume. Der Ex-easy-Chef hat ein neues Konzept – und in Hildesheim womöglich noch eine Rechnung offen. Der Standort für die „Aldi-Apotheke“ liegt neben der örtlichen easy-Apotheke, ein dm soll auch gleich mit einziehen.

In der dm-Filiale gibt es dann womöglich auch dieselben hochwertigen Kosmetika wie bei easy und Apoland. Die Drogeriekette prahlt mal wieder damit, sich apothekenexklusive Ware aus dem Graumarkt besorgt zu haben. Alle Märkte sind allerdings nicht bestückt, und vielleicht wird sich dm am Hildesheimer Standort sortimentstechnisch auch nicht zwischen die Fronten der Apothekendiscounter begeben wollen.

In Mannheim wurde am Mittwoch das 20-jährige Jubiläum des Großhändlers Phoenix begangen. Bei dem Festakt wurde das Erreichte gefeiert, ein Versprechen für die Zukunft gegeben und des 2009 verstorbenen Gründers Adolf Merckle gedacht, der an diesem Tag 81 Jahre alt geworden wäre. Sein unternehmerisches Erbe beim Großhändler zu bewahren, liegt auch in den Händen von Dr. Bernd Scheifele. Der beschrieb Merckle in einer sehr persönlichen Rede als rastlos und fleißig, extrem scharfsinnig und analytisch, kreativ und neugierig, beharrlich und bescheiden.

Die erste Woche mit EllaOTC dürfte die Kritiker des Switches bestärkt haben: Die Nachfrage stieg sprunghaft an, teilweise wurden die Großhändler leer gekauft. Da Karneval vorbei und Silvester noch fern ist, hat es den Anschein, als hätte das mit der Nichtbevorratung in etwa so gut geklappt wie die politische Kommunikation zum Thema. An den Versendern lag es nicht, die sind gesperrt, und hatten die „Pille danach“ nur vereinzelt und aus Versehen noch gelistet.

Gar nicht zu bekommen, geschweige denn zu bevorraten, ist L-Thyroxin Henning in Tropfenform. Hersteller Sanofi bekommt seine Lieferprobleme einfach nicht in den Griff. Daher sollen Apotheker nach Rücksprache mit dem Arzt alternativ entweder auf die suspendierbaren Tabletten oder Einzelimporte ausweichen. Was tut man nicht alles. Nur hoffentlich spinnt nachher nicht wieder die Retaxmaschine. Denn retaxiert wird alles. Von der Kopflaus bis zur Sohle.

Durchkämmt wurde Anfang der Woche auch die Adler-Apotheke in Burscheid – mutmaßlich von der Steuerfahndung. Die Apotheke gehört den Winterfelds, und die sind den meisten noch als Initiatoren des Pick-up-Konzepts „Steuervorteil24“ bekannt. Gerade weil der Abholtrick laut Bundesgerichtshof (BGH) unzulässig war, könnte nun auch der Steuertrick erneut wackeln. Das Steuergeheimnis schützt die Öffentlichkeit derweil noch vor weitergehenden Informationen.

Damit die Steuerfahndung in Zukunft nie mehr in Apotheken stürmen muss, sollen Apothekenkassen permanent überwacht werden. Und nicht nur die, alle Kassen. So zumindest träumt es derzeit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Totaler Humbug, findet die ABDA, die Apotheker seien schon finanzamtssicher und der geschätzte Aufwand von 100.000 Smartcards stehe in keinem Verhältnis. Muss sich Schäuble was anderes überlegen. Vielleicht 2D-Codes auf jedem Geldschein. Innerhalb des BMF soll dieser Vorschlag aber Kritiker haben.

Merkwürdige Beträge in der Bilanz dürfte auch die Apobank haben, die sich ebenfalls nicht gerne fragen oder daran erinnern lässt, wo diese herkommen. Denn unzulässige Kreditgebühren aus vergangenen Tagen müsste die Bank eigentlich an ihre Kunden zurückzahlen. Macht sie aber offenbar nur, wenn die ihren Kreditberater vor Gericht zu zerren drohen. Weil die Kunden gleichzeitig Inhaber der Genossenschaftsbank sind, ist das hartleibige Auftreten der Düsseldorfer nicht besonders attraktiv aus Apothekersicht.

Von der Politik haben die Apotheker übrigens nicht nur in der Retaxfrage keine Hilfe zu erwarten, sondern ebenso bei Hilfsmitteln. Gesundheitsstaatssekretärin Ingrid Fischbach (CDU) meint, dass es hier keinen Handlungsbedarf gebe. Und der CDU-Gesundheitsexperte Michael Hennrich meint, dass Rabattverträge gut für die Apotheker seien, weil sie sie vor einer Positivliste und Apothekenketten schützen.

Auf die Apotheken kommen zum 1. April massive Lagerwertverluste zu: Weil es neue Festbetragsgruppen bei den Humaninsulinen gibt, senken die Hersteller ihre Preise. Nicht alle Unternehmen übernehmen die Differenz, sodass in der Offizin rechtzeitig der Kühlschrank geleert werden sollte. Auch bei Cabergolin sowie den Cholinesterasehemmern Galantamin, Donezepil und Rivastigmin gibt es Veränderungen.

Eine gute Nachricht gab es auch in dieser Woche: Die Notdienstpauschale ist im vierten Quartal auf das Allzeithoch von 271,18 Euro geklettert. Damit bekommen die Apotheken pro Volldienst volle 12,52 Euro mehr als in Q3/14. Bleibt der Wermutstropfen, dass die von der Politik versprochenen 120 Millionen Euro für den Notdienst im vergangenen Jahr insgesamt nicht erreicht wurden. Also entweder es gibt noch acht Millionen, „oder ihr könnt dieses Problem alleine lösen – okay?“.

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