Sachverständigenausschuss entscheidet im Januar

Sildenafil bald ohne Rezept?

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Berlin -

Eines der bekanntesten Medikamente könnte im kommenden Jahr rezeptfrei werden – das Potenzmittel Viagra. Im Januar berät der Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht über einen OTC-Switch für den Wirkstoff Sildenafil.

Aktuell sind Präparate mit Sildenafil nur auf Rezept erhältlich. Dies könnte sich im kommenden Jahr ändern: Ende Januar berät der zuständige Sachverständigenausschuss des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über eine Entlassung des Wirkstoffs aus der Verschreibungspflicht. Stimmen die Experten dem Antrag zu, könnten die beiden Dosierungen à 25 und 50 mg je Tablette auch ohne vorherigen Arztbesuch in der Apotheke gekauft werden. Allerdings müsste das Bundesgesundheitsministerium (BMG) erst noch die Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) ändern.

In anderen europäischen Ländern, darunter Großbritannien, Polen, Schweden und Norwegen, können Viagra & Co. schon seit einigen Jahren ohne Rezept bezogen werden. Teilweise ist vorgeschrieben, dass die Apotheker:innen speziell geschult wurden, sodass eine ausführliche Beratung durch das pharmazeutische Personal möglich ist. In Polen müssen Männer, die das Potenzmittel kaufen wollen, außerdem einen Fragebogen ausfüllen. Denkbar ist, dass auch hierzulande Vorgaben für den Verkauf in der Selbstmedikation gemacht werden.

Viagra kam am 1. Oktober 1998 auf den deutschen Markt. Das Mittel wurde schnell zum Kassenschlager und sorgte dafür, dass Erektionsstörungen nicht länger als Tabuthema behandelt wurden. Der Phosphodiesterasehemmer war das erste Produkt in seiner Indikation: Lilly kam mit Cialis (Tadalafil) erst im Februar 2003 auf den Markt, Bayer mit Levitra (Vardenafil) sechs Wochen später. Das Patent für Sildenafil lief 2013 ab, Tadalfil ist seit 2017 nicht mehr patentgeschützt, Generika mit Vardenafil gibt es seit 2018.

Sildenafil liegt vorn

Nach Zahlen des Marktforschungsunternehmens Insight Health wurden in diesem Jahr bis einschließlich November in den Apotheken knapp 2,4 Millionen Packungen an Mitteln gegen Erektionsstörungen verkauft, ein Plus von 6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In der Regel werden die Präparate auf Privatrezept verschrieben, nur in seltenen Fällen übernehmen die Krankenkassen die Kosten.

Auf Sildenafil entfallen 55 Prozent aller Packungen, führende Hersteller sind 1A Pharma mit einem Marktanteil von 24 Prozent sowie Aristo und AbZ mit 11 beziehungsweise 10 Prozent. Viagra spielt mit knapp 20.000 Packungen zwar nur eine untergeordnete Rolle, allerdings konnten die Abverkäufe gegenüber dem Vorjahr verdoppelt werden. Vor einem Jahr brachte Pfizer das Altoriginal in das unter Viatris firmierende Joint Venture mit Mylan ein.

Auf Tadalafil entfallen 36 Prozent aller Packungen, auf Vardenafil 4 Prozent.

Blockbuster als Zufallstreffer

Pfizer hatte mehr als 13 Jahre in die Forschung und Entwicklung von Viagra investiert. An dem Prozess waren laut Konzernangaben mehr rund 1500 Mitarbeiter:innen beteiligt. Eigentlich sollte auch Sildenafil gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt werden. In einer Studie mussten die Wissenschaftler jedoch zur Kenntnis nehmen, dass einige Teilnehmer von einer stärken Tendenz zu Erektionen berichteten.

Dabei hatte Bayer bereits in den frühen 1990er Jahren die Entdeckung gemacht, dass Vardenafil eine potenzsteigernde Wirkung hat. Die Forscher:innen waren jedoch auf der Suche nach einem neuen Herz-Kreislauf-Medikament; für ein Potenzmittel war der Konzern offenbar aus ethischen Gründen noch nicht bereit. Erst als Pfizer mit Viagra auf den Markt kam, zog man in Leverkusen umgehend nach.

Zweiter Anlauf

2008 hatte Pfizer bereits einen Antrag auf Entlassung von Sildenafil aus der Rezeptpflicht bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) eingereicht, war aber auf Bedenken gestoßen und hatte ihn zurückgezogen.

Sildenafil ist ungefähr eine Stunde vor dem Geschlechtsverkehr einzunehmen. Je nach Wirksamkeit und Verträglichkeit kann die Dosis auf 100 mg erhöht oder auf 25 mg verringert werden.

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