Interview Andreas Mohringer (Eurim)

„ABDA, was soll das?“

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Berlin -

Die Reimporteure durchleben aktuell schwierige Zeiten. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht wenigstens ein Anbieter mutmaßlich gefälschte Ware zurückrufen muss. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat sich an Brüssel gewandt; dort ist künftig wieder die Industriekommissarin für Arzneimittel zuständig. Derweil fordert die ABDA die Abschaffung der Importquote. Die Branche selbst ist zerstritten, bei zwei Firmen hat es zuletzt Wechsel in der Geschäftsführung gegeben. Im Interview erklärt Eurim-Chef Andreas Mohringer, warum zwischen illegalen und gefälschten Arzneimitteln unterschieden werden muss und dass die Verhältnisse in Deutschland sich nicht von denen in anderen Ländern unterscheiden.

ADHOC: Über Jahrzehnte hinweg gab es im Parallelhandel keine Fälschung. Jetzt gibt es Rückrufe im Wochentakt. Was läuft schief?
MOHRINGER: Man muss zunächst unterscheiden, ob Ware gefälscht beziehungsweise manipuliert oder ob unveränderte Originalware illegal gehandelt wurde. Ersteres waren absolute Einzelfälle, die von Importeuren rechtzeitig entdeckt wurden und laut PEI die Patientenebene nicht erreicht haben. Die anderen Fälle resultieren primär aus einer – inzwischen abgestellten – Ausnahmesituation in Italien. Leider wird alles in den plakativen Topf „Fälschung“ geworfen, auch weil mancher Marktteilnehmer glaubt, dass dies seinen Zielen nützt.

ADHOC: Illegal oder gefälscht: Diese Unterscheidung ändert nichts daran, dass es Probleme in der legalen Lieferkette gibt.
MOHRINGER: Zunächst ist einmal erforderlich, die Vorkommnisse differenziert einzugrenzen und die Diskussion zu versachlichen. 2013 gab es eine stark steigende Zahl von Arzneimitteldiebstählen in Italien. Diese Vorgänge wurden aber über längere Zeiträume der dort zuständigen Aufsichtsbehörde nicht gemeldet. Kostenträchtige Rückrufe der betroffenen Hersteller wären wohl die Folge gewesen – die übrigens bis heute nicht stattgefunden haben. Erst als man die steigende Problematik nicht mehr ignorieren konnte, wurde die Aufsichtsbehörde eingeschaltet. Auch dort hat man das Problem als EU-übergreifend zu spät erkannt und erst danach die Behörden in den anderen europäischen Ländern informiert. Eine sofortige, konkrete Informationspolitik hätte von Anfang an sehr viele, wenn nicht alle Vorkommnisse verhindern können. Wer den Parallelhandel als eigentliche Ursache bezeichnet, verkennt die wahren Probleme und kommt damit auch nicht zu sachgerechten Lösungen.

ADHOC: Aber ohne den Parallelhandel wären diese Produkte nicht nach Deutschland gekommen...
MOHRINGER: Es bringt nichts, diese Vorkommnisse in der regulären Lieferkette isoliert als rein nationales Problem zu betrachten. Aber selbst wenn man das tut, kommt man zu dem Ergebnis, dass es hierzulande sehr vergleichbare Probleme gibt wie in Italien: Denken Sie an die Omeprazol-Vorfälle. Dabei sind über lange Zeiträume komplett gefälschte deutsche Arzneimittel vertrieben worden und sogar zu den Patienten gelangt. Oder an die aktuellen Diebstähle bei deutschen Logistikdienstleistern, wo in erheblichem Umfang „deutsche“ Arzneimittel professionell gestohlen worden sind. Kann man ausschliessen, dass diese Arzneimittel wieder in die legale Lieferkette gelangen oder schon gelangt sind? Aus meiner Sicht muss Arzneimittelsicherheit Vorrang haben vor ermittlungstaktischen Überlegungen.

ADHOC: Wollen Sie sagen, dass es auch hierzulande Hehlerei mit Medikamenten gibt?
MOHRINGER: Der Begriff „Hehlerei“ ist in diesen Zusammenhängen deplaziert, da dies wissentlichen Erwerb von gestohlenen Dingen voraussetzt. Es ist aber ein offenes Geheimnis, dass auch in Deutschland zum Beispiel regelmäßig LKW mit Arzneimitteln verloren gehen. Aber offensichtlich hat kaum jemand Interesse, dies öffentlich zu machen.

ADHOC: Was schlagen Sie vor?
MOHRINGER: Wir brauchen eine effizientere, schnellere und bessere Zusammenarbeit aller Beteiligten. Dabei geht es vor allem um den sofortigen Informationsaustausch. Behörden müssen sicherstellen, dass alle Hersteller jeden Diebstahl umgehend und konkret melden. Das könnte EU-weit beispielsweise über eine passwortgeschützte Plattform im Internet geschehen, auf die alle berechtigten Beteiligten Zugang haben. Jedenfalls gibt es bei den Importeuren größtes Interesse, rechtzeitig und damit vorab über existierende Probleme informiert zu werden, was aber sicherlich auch für die anderen Beteiligten wie die Behörden zutrifft.

ADHOC: Was bringt Securpharm?
MOHRINGER: Securpharm ist grundsätzlich ein effektives Warnsystem, das bei systematischen Fälschungen deutlich mehr Sicherheit bietet Aus diesem Grund haben wir uns auch von Anfang an und konkret daran beteiligt, einschließlich dem Pilotprojekt. Es wäre aber eine Illusion zu glauben, dass sich damit ohne weiteres Diebstähle entdecken lassen. Auch dies zeigt, wie wichtig es auch gerade vorbeugend ist, sich dieser neuen und überraschend aufgetauchten Problematik EU-weit einheitlich konstruktiv anzunehmen.

ADHOC: Die ABDA fordert eine Abschaffung der Importquote...
MOHRINGER: Ich weiß. Aber was soll das bitte?

ADHOC: Mehr Flexibilität für die Apotheker, auch einmal auf einen dubiosen Import verzichten zu können.
MOHRINGER: Jeder Apotheker kann sich schon heute den Lieferanten frei aussuchen, dem er vertraut und auch vertrauen kann. Diese Initiative ist doch durchsichtig: Die ABDA hat einfach einen neuen Grund gesucht, um eine unliebsame Pflicht loszuwerden – leider auch mit unzutreffenden Zahlen von angeblich nur 91 Millionen Euro Einsparungen, die aus einem VfA-Papier zum AMNOG stammen. So etwas erhöht nicht die eigene Glaubwürdigkeit. Der Verband der Arzneimittel-Importeure Deutschlands (VAD) hat dazu jüngst eine aktuelle Berechnung erstellt, die auf deutlich höhere jährliche Einsparungen in 2014 von 300 Millionen Euro kommt. Will man wirklich, dass statt der für den Apotheker flexibel zu handhabenden Importquote das grundsätzliche Wirtschaftlichkeitsgebot für die Abgabe jedes einzelnen preisgünstigeren Imports gelten soll?

ADHOC: Können Sie denn verstehen, dass Importe bei den Apothekern unbeliebt sind?
MOHRINGER: Ist das pauschal so? Importe bringen doch gerade den Apotheken wirtschaftlich dringend benötigte Vorteile! Ein Marktanteil der Importe von aktuell 11 Prozent – wohlgemerkt am Pharmagesamtmarkt – bei einer Importquote von 5 Prozent ist doch wohl ein eindeutiges Votum der Apothekenbasis. Ohne Importe und deren Wettbewerbsfunktion hätte übrigens auch der Grosshandel dem jeweiligen Monopol der Originalanbieter nichts entgegen zu setzen. Daraus dann resultierende kalkulatorische Einbußen würden in der Folge mit Sicherheit zu Lasten der Apotheken gehen.

ADHOC: Also rechnen Sie nicht damit, dass Reimporte irgendwann ganz verboten werden?
MOHRINGER: Solche unreflektierten Forderungen sind schon EU-rechtlich absurd. Also muss man sich doch Gedanken darüber machen, wie alle Beteiligten gemeinsam – von den Handelskreisen bis zu den Behörden – existierende Strukturen weiter verbessern können. Es liegt doch wohl auf der Hand, dass gerade die Importeure daran ein ureigenes Interesse haben. Dies muss der Zukunftsweg sein.

ADHOC: Wird die Nutzenbewertung das Preisgefälle innerhalb Europas irgendwann auflösen?
MOHRINGER: Nein, denn wir haben 28 verschiedene Gesundheitssysteme in Europa. Und bei uns werden die Kassen ja auch dafür kritisiert, in den Preisverhandlungen zu sehr auf möglichst niedrige Preise gesetzt zu haben mit der Folge, dass etliche innovative Präparate in Deutschland nicht mehr angeboten werden. Ich habe aber den Eindruck, dass man hier inzwischen etwas einsichtiger wird.
Unabhängig davon wird es aber immer Länder in Europa geben, in denen Arzneimittel preiswerter sind als in Deutschland. Der Parallelhandel lebt von Preisdifferenzen – egal auf welchem Niveau diese stattfinden.

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