Trauer um Firmenchef

Eurim: Andreas Mohringer verstorben

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Berlin -

Der Reimporteur Eurim nimmt Abschied von seinem Gründer. Andreas Mohringer verstarb nach langer Krankheit im Alter von 77 Jahren.

Mohringer wurde am 25. September 1945 als Sohn einer deutschen Mutter und eines österreichischen Vaters im westfälischen Bad Salzuflen geboren. Die Familie zog mehrfach um: Duisburg, Hildesheim, Hegau am Bodensee. In den 1960er-Jahren studierte Mohringer in Freiburg Pharmazie. Danach zog es ihn nach Nordrhein-Westfalen zurück.

1975 stand er erkältet als Urlauber in einer englischen Apotheke und konnte kaum glauben, welche Preisunterschiede es bei Arzneimitteln innerhalb Europas gibt. Der Hustensaft Benadryl kostete nur einen Bruchteil dessen, was für das deutsche Pendant fällig wurde. Mohringer war nicht der Einzige, dem aus dieser Erkenntnis eine Geschäftsidee kam: Schon ein Jahr zuvor hatte die niederländische Firma Centrafarm vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) erstmals Einfuhrbeschränkungen seitens der Hersteller zu Fall gebracht.

Kurz darauf erklärte auch das Bundesgesundheitsamt den Import von Produkten aus dem Ausland für rechtmäßig, die in derselben Zusammensetzung auch im Inland angeboten werden. Der Weg war frei für eine komplett neue Branche.

Mohringer stieg ins Reimportgeschäft ein. Mitbewerber gab es damals kaum; in Nordkirchen zogen parallel der Dortmunder Apotheker Wolf-Dietrich Becker und der Kaufmann Helmut Leipold ein ähnliches Unternehmen auf. Der Name: Eurimpharm. 1977 stieg Mohringer beim Konkurrenten ein. Becker war da schon wieder ausgestiegen, Leipold blieb bis 1991 an Bord.

Zu Beginn gab es als einziges Produkt Valium von Roche, drei Mitarbeiter, eine Handvoll Krankenhäuser als Kunden und so gut wie keine gesetzlichen Vorgaben. Anfang der 1980er Jahre hatte das Unternehmen 600 Kliniken und 1000 öffentliche Apotheken als Kunden, die sich von den großzügigen Naturalrabatten überzeugen ließen: So profitierten die Geschäftspartner; in der Lauer-Taxe standen weiter die Originalpreise.

Doch Mohringer hatte eine Idee, wie er das Geschäft um ein Vielfaches ausweiten konnte – und zwar gegen die Interessen der eigenen Kunden: 1982 listete Eurim erst zwölf und kurz darauf drei weitere Dutzend Medikamente zum echten niedrigeren Verkaufspreis. Die Apotheker liefen nun gemeinsam mit den Herstellern Sturm, denn die Kassen pochten plötzlich auf die Abgabe der preisgünstigeren Alternative, so wie in den Lieferverträgen vereinbart.

Es hagelte Eingaben und Verfügungen, vor Gericht wird über Behauptungen und Boykottvorwürfe gestritten. Die Apotheken versuchten Eurim mit zahlreichen Kleinstbestellungen handlungsunfähig zu machen.

Doch Mohringer ließ sich nie einschüchtern. Mit Eurim kämpfte er jahrelang weiter gegen das System, dem er selbst angehörte. Vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) setzte er sich in den 1990er Jahren gegen den Freistaat Bayern, das Bundesgesundheitsamt sowie verschiedene Hersteller durch. Auch auf politischer Ebene konnten die Reimporteure Erfolge verbuchen: 1993 verpflichteten sich die Apotheken erstmals in einem Liefervertrag mit den Kassen zur Abgabe preisgünstiger Importe. Drei Jahre später zwang der Bundesgerichtshof (BGH) die Großhändler, Reimporte in ihr Sortiment aufzunehmen; bis dahin konnten die Apotheken die Ware ausschließlich direkt bestellen. 2000 wurden die Apotheken schließlich gesetzlich zur Abgabe von Importen verpflichtet, ein Jahr später wurde die Importquote eingeführt. Seitdem hat sich der Umsatz der Branche verfielfacht.

Um auf nationaler und europäischer Ebene Einfluss zu nehmen, wurden auf Mohringers Initiative hin 1983 auf deutscher Ebene der Bundesverband der Arzneimittelimporteure (BAI) und 1998 die „European Association of Euro-Pharmaceutical Companies“ (EAEPC, heute Affordable Medicines Europe, AME) gegründet. In beiden Organisationen war Mohringer erster-Vorstandsvorsitzender.

Was nur die Wenigsten wissen: Mohringer betrieb parallel auch eine eigene Apotheke, erst in NRW, ab 2005 am Firmensitz in Oberbayern. Als Eurim 2010 den heutigen Firmensitz von Piding ins benachbarte Saaldorf-Surheim verlegte und ein Jahr später die alten Geschäftsräume in ein Outlet für Markentextilien umgewandelt wurden, bekam auch die Offizin eine neue Adresse. Im Erdgeschoss des Verwaltungsgebäudes von Eurim war seitdem die Apotheke untergebracht – direkt unter Mohringers Chefbüro. Als „langjähriger Lieferant von Antikonzeptiva“ schrieb die Apotheke regelmäßig Frauenärzte in ganz Deutschland an, um ihnen Eurim-Präparate zum Vorzugspreis anzubieten.

In den vergangenen Jahren zog sich Mohringer auch aufgrund einer Erkrankung aus dem operativen Geschäft zurück. Seine Frau Dr. Friederike Hrubesch-Mohringer füllte seine Position aus, außerdem wurde erst mit Franz Ebner und dann mit Michael Jaeger ein externer Manager in die Geschäftsführung geholt. Tochter Magdalena Hrubesch ist im Marketing tätig.

„Andreas Mohringer hat durch seine herausragende Persönlichkeit, die geprägt war von Respekt gegenüber seinen Mitarbeiter:innen und Geschäftspartner:innen und durch sein umfassendes Wissen über den Markt und seine Rahmenbedingungen, seine Erfahrung sowie seinen strategischen Weitblick das Fundament auch für den weiteren zukünftigen Erfolg gelegt“, lobt das Unternehmen in einem Nachruf. „Die Familie sowie mehr als 500 Mitarbeiter:innen trauern um ihren Chef, Pionier, Ermöglicher, Visionär und schlichtweg um einen faszinierenden Menschen mit unvergleichlichem Charisma.“ Gemeinsam mit der Eigentümerfamilie und der nächsten Generation werde das Management das großartige Lebenswerk weiterführen.

Mohringer lebte in Salzburg, seine Leidenschaft waren extrem seltene Oldtimer. Er starb am 20. Juni.

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