Kommentar

Das schwäbische Drama

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Man kann solche Situationen nur schwer nachempfinden. Und man will es auch nicht. Der 74-jährige Unternehmer Adolf Merckle hat sich das Leben genommen. Das Drama um den vielschichtigen Konzern und die Familie Merckle hatte aber nicht erst mit der enormen Berichterstattung über die Fehlspekulationen Fahrt aufgenommen.

Erstmals aufmerksam wurde die Medien-Nation auf die abgeschottete Familiendynastie und das Firmenimperium durch die Berichterstattung zum so genannten Ratiopharm-Skandal im Stern. Die Merckles entschieden sich für einen harten Schnitt: Adolf Merckle hievte seinen Sohn Philipp-Daniel auf den Ratiopharm-Thron. Doch der Sohn wollte den totalen Wandel, Ethik statt Monetik. Er war so ganz anders als die Pharma-Welt um ihn herum. Und auch anders als die Welt des eigenen Vaters und seiner wenigen Vertrauten.

Ein Fall für Shakespeare: Als Ratiopharm unter dem neuen jungen, enthusiastischen Chef wankte, hielt der Vater nicht lange inne: Er entzog dem Sohn nach zwei Jahren die gerade erst geschenkte Macht und ließ bei Ratiopharm wieder Segel setzen - Richtung Markt, Richtung Monetik. Das Management rund um den agilen Patriarchen funktionierte wie eh und je. Verlässlich wurde gekauft und verkauft, Anteile verschoben, Steuern gespart.

Als aus dem „Betriebsunfall“ einer misslungenen Spekulation schließlich der Gau für den Familienkonzern wurde, zehrte das an den Nerven aller Beteiligten. Die heile Welt bekam kafkaeske Züge. Nichts ist so wie es scheint, dachten sich Redaktionen und bliesen - gefüttert ausgerechnet mit Informationen aus Finanzkreisen - zur feudalen Treibjagd auf den Multi-Milliardär. Der verstoßene Sohn meldete sich plötzlich wieder zu Wort - und nabelte sich vom Finanzcrash des Vaters ab.

Doch auch Merckle selbst war überraschend für ein Interview bereit und versuchte, sich der so lange gemiedenen Öffentlichkeit zu erklären. Merckle sprach über Kampfgeist, Unternehmertum und die eigene Verletzheit. Doch die sorgfältig gewählten Worte des medienscheuen Patriarchen hinterließen wenig Wirkung, als kurz darauf über Drohungen gegenüber den Banken berichtet wurde.

Für die Unternehmen und zigtausende Mitarbeiter geht es nun schon seit Wochen um die Existenz. Adolf Merckle hat diesen Druck nicht mehr ertragen. Er hat seine ganz persönliche Entscheidung getroffen. Gegen das Leben, für den Tod. Ein Urteil darüber steht niemandem zu.

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